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Foto: DBT / Felix Zahn / photothek
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) setzt auf die „Wachstumsinitiative“ der Regierung. Muss er auch, denn sie ist im Etat bereits eingepreist.

Lücke klafft im Etat : Bodensatz-Leserei im Haushalt

Der 489 Milliarden Euro schwere Entwurf für Haushalt 2025 ist eingebracht. Doch die Bundesregierung gibt den Koalitionsfraktionen ungewollte Hausaufgaben auf.

13.09.2024
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7 Min

488,61 Milliarden Euro soll der Bund im kommenden Jahr ausgeben dürfen. Das sieht der Regierungsentwurf für den Haushalt 2025 vor, auf den sich die Koalition im Sommer nach langem Streit geeinigt hatte.

Am Dienstag brachte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) den Etatentwurf in den Bundestag ein. Die Opposition konnte dem mehr als 3.000 Seiten starken Entwurf erwartungsgemäß wenig Positives abgewinnen. Die Koalition sah das anders, meldete aber ebenfalls Nachbesserungsbedarf an. Ohnehin haben die Haushaltsexpertinnen und -experten der Koalition von der Bundesregierung unfreiwillig Hausaufgaben bekommen. Sie müssen noch ein Milliardenloch stopfen.

Einen Nachtragshaushalt für 2024 gibt es auch noch

Gegenüber dem laufenden Jahr fallen die Ausgabenansätze um 271 Millionen Euro geringer aus - legt man den ebenfalls in dieser Woche eingebrachten Nachtragshaushaltsentwurf zugrunde. Ursprünglich hatte der Bundestag für den Haushalt 2024 einen Ausgabenansatz von 476,8 Milliarden Euro beschlossen. Höhere Kosten beim Bürgergeld und bei den Ausgleichszahlungen an die Übertragungsnetzbetreiber zwangen Lindner jedoch zu einer Nachbesserung im laufenden Jahr.

Wie in den Vorjahren reichen die im Haushaltsentwurf 2025 veranschlagten Einnahmen nicht aus, um die Ausgaben zu decken. Die Einnahmen aus Steuern und Co. sollen sich 2025 auf 436,58 Milliarden Euro belaufen, hinzu kommt eine Entnahme aus der Rücklage in Höhe von 0,52 Milliarden Euro.

Die verbleibenden 51,30 Milliarden Euro müssen auf Pump finanziert werden - das sind immerhin rund 10,7 Prozent des Gesamthaushalts. Die geplante Neuverschuldung liegt über der des laufenden Jahres, die laut Nachtragshaushalt bei 50,34 Milliarden Euro liegen soll. In beiden Fällen liegt die Kreditaufnahme exakt im Rahmen der Schuldenregel des Grundgesetzes.

Miserable Konjunktur erlaubt höhere Verschuldung

Finanzminister Lindner kann in beiden Jahren deutlich mehr frisches Geld aufnehmen als die nach der Schuldenregel des Grundgesetzes grundsätzlich zulässigen 0,35 Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts. Grund dafür ist die lahmende Konjunktur im Land. Die so genannte Konjunkturkomponente erlaubt deshalb eine deutlich höhere Kreditaufnahme, im kommenden Jahr um rund 9,8 Milliarden Euro zusätzlich. In diesem Jahr sind es laut Nachtragshaushalt sogar 19,0 Milliarden Euro.

Dass die Verschuldung im Rahmen der Schuldenbremse bleibt, darauf hat die FDP immer wieder bestanden und sich letztlich durchgesetzt. Bei seinen Kabinettskolleginnen und -kollegen scheint der Finanzminister mit seinen Konsolidierungsappellen allerdings nicht ganz so erfolgreich gewesen zu sein. Denn die Ausgaben sind de facto zu hoch. Als die Bundesregierung im Juli den Regierungsentwurf verabschiedete, schrieb sie deshalb zunächst eine sogenannte Bodensatz-GMA in Höhe von 17 Milliarden Euro in den Haushalt.

Bundesregierung setzt auf Bodensatz-GMA

GMA steht für Globale Minderausgabe und an sich sind GMAs in Haushalten nichts Ungewöhnliches. Sie können beispielsweise genutzt werden, um Einsparvorgaben in die Haushalte zu schreiben, ohne direkt vorzugeben, in welchen Titeln weniger ausgegeben werden soll - das ist dann Aufgabe der Ressorts im Haushaltsvollzug. Die Bodensatz-GMA im Bundeshaushalt wird im Einzelplan 60 ausgewiesen. Dahinter steht die Erfahrung, dass in der Regel nicht alle im Haushalt veranschlagten Ansätze ausgeschöpft werden. Deshalb werden die Ausgaben pauschal um diesen Bodensatz gekürzt. Allerdings sind 17 Milliarden Euro ein ungewöhnlich hoher Betrag für eine Globale Minderausgabe. Daher hatte die Bundesregierung mit dem Kabinettsbeschluss angekündigt, die Zeit bis zur Zuleitung des Entwurfs an den Bundestag im August zu nutzen, um den Betrag zu reduzieren. Angestrebt wurde eine GMA von acht bis neun Milliarden Euro.


Christian Lindner im Portrait
Foto: Bundesministerium der Finanzen / Photothek
„Das war kein Selbstläufer. Um diesen Haushalt haben wir hart gerungen. “
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP)

Das ist der Bundesregierung nicht gelungen. Im jetzt zur Debatte stehenden Haushaltsentwurf beträgt die Bodensatz-GMA zwölf Milliarden Euro. Vom Tisch ist zum Beispiel die Idee, Zuschüsse an die Autobahn GmbH in Darlehen umzuwandeln (siehe auch Interview auf Seite 2). Darlehen gelten haushaltsrechtlich als finanzielle Transaktionen und werden nicht auf die Schuldenbremse angerechnet. Anders verhält es sich bei der Deutschen Bahn. Hier hat die Bundesregierung beschlossen, einen Teil der geplanten Zuschüsse in Höhe von 4,5 Milliarden Euro auf die ohnehin geplante Eigenkapitalerhöhung draufzuschlagen. Auch eine Eigenkapitalzuführung gilt als finanzielle Transaktion und wird daher nicht auf die Schuldenbremse angerechnet. Damit konnte auch die GMA gesenkt werden.

Neuregelung bei Zinsausgaben schafft Spielräume

Es ist nicht die einzige Maßnahme, die die Bundesregierung nutzt, um haushaltspolitische Spielräume zu schaffen. So will die Bundesregierung Zinsausgaben künftig "periodengerecht" veranschlagen, ein entsprechender Gesetzentwurf wurde ebenfalls in dieser Woche eingebracht.

Dabei geht es um Agien (Aufschläge) und Disagien (Abschläge) bei Bundeswertpapieren, also vor allem bei Bundesanleihen. In den Jahren der Niedrigzinspolitik profitierte der Bundeshaushalt enorm von Aufschlägen in Milliardenhöhe. Doch der Wind hat sich gedreht: 2023 veranschlagte der Bund Abschläge von 14,9 Milliarden Euro, 2024 immerhin noch 9,2 Milliarden Euro. Für 2025 sind theoretisch 8,1 Milliarden Euro eingeplant.

Durch die Gesetzesänderung sollen die Abschläge künftig aber über die Laufzeit der jeweiligen Papiere verteilt werden. Für den Haushalt des kommenden Jahres bedeutet dies laut Entwurf eine Entlastung von 7,3 Milliarden Euro, die sich allerdings in späteren Haushaltsjahren wieder als Belastung niederschlägt. Weitere Entlastungen verspricht sich die Bundesregierung vom Haushaltsbegleitgesetz 2025. Die darin vorgesehenen Änderungen sollen für den Haushalt 2025 bereits eingeplante Spielräume im unteren einstelligen Milliardenbereich schaffen.

“Wachstumsinitiative” ist bereits eingepreist

Auf der Einnahmenseite hat das Prinzip Hoffnung Einzug in den Haushaltsentwurf gehalten. So hat die Bundesregierung die erhofften Erfolge ihrer "Wachstumsinitiative" bereits veranschlagt. Dazu sind als Globale Mehreinnahme 14,27 Milliarden Euro für "finanzielle Auswirkungen der Wachstumsinitiative" und "Einnahmeverbesserungen gegenüber der Steuerschätzung" eingepreist. Dem stehen aber auch Globale Mindereinnahmen von 7,34 Milliarden Euro gegenüber.

Die öffentliche Debatte über den Haushaltsentwurf hatte in den vergangenen Wochen an Schärfe gewonnen. Die Opposition übte Kritik, auch Bundesbank und Bundesrechnungshof äußerten sich skeptisch. Vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom November 2023 zum Nachtragshaushalt 2021 wurden zudem immer wieder verfassungsrechtliche Bedenken geäußert, etwa im Hinblick auf eine zu hohe Bodensatz-GMA, die den Grundsätzen der Haushaltswahrheit und -klarheit widerspreche, oder im Hinblick auf eine mögliche Umgehung der Schuldenbremse durch die Verschleierung von Ausgaben als Darlehen.

Bundesfinanzminister hält seinen Etatentwurf für “rechtssicher”

Angesichts des Ringens innerhalb der Ampel und des öffentlichen Streits um den Haushalt für das kommende Jahr räumte Finanzminister Lindner gleich zu Beginn seiner Rede am Dienstag ein, dass es sich die Bundesregierung nicht leicht gemacht habe: "Das war kein Selbstläufer. Um diesen Haushalt haben wir hart gerungen." Man habe ökonomische und rechtliche, "aber auch unsere jeweiligen politischen Grenzen gesehen", so Lindner. Aber: "Der vorliegende Haushaltsentwurf ist rechtssicher. Wir haben aus einem Fehler gelernt."

Lindner verwies auf die stagnierende wirtschaftliche Lage und die dagegen in Stellung gebrachte Wachstumsinitiative. Die Initiative sei nicht nur politisch untrennbar mit dem Bundeshaushalt verbunden. "Wir benötigen ihre Maßnahmen auch, um durch mehr wirtschaftliche Dynamik die Einnahmeseite unseres Haushalts zu stärken und um die weitere Steigerung von Ausgaben zu begrenzen", so Lindner.

Auch auf die Bodensatz-GMA ging der Finanzminister ein. Es sei der Bundesregierung - "trotz aller Bemühungen" - nicht gelungen, diese weiter zu reduzieren. Dies sei nun vor allem Aufgabe des Bundestags. Zielmarke seien 9,6 Milliarden Euro - also eine Absenkung um 2,4 Milliarden Euro. Man wisse aus der Staatspraxis, dass so eine GMA in Höhe von 2 Prozent regelmäßig erreicht werde. Das sei nicht nur eine verfassungsrechtliche Frage, sondern auch eine wirtschaftliche. "Je geringer die Globale Minderausgabe ist, die wir einplanen, desto klarer ist auch der Haushaltsvollzug im nächsten Jahr zu planen", so Lindner.


Porträt Mathias Middelberg
Foto: Tobias Koch
„Eigentlich stellen wir fest, dass Sie sich trotz 80-stündiger Beratung gar nicht geeinigt haben.“
Mathias Middelberg (CDU)

Anders als Lindner bewertete Mathias Middelberg (CDU) das Ringen der Bundesregierung um eine Einigung im Haushaltsstreit als gescheitert. Die Unionsfraktion könne keine Haushaltseinigung feststellen, kritisierte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende in der Allgemeinen Finanzdebatte im Anschluss an Lindners Rede am Dienstag. "Eigentlich stellen wir fest, dass Sie sich trotz 80-stündiger Beratung gar nicht geeinigt haben und das Ergebnis dieser Nichteinigung jetzt an das Parlament delegieren und das auch noch als Souveränitätsgewinn für das Parlament verkaufen wollen." Der Haushaltsentwurf für das kommende Jahr sei "maximal unrealistisch", "unehrlich" und "verantwortungslos": Kein Haushaltsentwurf habe bisher "in so umfassendem Umfang ungedeckte Positionen" enthalten, kritisierte der Christdemokrat und verwies auf weitere Minderausgaben im Etat und im Klima- und Transformationsfonds.

Ähnlich scharfe Kritik äußerte Peter Boehringer für die AfD-Fraktion mit Blick auf die Bodensatz-GMA. "Der Haushalt ist also sogar ganz offiziell noch gar nicht durchfinanziert, was direkt dem Gebot des Artikels 110 Grundgesetz - ausgeglichene Einnahmen und Ausgaben - zuwiderläuft", sagte der Abgeordnete. Boehringer verwies ebenfalls auf weitere etatisierte Minderausgaben - seine Fraktion komme auf 39 Milliarden Euro: "Das ist unseriös und wird auch nie im Leben im parlamentarischen Prozess hier aufgeholt werden." Die Bundesregierung laufe "vorsätzlich in eine Budgetlücke im Haushaltsvollzug 2025 hinein", kritisierte der haushaltspolitische Sprecher seiner Fraktion.

Koalitionäre erwarten Streit und Kompromiss

Unterstützung erhielt die Bundesregierung hingegen aus der Koalition, wenn auch zum Teil in leisen Tönen. Dennis Rohde (SPD) ging ebenfalls auf die Wachstumsinitiative ein. Diese werde die Wirtschaftskraft des Landes entfesseln und Menschen in Arbeit führen. Rohde betonte, dass die GMA weiter gesenkt werden müsse. Allerdings sei das nicht allein Aufgabe des Parlaments. Auch die Bundesregierung könne noch "einvernehmliche Vorschläge" machen. Mit Blick auf die Haushaltsberatungen sagte Rohde harte Auseinandersetzungen voraus. "Aber ich bin der festen Überzeugung: Wir werden, auch wenn wir unterschiedliche Fraktionen sind, am Ende einen Kompromiss finden, weil wir den Kompromiss nicht scheuen", schloss der haushaltspolitische Sprecher.

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Sven-Christian Kindler (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, dass entgegen allen Befürchtungen kein Sparhaushalt vorgelegt worden sei. Vielmehr würden Prioritäten gesetzt, etwa bei der Versorgung und Absicherung von Kindern. Kindler verteidigte auch das Vorhaben der Koalition, die Zinsausgaben periodengerecht zu veranschlagen, gegen den Vorwurf der Trickserei. Viele Expertinnen und Experten hätten dies seit langem gefordert. "Das ist ein wichtiger Beitrag zur Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit", so der haushaltspolitische Sprecher der Grünen. Klar sei aber auch, dass der Haushalt "nicht an allen Ecken und Enden zu Ende gedacht" sei. Für seine Fraktion kündigte er beispielsweise Nachbesserungsbedarf bei der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit an.

FDP attackiert Union

Für die FDP-Fraktion griff Christoph Meyer die Unionsfraktion an. Kritik am Haushaltsentwurf sei zwar ihr "Königsrecht", aber ein Jahr vor der Bundestagswahl "wäre es doch schon interessant, zu erfahren, wofür die CDU/CSU eigentlich steht", so Meyer. Unklar sei etwa, wie sich die Union beim Thema Schuldenbremse positioniere, sagte der Fraktionsvize mit Blick auf die Diskussionen in der CDU.

Die Entwürfe für den Nachtragshaushalt und den Haushalt 2025 gehen nun in die parlamentarische Beratung. Der Etat für das kommende Jahr soll Ende November verabschiedet werden, der Nachtragshaushalt bereits vorher.