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Rolle rückwärts bei der Klimapolitik : AfD will zurück zur Atomkraft

Die AfD legt Gesetzesentwürfe zur Abkehr von der bisherigen Klimapolitik in Deutschland vor - und erntet dafür heftige Kritik.

27.06.2025
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4 Min

Die AfD-Fraktion hat dem Bundestag zwei Gesetzentwürfe vorgelegt, die die bisherige Klimapolitik des Landes komplett infrage stellen und abschaffen wollen. Mit dem einen Gesetzentwurf strebt die AfD eine Grundgesetzänderung an und fordert die Änderung des Artikels 143h im Grundgesetz (GG) sowie die Aufhebung des dort genannten Ziels zur Erreichung der Klimaneutralität bis zum Jahr 2045.

Foto: picture alliance / Christine Koenig

Die AfD will stillgelegte Atomkraftwerke wie Isar II in Essenbach bei Landshut wieder in Betrieb nehmen.

Der Artikel 143h GG ist erst wenige Wochen in Kraft, er war Bestandteil des Beschlusses von Bundestag und Bundesrat im März für weitreichende Änderungen der Haushalts- und Finanzverfassung. Der Bund kann damit ein Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und für zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 mit einem Volumen von bis zu 500 Milliarden Euro errichten. Für den Klima- und Transformationsfonds stehen dabei 100 Milliarden bereit.

Ausstieg aus internationalen Klimaabkommen gefordert

Mit dem “Entwurf eines Gesetzes zur Beseitigung der Klimaschutzfolgen und Wiederherstellung der Energieinfrastruktur in Deutschland - Klimaschutzfolgenbereinigungsgesetz”) sollen zum zweiten das Atomgesetz geändert und 23 Gesetze - unter anderem der Klima- und Transformationsfonds, das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), der Zertifikate-Handel, das Gebäudeenergiegesetz (GEG) sowie die Gesetze zum Atom- und Kohlestromausstieg - aufgehoben werden, die zum Erreichen der Klimaziele beschlossen wurden. Die AfD nennt diese Vorhaben "im Wesentlichen ideologisch motiviert" und "daher verzichtbar oder sogar schädlich". Außerdem soll Deutschland das Kyoto-Protokoll von 1997 kündigen und aus dem Klima-Übereinkommen von Paris 2015 aussteigen.

Mit dem Gesetz will die AfD "den wirtschaftlichen Niedergang und die Deindustrialisierung Deutschlands aufhalten und damit eine fortschreitende Verarmung verhindern". Ein nennenswerter Einfluss von menschlich verursachtem CO2 in der Atmosphäre auf das Klima der Erde sei laut AfD weder erkennbar noch wissenschaftlich nachgewiesen.


„Das ist kein politischer Diskurs mehr, das ist Desinformation in Gesetzesform, und das ist dieses Hauses nicht würdig.“
Nicklas Kappe (CDU)

Die Energieversorgung und damit die Netzstabilität könne und müsse mit Blick auf die notwendige Versorgungssicherheit durch nichtvolatile Quellen sichergestellt werden, "insbesondere durch saubere fossile und nukleare Kraftwerke". Da der Ausstieg aus der Kernenergie "inzwischen viel zu weit fortgeschritten" sei, müsse "ein staatlicher Wiedereinstieg angestrebt werden", schreibt die AfD-Fraktion. Die bisherige Infrastruktur aus Kohle-, Gas- und Kernkraftwerken habe sich für "eine sichere und wirtschaftliche Energieversorgung bewährt", deshalb sollten die Anlagen weiterbetrieben beziehungsweise wieder in Betrieb genommen werden. Der Ausbau der erneuerbaren Energien und die CO2-Bepreisung gelten für die AfD als Hauptursache der Deindustrialisierung Deutschlands und der hohen Energiepreise hierzulande.

Karsten Hilse (AfD) begründete die Notwendigkeit der von seiner Partei vorgeschlagenen Maßnahmen mit dem "erbärmlichen Zustand", in dem sich das "Industrieland Deutschland befindet". Die Energiewende, die in Deutschland seit 25 Jahren betrieben werde, sei "gescheitert", und es brauche eine "Kehrtwende". Das würden auch Ökonomen wie Hans-Werner Sinn, früherer Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, so sehen, erklärte der AfD-Politiker. Hilse bezeichnete die Vorhaben der AfD abschließend als "Fackel der Hoffnung", die man "in den Reichstag" stelle .

CDU: Gesetzentwürfe leugnen den menschengemachten Klimawandel

Nicklas Kappe (CDU) bezeichnete die AfD-Vorschläge als einen "Angriff auf das Grundgesetz". Die beiden Gesetzentwürfe bedeuteten nichts weniger als die komplette Entkernung der Klimapolitik dieses Landes. Die AfD leugne den menschengemachten Klimawandel, sie entleere zentrale wirtschaftliche, wissenschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen und bezeichne sie als ideologisch überhöhte Irrwege. Außerdem behaupte die AfD, dass die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft eine Form von Planwirtschaft sei. "Das ist kein politischer Diskurs mehr, das ist Desinformation in Gesetzesform, und das ist dieses Hauses nicht würdig", sagte Kappe. Die AfD betreibe mit ihren Vorschlägen "bewusste Spaltung".

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Nina Scheer von der SPD-Fraktion schloss sich dieser Kritik an, sie verurteilte die AfD-Entwürfe als "einen Angriff auf den Rechtsstaat". Aber nicht nur die Vorschläge der AfD-Fraktion, sondern vor allem die Wortwahl zu den "Fackeln" empfinde sie als "unerträglich", sagte Scheer. Im Zusammenhang mit den Aussagen in den Entwürfen spreche sich die AfD ganz "unverhohlen" gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus. Die AfD-Fraktion zeige damit, dass sie nicht bereit sei, die höchstrichterliche Rechtsprechung zu akzeptieren.

Ausstieg aus den Klimaabkommen bedeutet für die Linken die Isolation Deutschlands

Sandra Stein (Grüne) sprach von einer "Rolle rückwärts", die die AfD mit ihren Vorschlägen vorlege. "Aber ehrlicherweise habe ich von einer Partei, die den Klimawandel leugnet, auch nichts anderes erwartet", so Stein. Etliche Unternehmen hätten "längst verstanden", dass die Transformation der Wirtschaft nicht mehr aufzuhalten sei. Die Abkehr von fossilen Brennstoffen sowie den Ausbau erneuerbarer Energie und Wettbewerbsfähigkeit zu gestalten, das sei Aufgabe von Wirtschaftspolitik.

Auch Mirze Edis (Linke) sprach von den AfD-Entwürfen als "Rolle rückwärts" und nannte die Vorschläge "Zeitverschwendung". Dabei sei es dringend nötig, die Wirtschaft und vor allem die Stahlindustrie "zukunftsfest" zu machen. Sollte Deutschland, wie von der AfD gefordert, aus dem Kyoto-Protokoll und dem Pariser Übereinkommen aussteigen, wäre das der "sichere Weg" in die Isolation.