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Bei den Saaldienern : "Wir sind die stillen Helfer"

Sie arbeiten mitten im Plenarsaal – und bleiben doch meist unsichtbar: Die Saaldiener im Bundestag. Ein Blick hinter die Kulissen eines besonderen Berufs.

13.03.2025
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4 Min

Beifall brandet auf, die Debatte ist in vollem Gange. Im Plenum verfolgen Abgeordnete und Besucher das Geschehen, Kameras übertragen die Bilder live. Doch kaum jemand beachtet die Mitarbeiter, die leise Unterlagen austauschen, Wassergläser füllen oder den Gong zur Abstimmung betätigen. Sie sind die sogenannten Plenarsaaldiener, die für den reibungslosen Ablauf im Deutschen Bundestag sorgen.

Foto: DBT / Tobias Koch

Die guten Geister im Hintergrund - rund 60 Saaldienerinnen und Saaldiener sorgen im Bundestag für einen reibungslosen Ablauf.

Einer von ihnen ist Michael Gesche. Seit mehr als zwölf Jahren gehört er zu diesem eingespielten Team. "Wir sind die stillen Helfer", sagt er. Unauffällig, aber unverzichtbar behalten er und seine 65 Kolleginnen und Kollegen den Überblick und achten zum Beispiel darauf, dass nur befugte Personen im Plenarsaal Platz nehmen - wie Abgeordnete, Regierungsmitglieder oder Bundesratsvertreter. Besonders zu Beginn einer neuen Legislaturperiode kann das herausfordernd sein. Für den neu gewählten Bundestag, der sich am 25. März konstituieren soll, hat Gesche die Bilder aller Abgeordneten bereits in einem Hefter parat - zum Üben und Nachschlagen.

Früher arbeitete Gesche im Besucherdienst einer Oper, doch seit mittlerweile zwölfeinhalb Jahren ist der Plenarsaal seine Bühne. An einem Sitzungstag beginnt seine Frühschicht um sieben Uhr morgens, wenn es im Bundestag meistens noch still ist. Dann bereitet er den Plenarsaal vor, legt wichtige Unterlagen aus, nimmt erste Telefonate entgegen.

Lange Tage, noch längere Nächte

Sobald die Sitzung um 9 Uhr beginnt, übernimmt das Team der Saaldiener administrative Aufgaben: Redezeiten werden eingestellt und die Stenografen benachrichtigt, wenn Abgeordnete ihren Text vor der Veröffentlichung im Protokoll prüfen wollen. Auch Botengänge und Nachrichtenübermittlung zwischen Abgeordneten und deren Büros gehören zu den Aufgaben. Bei namentlichen Abstimmungen zählt das Team die Stimmen aus.

Hat Gesche Spätschicht, kann sein Arbeitstag lang werden - nicht selten ziehen sich die Sitzungen im Plenum bis in die frühen Morgenstunden. "Es ist schon vorgekommen, dass ich erst um drei Uhr nachts den Bundestag verlassen habe", sagt er.


„Das Tragen des Fracks ist etwas Besonderes - es ist unser Markenzeichen.“
Plenarsaaldiener Michael Gesche

Ein markantes Merkmal der Saaldiener ist ihre traditionelle Dienstkleidung. Männer tragen den klassischen Frack, Frauen ein dem Frack nachempfundenes Kostüm - beide in einem dunklen Blau, versehen mit goldenen Knöpfen, auf denen der Bundesadler prangt, und darunter eine graue Weste. "Viele, die uns sehen, denken natürlich an Pinguine", sagt Gesche lachend. "Aber das Tragen des Fracks ist etwas Besonderes - es ist unser Markenzeichen."

Die heutige Uniform der Plenarsaaldiener wurde 1955 eingeführt. Zuvor trugen sie lediglich grüne Armbinden mit der Aufschrift "Hilfsdienst" oder "Ordnungsdienst" - eine pragmatische Lösung, da nach dem Zweiten Weltkrieg Stoff für vollständige Uniformen knapp war.

Vom Bundestag in die französische Assemblée nationale 

Ein bedeutender Wandel folgte 1989, als erstmals Frauen in den Dienst aufgenommen wurden. Heute steht sogar eine Frau an der Spitze des Teams: Brigitte Rubbel, die Platzmeisterin und Chefin der Saaldiener. Als Einzige trägt sie anstelle der grauen eine weiße Weste - das sichtbare Zeichen ihrer leitenden Funktion.

Bei internationalen Staatsgästen sorgt die feierliche Kleidung regelmäßig für Aufsehen. Als einmal ein österreichischer Landeshauptmann Gesche und seine Kollegen im Bundestag sah, entfuhr ihm ein anerkennendes: “Na geh, sans fesch aus!”

Foto: DBT/ Felix Zahn

Seit zwölf Jahren arbeitet Michael Gesche (r.) als Saaldiener des Bundestages. Seine Tätigkeit führte ihn auch schon in die französische Assemblée nationale.

Ein besonderer Moment in Gesches Karriere führte ihn 2023 zur Assemblée nationale - der französischen Nationalversammlung. Als einer von zwei Saaldienern wurde er ausgewählt, die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) anlässlich des 60. Jahrestags des Élysée-Vertrags nach Paris zu begleiten - bis in den Plenarsaal. Dort erhielt er nicht nur Einblicke in die Arbeit der französischen Saaldiener, sondern durfte auch selbst mitarbeiten.

Im Plenum sind die Saaldiener unter ständiger Beobachtung

Gesche berichtet, dass die Zeremonien in der Assemblée nationale noch stärker von Tradition geprägt sind als im Bundestag. Während im Bundestag ein Gong den Beginn der Sitzung anzeigt, ruft in Paris der Chefsaaldiener feierlich: "Man möge sich für die Präsidentin erheben!" Die französischen Saaldiener tragen ebenfalls Frack, allerdings in Schwarz und ihre Rangordnung wird durch kleine Ketten am Revers kenntlich gemacht. Gesche beobachtete die feierliche Atmosphäre mit großem Interesse - und sah sich schließlich einer unerwarteten Entscheidung gegenüber: "In Frankreich ist es Brauch, dass sich der Saaldiener vor der Präsidentin verneigt, wenn sie das Rednerpult verlässt", erklärt er. 

Vom Plenum aufs Dach

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Nachdem Bärbel Bas in der Assemblée ihre Rede gehalten hatte und anschließend auf ihren Platz zurückkehren wollte, musste Gesche also entscheiden: Soll ich mich ebenfalls verneigen? Nach kurzem Zögern war ihm jedoch klar: "Ich bin hier in Frankreich, also passe ich mich an." Er verneigte sich vor der Bundestagspräsidentin - eine Geste, die im Bundestag völlig undenkbar wäre. "In Frankreich wird einfach noch mehr auf die Form geachtet", stellt er fest.

Doch auch im Bundestag sind Präzision und Diskretion wichtig, denn jeder Handgriff wird von Kameras erfasst und live übertragen. "Anfangs war das ziemlich aufregend", erinnert sich Gesche. "Man will ja nicht plötzlich in einer Comedy-Sendung landen, weil man stolpert oder an der falschen Stelle lacht." Aber mittlerweile sei die Arbeit Routine - die Nervosität gehört der Vergangenheit an.

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