Mehr Gerechtigkeit bei der Erbschaftssteuer : Druck von allen Seiten
Grüne und Linke scheitern mit ihren Vorstößen, Erben großer Vermögen stärker zu belasten. Doch es mehren sich die Stimmen, die eine Reform unterstützen.
Der Grundsatzstreit um die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist viel älter als die letzte Reform im Jahre 2016. Nach einem Urteil des Verfassungsgerichts verständigte sich die damalige Große Koalition auf eine Neuregelung, die besonders hohe Schonbeträge für Firmenerben vorsieht. Ziel war, die Betriebe vor Liquiditätsengpässen durch Steuerzahlungen zu schützen und Arbeitsplätze zu erhalten. Ergebnis war, dass Milliardenvermögen fast steuerfrei vererbt werden konnten. Welche Dimension die Verschonung von Betriebsvermögen hat, macht die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen deutlich: Seit 2022 wurden danach sieben Milliarden Euro Steuern erlassen.
Der Druck auf Regierung und Koalition, Änderungen vorzunehmen, ist in jüngster Zeit enorm gewachsen und kommt von fast allen Seiten. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung etwa stellte fest, dass die effektiven Steuersätze bei Milliardenerbschaften oft gegen Null tendieren, während Erben selbst kleiner Immobilien stark belastet werden.
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Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung plädiert dafür, den Verschonungsabschlag für Betriebsvermögen unter 26 Millionen Euro erheblich zu reduzieren und für höhere Betriebsvermögen die Verschonungsbedarfsprüfung entweder abzuschaffen oder erheblich einzuschränken. Stattdessen sollten Stundungsmöglichkeiten eingeführt werden, damit Unternehmen nicht aufgegeben müssen. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) rief Deutschland dazu auf, Vermögen und Erbschaften höher zu besteuern, um Haushaltslöcher zu schließen.
Im Koalitionslager gibt es Stimmen für eine Änderung des Systems
Die Koalitionsmehrheit lehnte am Freitag im Bundestag allerdings Vorstöße der Linken und der Grünen zur Erhöhung der Erbschaft- und Schenkungsteuer ab. Beide Fraktionen haben besonders die Verschonungsprüfung im Blick und empfehlen ähnliche Regelungen wie der Sachverständigenrat. Die Anträge seien besonders mit Blick auf die Behandlung von Betriebsvermögen nicht praxisgerecht, sagte Parsa Marvi (SPD), der sich jedoch offen für eine Änderung des Gesetzes zeigte. Diese könne im nächsten Jahr erfolgen. Es dürfe aber nicht dazu kommen, dass Unternehmen durch die Steuer gefährdet würden. Dass seit 2021 in über 100 Fällen Erben von sehr großen Betriebsvermögen mit einem Volumen von über 20 Milliarden von der Verschonungsbedarfsprüfung Gebrauch gemacht und sich arm gerechnet hätten, "kann so nicht bleiben", forderte Marvi.
„Steuergerechtigkeit bedeutet, dass der Staat eben nicht doppelt und dreifach abkassiert.“
Hauke Finger (AfD) warf den Antragstellern vor, Substanzsteuern erheben zu wollen. Das sei ungerecht, weil Haus, Auto und Vermögen bereits aus versteuertem Einkommen bezahlt worden seien. Das gelte auch für Erbschaften, die aus versteuertem Geld stammen würden. "Steuergerechtigkeit bedeutet, dass der Staat eben nicht doppelt und dreifach abkassiert", sagte Finger. Die Steuerpläne seien für die Betriebe "Brandbeschleuniger im Feuersturm der aktuellen Wirtschaftskrise".
CDU verteidigt Ausnahmen für Betriebsvermögen
Fritz Güntzler (CDU) sagte, er sehe bei Privatvermögen keine Gerechtigkeitslücke. Ausnahmen gebe es bei der Erbschaftsteuer, wenn es um Betriebsvermögen gehe. Betriebe könnten im Bestand gefährdet werden, würden dort Steuern erhoben. Mit den Ausnahmeregelungen helfe man, Unternehmen zu sichern. Wenn es ein neues Urteil aus Karlsruhe gebe, werde man sich das ganz genau anschauen, sicherte Güntzler zu.
Katharina Beck (Grüne) sagte, es gebe viele Gerechtigkeitslücken, die bei der Erbschaftsteuer geschlossen werden müssten. So könne es nicht sein, dass 300 Wohnungen steuerfrei vererbt werden dürften. Das sei eine "krasse Praxis".
Christian Görke (Linke) wies darauf hin, dass bis 2029 150 Milliarden Euro in der Staatskasse fehlen würden. Es müsse jetzt darum gehen, "dass Menschen, die richtig viel erben, auch richtig viel Steuern bezahlen".
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