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Neue Gaskraftwerke für Deutschland? : Abgeordnete streiten über Ausrichtung der Energiepolitik

Die Union will Versorgungssicherheit, die Grünen warnen vor einem "Gas-Boom" und die AfD setzt auf Atomkraft. Über die künftige Energiepolitik wurde hart debattiert.

23.05.2025
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4 Min

Bundesregierung und Opposition sind sich maximal uneinig, wie die zukünftige Energiepolitik aussehen soll. Das zeigte sich in zwei Debatten, die es Mittwoch und Donnerstag im Bundestag gegeben hat. Die Pläne der neuen Bundesregierung, durch den Bau von 40 neuen Gaskraftwerken die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, beunruhigen vor allem die Fraktion der Grünen, die darin einen Verrat an den Klimazielen sieht.

Foto: picture alliance/dpa-Zentralbild/Jens Büttner

Es gibt wieder Diskussionen über eine mögliche Inbetriebnahme der Ostseepipeline Nord Stream 2.

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hatte kurz nach Amtsantritt erklärt, sie wolle so schnell wie möglich mindestens 20 Gigawatt (GW) ausschreiben, was etwa 40 Anlagen entspricht. Ihr Argument: Kraftwerke müssten dann zur Verfügung stehen, wenn Wind und Sonne nicht genügend Energie liefern. Gaskraftwerke seien dafür besonders geeignet, weil sie flexibel seien und schnell hoch- oder heruntergefahren werden könnten.

Grünen fürchten steigenden Gasbedarf in Deutschland

Die Fraktion der Grünen befürchtet, dass durch die neuen Gaskraftwerke auch der Bedarf an Gas steigt und Deutschland wieder mehr importieren wird. Deshalb verlangen die Grünen in ihrem Antrag, das Gaspipeline-Projekt Nord Stream 2 zu beenden und dauerhaft kein Gas mehr aus Russland zu importieren. Stattdessen solle die Bundesregierung die Außen- und Sicherheitspolitik in Abstimmung mit ihren europäischen Partnern dahingehend ausrichten, dass die "Energieabhängigkeit von Autokratien weltweit weiter reduziert wird".


„Die gesamte Bundesregierung muss für ein endgültiges Aus für Nord Stream 2 sorgen.“
Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen)

Agnieszka Brugger (Grüne) rief Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) auf, zu handeln. Nord Stream 2 sei nie ein rein privatwirtschaftliches Projekt gewesen, das hätte spätestens 2014 nach der Annexion der Krim durch Russland auffallen müssen. "Die gesamte Bundesregierung muss für ein endgültiges Aus für Nord Stream 2 sorgen", sagte sie. Denn aktuell würden wieder Pläne besprochen, die Pipeline doch zu betreiben.

Andreas Lenz (CSU) kündigte an, dass die Bundesregierung gemeinsam mit "den europäischen Partnern abgestimmt in der Frage Nord Stream 2 vorgehen wird". Deutschland brauche Sicherheit bei der Energieversorgung. Bislang seien "Sonne und Wind nicht die tragenden Säulen der Energieversorgung in diesem Land", sagte er, denn Deutschland sei weiterhin auf fossile Energie angewiesen.

Auch Nina Scheer (SPD) kündigte an, dass man nicht nur mit den EU-Staaten abgestimmt die Frage der Energieversorgung klären müsse, sondern auch mit dem "Bündnispartner USA". Auch wenn das mit Präsident Donald Trump, der sich in Richtung "Autokrat" entwickle, nicht einfach sei. "Um Frieden in der Welt zu sichern, sind wir immer darauf angewiesen, mit allen Kräften zusammenzuarbeiten, wenn wir in Bündnissen mit ihnen stecken", betonte Scheer.

Für AfD ist Nord Stream 2 ein "Vorteil für Deutschland"

Linken-Politiker Lorenz Gösta Beutin hielt der Bundesregierung vor, sie wolle das "Land mit Gaswerken zupflastern". Anstatt den Ausbau der Erneuerbaren voranzubringen, werde "wieder über Nord Stream 2 diskutiert". Das sei der falsche Weg, "weil wir es uns nicht leisten können, unsere Lebensgrundlagen weiter zu verheizen", sagte der Vorsitzende des Umwelt- und Klimaschutzausschusses.

Steffen Kotré (AfD) nannte Nord Stream 2 "einen Vorteil für Deutschland", weil es keinen preiswerteren Weg für den Gasimport als den durch die Rohrleitungen gebe. Ohne bezahlbare Gaspreise würden noch mehr Industriebetriebe schließen. Neben Gaslieferungen aus Russland spricht sich die AfD-Fraktion auch für die weitere Nutzung von Kernkraft in Deutschland aus. In ihrem Antrag “Moratorium für den Rückbau abgeschalteter Kernkraftwerke” forderten die Abgeordneten, den Rückbau aller abgeschalteten Kernkraftwerke, die wieder als betriebstüchtig hergestellt werden könnten, "unverzüglich" zu stoppen.

Paul Schmidt (AfD) sprach von einem "Albtraum des Kernenergieausstiegs", weil die 25 Kernkraftwerke, die es ursprünglich in Deutschland gegeben habe, nicht nur Versorgungssicherheit geboten hätten, sondern auch "anspruchsvolle" Arbeitsplätze.

Saskia Ludwig (CDU) nannte die AfD-Forderungen "wirtschaftlich und technisch nicht vertretbar", mit dem Antrag würden "unsere Energieprobleme nicht gelöst". Es gelte nun, Technologieoffenheit, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit zur Priorität zu machen. Allein für die Wiederinstandsetzung eines Reaktors wie Isar 2 lägen die Kosten bei drei Milliarden Euro, und das ohne Brennstoff, ohne Personal oder sicherheitstechnische Nachrüstungen.

Grüne sehen Atomkraft als Energiequelle "abgeräumt"

Die Redner von SPD und Grünen hielten der AfD vor, einen "recycelten Antrag" vorzulegen. Jakob Blankenburg (SPD) erinnerte daran, dass die AfD vor gut einem halben Jahr eine ähnlich lautende Forderung eingebracht habe. Die AfD stelle sich nicht den "energiepolitischen Realitäten". Atomkraftwerke böten keine Lösung und seien als Energiequelle "abgeräumt", sagte er.

Harald Ebner (Grüne) verwies auf das enorme Sicherheitsrisiko von Kernkraftwerken. Die AfD wolle alte Atommeiler anwerfen und neues Risiko und neuen Atommüll erzeugen. Mareike Hermeier (Die Linke) warf der AfD "Atomromantik" vor. Anstatt weiter auf die "teuerste aller Möglichkeiten" zu setzen, solle man den Ausbau der erneuerbaren Energien forcieren. Beide Anträge wurden an den Ausschuss für Wirtschaft und Energie überwiesen.

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