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Beliebtes Fabelwesen: das Einhorn. In der Wirtschaft steht es für junge Unternehmen mit einem Wert von mehr als einer Milliarde Euro.

Zukunftsfinanzierungsgesetz : Gesetz für Startups und Gründer

Mitarbeiterprogramme in Start-ups sollen künftig steuerlich besser gefördert werden. Experten sehen darin einen Fortschritt für Gründer in Deutschland.

23.09.2023
2024-01-30T10:01:53.3600Z
8 Min

Es gilt als das edelste aller Fabeltiere und steht als Symbol für das Gute: das Einhorn. Schon antike Philosophen kannten dieses Fabelwesen von Pferde- oder Ziegengestalt mit einem geraden Horn auf der Mitte des Schädels. In der Basilika San Giovanni Evangelista in Ravenna findet es sich als Motiv auf einem mehr als 800 Jahre alten Mosaikfußboden. Das Edle, das Gute? In der modernen Welt steht da häufig Geld im Vordergrund. Was gibt es für Firmenlenker schöneres als ein wertvolles Unternehmen zu führen? Und so hat die moderne Wirtschaftssprache das Einhorn gekapert. Ihr Unternehmenssprech versteht unter dem Wort Einhorn heute ein Unternehmen, das wenige Jahre nach seiner Gründung mehr als eine Milliarde Euro wert ist.

Einhörner tauchen selbst in Fabeln selten auf, und so schaffen es auch nur wenige neu gegründete Unternehmen in die Riege derer, die sich als Einhörner bezeichnen dürfen. In Deutschland, immerhin die viertgrößte Volkswirtschaft der Erde, sind es im internationalen Vergleich mit etwa 30 sogar nochmal besonders wenige dieser magischen Startups. Weltweit zählten die Datenanalysten des Unternehmens CB Insight im Juli 2023 mehr als 1.200 solcher Unternehmen.

Problem erkannt, Gefahr gebannt? Mit ihrem Zukunftsfinanzierungsgetz (ZuFinG), das die Bundesregierung in der vergangenen Sitzungswoche in den Bundestag eingebracht hat, sollen sich die Bedingungen für Unternehmensgründungen hierzulande deutlich verbessern. Die Ampel-Koalition erhofft sich den Anschluss an die Weltspitze.

Startups wollen mit neuartigen Geschäftsideen Neues schaffen, und setzen dabei auf ein hohes Wachstumspotenzial. Anfang dieses Jahres beispielsweise berichteten Medien, dass der Online-Übersetzer DeepL in den Einhorn-Klub aufgestiegen sei. Das Kölner Startup, 2017 in seiner heutigen Form gegründet, bietet mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) Übersetzungen in zahlreiche Sprachen an.

Schlechte Stimmung in der deutschen Startup-Szene

Doch trotz solcher vereinzelter Erfolge - Partystimmung herrscht nicht in der deutschen Startup-Szene, wie der Startup-Monitor zeigt, der am Montag (25. September) veröffentlicht wird. Nur 15 Prozent der 1.825 befragten Unternehmen bewerten die Finanzierungsbedingungen darin positiv. Insgesamt sei die Stimmung schlecht. Der Startup-Geschäftsklimaindex ist auf 38,1 Punkte gefallen, tiefer lag er nur im Corona-Schock-Jahr 2020. Immerhin: 56 Prozent dieser Firmen wollen neue Arbeitsplätze schaffen.


Das Bild zeigt Lars Feld.
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„In der Wachstumsphase wird es für junge Unternehmen schwer.“
Ökonom Lars Feld, Walter Eucken Institut

Der Weg zum Einhorn ist in Deutschland besonders schwer. "Es hat sich in den vergangenen Jahren hinsichtlich der Finanzierung von Unternehmensgründungen zwar viel verbessert", erklärt Lars Feld, Professor für Wirtschaftspolitik und Ordnungsökonomik an der Universität Freiburg, Direktor des dortigen Walter Eucken Instituts und persönlicher Beauftragter von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Aber der Ökonom sieht ein wesentliches Problem: "In der Wachstumsphase wird es für junge Unternehmen deutlich schwieriger, an Kapital zu kommen."

Deutschland habe einen strukturellen Nachteil im Vergleich zu den USA, erklärt der Ökonom und erläutert: "Die USA verfügen über den größten Kapitalmarkt der Welt, da kann Deutschland nicht mithalten. Umso wichtiger ist deshalb, dass die europäische Kapitalmarktunion vorankommt."

Startup-Geschäftsklima-Index: Sinkende Stimmung

Foto: Startup-Verband / Stephan Roters

An der wird seit vielen Jahren gearbeitet, das Projekt ist hochkompliziert. Auf nationaler Ebene will die Ampel-Koalition mit dem ZuFinG Deutschland voranbringen und vor allem auch steuerliche Rahmenbedingungen verbessern. Insbesondere soll die Steuerlast bei Programmen zur Mitarbeiterbeteiligung sinken.

Die Beteiligung der Beschäftigten am Unternehmen ist für viele Firmen eine Möglichkeit, Fachkräfte anzulocken, selbst wenn sie in einem frühen Stadium nur geringe Gehälter zahlen können. Das Versprechen: Ist das Unternehmen erfolgreich, kannst Du als Mitarbeiter später einen satten Gewinn einstreichen, wenn der Wert des Unternehmens steigt. "Junge Unternehmen können oftmals keine so hohen Gehälter bezahlen, bieten ihren Beschäftigten dafür aber Anteile am Unternehmen, die deutlich an Wert gewinnen können, wenn das Unternehmen sich am Markt bewährt", erklärt Thomas Egner, Professor für Betriebswirtschaftslehre und insbesondere Steuerlehre an der Universität Bamberg.

Für den Startup-Verband ist diese Änderung im Steuerrecht entscheidend für Deutschland als Gründer-Standort. Christoph J. Stresing, Geschäftsführer des Startup-Verbandes, hofft folglich, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung das gerade begonnene parlamentarische Verfahren gut durchläuft. Seinem Verband liegt vor allem am Herzen, bessere Anreize für Mitarbeiter zu schaffen. "Derzeit rangiert Deutschland in einem europaweiten Ranking auf dem letzten Platz, was die Rahmenbedingungen für Mitarbeiterbeteiligungsprogramme angeht", klagt er. "Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz könnten wir auf Rang 5 nach vorne rücken".

Der Entwurf für das ZuFinG sieht unter anderem vor, dass der Steuerfreibetrag bei Mitarbeiteranteilen von derzeit 1.440 Euro auf 5.000 Euro steigen soll. Wenn Unternehmen ihren Beschäftigten nun also Anteile am Unternehmen übertragen, dann sind diese erst zu versteuern, wenn der Gegenwert über der Schwelle liegt. Steuer-Professor Egner hält das für angemessen. Er weist aber darauf hin, dass der Staat hier auf Steuereinnahmen verzichte. Würde man die Schwelle noch weiter erhöhen, käme das primär Personen der Führungsebene zugute. "Deshalb halte ich es auch für nicht notwendig, über die Schwelle von 5.000 Euro hinauszugehen", sagt Egner. Auch Ökonom Feld sagt: "5.000 Euro Steuerfreiheit sind aus Sicht mancher Unternehmen vielleicht zu wenig, aber man muss auch immer den gesamtwirtschaftlichen Verteilungseffekt sehen."

Dry Income Problem: Der Empfänger sitzt erst noch auf dem Trockenen

Neben einer erweiterten Steuerfreiheit beinhaltet das Gesetz auch einen erweiterten Steueraufschub. Schon heute gilt, dass Mitarbeiter Anteile, die sie von ihren Arbeitgebern erhalten, auch dann nicht immer sofort versteuern müssen, wenn diese mehr wert sind als 5.000 Euro. Die Rechtfertigung dafür liegt darin, dass sie dieses Geld nicht sofort liquide zur Verfügung haben. Im Fachjargon ist von Dry Income die Rede. Der Empfänger sitzt trotz einer theoretischen Geldflut erst noch auf dem Trockenen. Wovon sollte er die Steuerlast bezahlen?

Doch die Möglichkeit, die Steuerzahlung aufzuschieben, ist nach Ansicht des Startup-Verbandes im gegenwärtigen Recht nicht großzügig genug gestaltet. Die Ampel-Koalition will die Regeln nun erweitern, aus Sicht von Steuerwissenschaftler Egner aber nicht ausreichend. "Es ist eine Verbesserung, aber nicht der große Wurf", urteilt er und prophezeit: "Die neuen Größen werden sicher keinen Gründungsboom auslösen, das ist klar." Es handle sich eher um punktuelle Verbesserungen. Der Startup-Verband wünscht sich für das parlamentarische Verfahren zunächst, dass der Regierungsentwurf möglichst nicht verwässert wird. An einer Stelle fordert er allerdings eine Nachbesserung, und da wird es technisch. So ganz verstehen wird das nur, wer tief ins Steuerrecht eintaucht. Es handelt sich um sogenannte vinkulierte Anteile.

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Der Startup-Verband agiert vom sechsten Stock der Bundespresse­konferenz in Berlin aus.

Diese Form von Unternehmensbeteiligungen erlaubt die Weitergabe an Dritte nur dann, wenn die anderen Eigentümer dem zustimmen. "Damit wird die erforderliche Stabilität im Gesellschafterkreis gewährleistet", erklärt Verbands-Geschäftsführer Stresing. Bisher, so führt er aus, umfassen die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehenen Steuererleichterungen diese vinkulierten Anteile nicht. "Wenn dieser Punkt nicht gelöst wird, laufen die Regelungen ins Leere", sagt Stresing.

Dabei gehe es nicht nur darum, interessant für neue Mitarbeiter zu werden. "Mitarbeiterbeteiligungen sind auch ein Treiber für ein Startup-Ökosystem", erläutert Stresing und verweist auf Amerika: "In den USA ist gut zu sehen, dass die Erlöse aus den Mitarbeiterbeteiligungen wieder in neue Firmen investiert werden." So entsteht ein Kapitalkreislauf der Startup-Szene.

Deutschland hinkt da im internationalen Vergleich noch hinterher. "Die Bedingungen für Startups bleiben in Ländern wie den Vereinigten Staaten, Großbritannien oder Israel um ein vielfaches besser als in Deutschland", sagt Steuerexperte Egner.

Wachstumschancengesetz: Negativer Investitionsanreiz in Deutschland?

Ähnlich beurteilt er das von der Bundesregierung initiierte Wachstumschancengesetz, das derzeit noch im Bundesrat zur Stellungnahme liegt. Dieses zielt nicht nur auf Startups. sondern die Breite der deutschen Wirtschaft. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will Unternehmen damit um insgesamt sieben Milliarden Euro entlasten. "Wir gehen die Grundprobleme des Steuerrechts nicht an", kritisiert Egner. Zwar gesteht er zu, dass das Gesetz an vielen Stellen für Vereinfachungen im Steuerrecht sorge. Insgesamt bewege es sich aber im "Klein-Klein des Steuerrechts". An einer Stelle würde es sogar für eine Verschärfung sorgen, denn geplant sei, die steuerliche Abzugsfähigkeit von Zinsen zu verschärfen. "Damit setzt das Wachstumschancengesetz sogar einen negativen Investitionsanreiz in Deutschland", sagt Egner.

Volle Finanzierungsneutralität wäre aus Sicht des Ökonomen Lars Feld sinnvoll. "Es sollte für ein Unternehmen steuerlich egal sein, ob es Investitionen über Eigenkapital finanziert, oder neue Schulden aufnimmt", sagt er. Der Sachverständigenrat Wirtschaft der Bundesregierung habe dazu bereits seit Längerem Vorschläge gemacht. "Aber eine umfassende Reform, die volle Finanzierungsneutralität herstellt, führt leicht zu Steuerausfällen von zehn Milliarden Euro pro Jahr", erklärt Feld das Problem. Damit sei die Schuldenbremse des Grundgesetzes kaum einzuhalten. "Steuersenkungen könnten sich zwar selbst finanzieren, weil sie Wachstumsimpulse setzen, aber das wirkt nicht kurzfristig, sondern nur mittel- und langfristig", erläutert er weiter.

Positiv bewertet Feld, dass Firmen künftig Verluste leichter mit früheren und zukünftigen Gewinnen verrechnen können, um so ihre Steuerlast zu senken: "Die geplanten Veränderungen bei der Verlustverrechnung im Wachstumschancengesetz ist durchaus ein wichtiger Schritt."

Betriebswirtschaftsprofessor Egner sieht in dem Gesetzentwurf zum Wachstumschancengesetz an einer Stelle sogar eine kleine Revolution: das Ende der Papierrechnung, zumindest zwischen Unternehmen. "Das kann zu einer deutlichen Bürokratieentlastung führen", sagt Egner.


Das Bild zeigt Christoph J. Stresing.
Foto: Startup-Verband
„Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz können wir auf Rang 5 rücken.“
Christof J. Stresing, Startup-Verband

Ab 2025 sollen Unternehmen untereinander nur noch elektronische Rechnungen schreiben. Egner: "Wenn die Finanzverwaltung es schafft, rechtzeitig entsprechende IT-Systeme aufzusetzen, dann entsteht ein digitales Dreieck zwischen Unternehmen, Steuerberatern und Finanzverwaltungen. Zumindest im Bereich der Umsatzsteuer ist das ein Projekt mit sehr großem Potenzial."

Wann der Bundestag über das Wachstumschancengesetz erstmals debattiert, ist noch nicht klar. Das Zukunftsfinanzierungsgesetz dagegen ist bereits ins parlamentarische Verfahren gegangen. Die Verbesserungen für Startups dürften also kommen, bevor die Wirtschaft in der Breite entlastet wird.

Allerdings adressiert auch das ZuFinG nicht nur Startups. So gehört zu den einzelnen adressierten Maßnahmen darin auch, dass offene Immobilienfonds künftig einfacher in Anlagen für erneuerbare Energien investieren dürfen. Es soll "aufsichtsrechtlich ermöglicht werden, auch Grundstücke zu erwerben, auf denen sich ausschließlich Anlagen zur Erzeugung, zum Transport und zur Speicherung von Strom, Gas oder Wärme aus erneuerbaren Energien befinden". Für den Betrieb von Anlagen auf bestehenden Gebäuden werde Rechtssicherheit geschaffen.

Insgesamt wird das ZuFinG laut Regierungsangaben nach seiner vollen Entfaltung ab 2026 zu jährlichen Steuermindereinnahmen von 960 Millionen Euro führen, wobei 387 Millionen Euro beim Bund, 358 Millionen Euro bei den Ländern und 215 Millionen Euro bei den Gemeinden anfallen.

Mehrstimmrechtsaktien auf Aktionärsversammlungen bedeutend

Für den Startup-Verband ist allerdings dann doch noch ein weiterer Punkt im ZuFinG bedeutend, nämlich die Möglichkeit für Unternehmen, künftig Aktien mit mehr als einer Stimme auf Aktionärsversammlungen auszugeben. Auch das soll es erleichtern, Eigenkapital zu akquirieren. "Wir sehen die Einführung von Mehrfachstimmrechten in Deutschland sehr positiv", sagt Verbands-Geschäftsführer Christoph J. Stresing, wissend, dass die Verbände der Investmentfondsbranche und Aktionärsvertreter diese durchaus kritisch sehen. "Es ist wichtig, Börsengänge attraktiver zu machen, um die Kapitalbasis zu stärken, aber zugleich den Gründern eines Unternehmens nicht die Kontrolle zu nehmen", argumentiert er.

Ferner regelt das ZuFinG, dass Unternehmen künftig bereits mit einer Mindestmarktkapitalisierung von einer Million Euro an die Börse gehen dürfen (bisher: 1,25 Millionen Euro). Die Pflicht zu einem Emissionsbegleiter, beispielsweise einer Bank, als Mitantragsteller soll mit dem Gesetz entfallen.

Des Weiteren sollen Aktienemissionen künftig auch auf der Grundlage der Blockchain-Technologie möglich werden. Mit dieser Weiterentwicklung des Rechtsrahmens für Kryptowerte soll Deutschland "zu einem rechtssicheren Standort für diese Zukunftstechnologie" werden, erklärt die Bundesregierung.

Konkret sollen Namensaktien künftig sowohl als Zentralregisterwertpapiere als auch als Kyptowertpapiere begeben werden können. Inhaberaktien, die nicht auf den Namen des Aktionärs lauten, soll es weiterhin nur als Zentralregisterwertpapiere geben.

Internationale Akteure sollen mit der deutschen Finanzaufsicht künftig auch auf Englisch kommunizieren können. Auch soll eine Kommunikation mit den Behörden verstärkt auf digitalem Weg ermöglicht werden. Weitere Änderungen soll es auch im Bereich der Haftungsregeln für Crowdfunding-Projekte geben.