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Gastkommentare : Kohlendioxid speichern? Ein Pro und Contra

Ist die Regierung mit ihrem Kohlendioxid-Speicherungsgesetz auf dem richtigen Weg? Ja, meint Klaus Stratmann, nein, findet Ann-Kathrin Büüsker.

12.09.2025
True 2025-09-12T16:23:53.7200Z
3 Min

Pro

Die Speicherung von CO2 ist unerlässlich für die Transformation der Industrie zur Klimaneutralität

Foto: privat
Klaus Stratmann
ist Chefreporter Klima und Energie des "Handelsblattes".
Foto: privat

Die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CCS) und auch die Abscheidung und Nutzung von Kohlendioxid (CCU) sind Voraussetzung für die Transformation der Industrie zur Klimaneutralität. Der vom Bundeskabinett verabschiedete Entwurf für ein Kohlendioxidspeicherungsgesetz trägt dieser Erkenntnis Rechnung. Doch gibt es in der SPD-Fraktion prominente Stimmen, die das Thema CCS seit Jahren sehr kritisch begleiten. Sie wollen den Anwendungsbereich möglichst eng fassen. Ihr Ziel scheint zu sein, die Technologie auf dem Papier zu erlauben, ihre Anwendung in der Praxis aber möglichst zu erschweren.

Für einzelne Branchen kann das existenzbedrohend sein. Das gilt zuallererst für die Zement- und die Kalkindustrie sowie für die Abfallwirtschaft. Aber auch darüber hinaus gibt es Branchen, die selbst nach der Umstellung auf neue Verfahren noch einen Rest von sehr schwer oder gar nicht vermeidbaren CO2-Emissionen aufweisen werden. Dazu gehören Stahl- und Chemieindustrie. Auch sie brauchen eine langfristige Perspektive. Es kommt nun darauf an, dass im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahren möglichst viel vom Entwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium erhalten bleibt.

Auch mit der Frage, wo Kohlendioxid gespeichert werden soll, sollte sich die Koalition im Gesetzgebungsverfahren konstruktiv auseinandersetzen. CO2 außer Landes zu schaffen und vor den Küsten Norwegens oder Dänemarks zu speichern, ist nicht kostengünstig und politisch fragwürdig. Wer CCS will, sollte auch komplett dazu stehen.

Und schließlich lässt das Gesetz einen Punkt unberücksichtigt: Es ist unklar, wer die Kosten trägt. Ohne massive Unterstützung der betroffenen Branchen wird aber das beste Gesetz zur Kohlendioxidspeicherung keine Wirkung entfalten.

Contra

Die Kohlendioxid-Speicherung sollte strikt auf unvermeidbare Emissionen begrenzt werden

Foto: Simon Detel/Deutschlandradio
Ann-Kathrin Büüsker
ist Klimaexpertin der Umweltredaktion des Deutschlandfunks.
Foto: Simon Detel/Deutschlandradio

Die Bundesregierung öffnet mit ihren Plänen zur Kohlenstoffspeicherung einem fatalen Irrglauben Tür und Tor. Nämlich, dass es weitergehen könnte wie bisher. Dass fossile Produktionstechniken eine Zukunft haben könnten, indem sie einfach mit einer brillanten neuen Technologie "sauber" gemacht werden. Kohlenstoffdioxid abscheiden, es klingt so einfach, so toll. Ist es aber nicht.

Allein schon die Abscheidung ist enorm energieintensiv, was sie auch enorm teuer macht. Transport und Speicherung verursachen weitere Kosten. Wird CO2 im Boden verpresst, muss zudem sichergestellt werden, dass es dort auch bleibt. Auch wenn die Wissenschaft hier frohen Mutes ist - überwacht werden muss es trotzdem.

Aufwand und Kosten für Kohlenstoffspeicherung sind enorm. Sie muss deshalb strikt begrenzt werden auf Bereiche, wo es nicht anders geht: sogenannte unvermeidbare Emissionen. Wo alternative Technologien fehlen, zum Beispiel in der Zementbranche.

Die Bundesregierung aber will die Speicherung auch für Bereiche erlauben, wo es Alternativen gibt. Beispiel Stromerzeugung. Die vom Wirtschaftsministerium geplanten Erdgaskraftwerke sollen Kohlenstoff abscheiden dürfen. Das würde den Strompreis voraussichtlich in astronomische Höhen treiben. Dabei kann Strom viel billiger erzeugt werden, mit Wind und Sonne, und dank immer besserer Speichertechnologien auch für später einsatzfähig gehalten werden. Gaskraftwerke mit Kohlendioxidabscheidung wären ökonomischer Wahnsinn. 

Auch in der Chemieindustrie, wo die Umstellung auf Strom teils möglich wäre, könnte das Gesetz die Transformation abwürgen und die Lebensdauer fossiler Anlagen verlängern. Das wäre fatal für den Klimaschutz und auch wirtschaftlich schlicht unrentabel. Kohlendioxidspeicherung darf daher nur für unvermeidbare Emissionen erlaubt werden.

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