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Ökonom über 25 Jahre Euro : "Wir brauchen einen unabhängigen Fiskalrat für die Eurozone"

Der Europäischen Zentralbank ist es gelungen, die Preise in der Eurozone stabil zu halten, meint der Frankfurter Ökonom Volker Wieland.

12.04.2024
2024-04-12T12:43:22.7200Z
2 Min
Foto: picture alliance / SZ Photo

"Dank des Euro können unsere exportstarken Unternehmen den Binnenmarkt viel besser nutzen", sagt Volker Wieland, Professor für Monetäre Ökonomie an der Goethe-Universität Frankfurt.

#1

Herr Wieland, wie fällt Ihre Bilanz des Euro aus?

Volker Wieland: Der Euro war eine politische Entscheidung, keine rein ökonomische. Es ging um die Fortführung der europäischen Einigung. Unter Ökonomen in den 1990er Jahren war dies umstritten, da der Wechselkurs hilfreich sein kann, um unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklungen auszugleichen. In den USA gab es sogar Stimmen, die schwere politische Konflikte in Europa als Folge des Euro befürchteten. Es kam zwar zu Krisen, etwa die Euro-Schuldenkrise und die Debatte über einen Euro-Austritt Griechenlands. Aber: Der Euro hat bisher jede Krise überlebt. Dabei musste die EZB zu oft als Nothelfer einspringen. Aber es wurden auch neue Institutionen geschaffen, wie der Europäische Stabilitätsmechanismus und die Bankenunion.

#2

Ist der Euro so stabil, wie die D-Mark einst war?

Volker Wieland: Bis zum Jahr 2020 hat die Europäische Zentralbank (EZB) für durchschnittlich etwas niedrigere Inflationsraten gesorgt als zuvor die Bundesbank mit der D-Mark. Infolge der Corona-Pandemie und des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ist die Inflation nach oben geschossen. Aber Energiekrisen gab es auch früher. In den 1970er Jahren erlebten manche Länder infolge des Ölpreisschocks noch höhere zweistellige Inflationsraten.

Foto: picture alliance / SZ Photo
Volker Wieland
ist Professor für Monetäre Ökonomie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Dort leitet er als geschäftsführender Direktor des Institutes for Monetary and Financial Stability (IMFS) auch die seit 1999 jährlich stattfindende Konferenz "The ECB and its Watchers"
Foto: picture alliance / SZ Photo

#3

Ihr Urteil über die EZB?

Volker Wieland: Die EZB hat zu lange ihre massiven Käufe von Wertpapieren, insbesondere Staatsanleihen, fortgesetzt, die sie während der Corona-Krise begonnen hatte. Sie hätte bereits 2021 auf die Inflation reagieren müssen. Aber ab Sommer 2022 hat sie entschlossen gehandelt und mit deutlichen Zinsschritten die Inflation bekämpft.

#4

Die AfD-Fraktion will in einem Antrag die sozialen, finanziellen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Euro quantifizieren. Geht das?

Volker Wieland: Man kann einzelne Aspekte davon durchaus mit makroökonomischen Modellen quantifizieren. Qualitativ lässt sich sagen, dass Deutschland wirtschaftliche Vor- und Nachteile durch den Euro hat. Ich denke aber die Vorteile überwiegen. Dank des Euro können unsere exportstarken Unternehmen den Binnenmarkt viel besser nutzen. Wir brauchen eigentlich mehr Binnenmarkt, vor allem im digitalen Bereich und bei den Kapitalmärkten. Der Nachteil des Euro ist, dass kein Land mehr eine eigene Geldpolitik betreiben kann.

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#5

Welche Integrationsschritte auf EU-Ebene sind nötig?

Volker Wieland: Der ursprüngliche Ansatz war schon richtig, die Staaten mit klaren Defizit- und Schuldenregeln auf solide Staatsfinanzen zu verpflichten. Wenn die EU-Kommission das nicht umsetzt, dann brauchen wir einen unabhängigen Fiskalrat für die Eurozone, der Schuldenregeln durchsetzt und notfalls Sanktionen verhängt. Die Alternative wären eine EU-Regierung und ein EU-Bundesstaat, aber da sehe ich keine Mehrheiten.