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Debatte um PFAS-Verbot : Experten uneinig über Umgang mit Ewigkeitschemikalie PFAS

Ein Verbot der "Ewigkeitschemikalie" PFAS bleibt umstritten. In einer Anhörung im Umweltausschuss warnen Industrievertreter vor den Folgen eines Pauschalverbotes.

25.04.2024
2024-04-25T15:06:55.7200Z
3 Min

Ein mögliches Verbot der "Ewigkeitschemikalie" PFAS (Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen) bleibt umstritten. Das wurde am Mittwoch in einer Expertenanhörung im Umweltausschuss deutlich. Die industriell hergestellten organischen Verbindungen sind sehr widerstandsfähig: Ohne sie würden viele Alltagsgegenstände wie Outdoorbekleidung und Handys nicht auskommen. Jedoch sammeln sich die Rückstände weltweit in Böden, Wasser und Lebewesen an, sie gelten als gesundheitsgefährdend.

Foto: picture alliance / Westend61

PFAS sind per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, die in der Natur nicht vorkommen. Sie finden sich in vielen alltäglichen Gegenständen, wie zum Beispiel in Outdoorkleidung, Kochgeschirr oder in Kosmetika.

Die Unionsfraktion will die Vorteile der PFAS gegen die Gefahren abgewogen wissen, wie sie in einem Antrag fordert. Die Sachverständigendebatte über den Antrag im Ausschuss zeigte einmal mehr, dass sich die Argumente aus dem Lager der Umweltvertreter mit denen aus dem Industriebereich nur schwer in Übereinstimmung bringen lassen.

BUND fordert zügige Umsetzung des Beschränkungsvorschlages

Ulrike Kallee vom Bund Naturschutz Deutschland (BUND) will "die Ewigkeits-Chemikalien" PFAS beschränken und forderte eine zügige Umsetzung des Beschränkungsvorschlages, den mehrere EU-Länder, auch Deutschland, 2023 bei der Europäischen Chemikalienagentur eingereicht haben. Der Vorschlag ziele darauf ab, sowohl die Verwendung als auch die Herstellung von PFAS zu verbieten.

Diese Position unterstützte auch Rainer Söhlmann, Leiter der PFAS-Geschäftsstelle im Landratsamt Rastatt. Der Landkreis Rastatt sowie die Stadtkreise Baden-Baden und Mannheim hätten "leidvolle Erfahrungen mit PFAS gemacht". Allein durch die Vermischung von Papierschlämmen mit Kompost und der Aufbringung auf Ackerflächen seien in Mittelbaden etwa 1.100 Hektar als belastet eingestuft. Seit 2013 sei zum Schutz der Bevölkerung bereits ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag ausgegeben worden. Diese Kosten würden im Wesentlichen durch die Allgemeinheit getragen.

Martin Scheringer, Professor für Umweltchemie an der ETH Zürich, forderte mehr Tempo. "Der Beschränkungsvorschlag ist wichtig und kommt eher zu spät als zu früh", sagte er. Für viele Anwendungen von PFAS gebe es längst fluorfreie Alternativen.

BDI warnt vor Beschränkungen

Mirjam Merz, Referentin beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), hingegen warnte vor einer zu engen Beschränkung. Für viele PFAS-Verwendungen existierten absehbar keine geeigneten Alternativen, so dass Industrie und Gesellschaft auch zukünftig auf PFAS angewiesen sein würden, zum Beispiel in der Wasserstoffelektrolyse, bei der Herstellung von Windkraftanlagen und Photovoltaik-Paneelen, Industrieanlagen sowie bei der grünen Transformation der Industrie.


„Die Beschränkung von PFAS ist grundsätzlich zu befürworten, ebenso aber auch praktikable Vorgaben im Umgang mit PFAS.“
Bernhard Langhammer, Initiative Chem Delta Bavaria

Nora Schmidt-Kesseler, Hauptgeschäftsführerin der Nordostchemie-Verbände, schloss sich dem BDI an. "Die vorgesehenen pauschalen Verbote hätten fatale Auswirkungen auf die Industrieproduktion in allen Branchen und damit auf die Zukunftsfähigkeit des Standortes Deutschland und Europa", sagte sie. Sie forderte eine grundlegende Überarbeitung und Neufassung des Beschränkungsvorschlags.

Kein pauschales Verbot: Rückkehr zu risikobasiertem Ansatz gefordert

Martin Leonhard, Vorsitzender bei Spectaris, dem Deutschen Industrieverband für Optik, Photonik, Analysen- und Medizintechnik, warnte: "Das PFAS-Verbot darf kein Hightech-Verbot werden." Anstatt für ein Pauschalverbot der PFAS-Stoffgruppe plädierte er für eine Rückkehr zu einem risikobasierten Ansatz im Einklang mit der bestehenden REACH-Verordnung. Der aktuell vorliegende Vorschlag führe zu Rechtsunsicherheiten.

Auch Kirsten Metz vom Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) befürwortete einen risikobasierten, zielgerichteten Regulierungsansatz und lehnte ein pauschales Verbot ab. Aus diesem Grund solle das PFAS-Vorhaben zurückgezogen und grundlegend überarbeitet werden, damit stärker zwischen den Risikoprofilen der verschiedenen PFAS-Gruppen und ihren Anwendungen unterschieden werde.

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Bernhard Langhammer, Sprecher der Initiative Chem Delta Bavaria, sagte: "Die Beschränkung von PFAs ist grundsätzlich zu befürworten, ebenso aber auch praktikable Vorgaben im Umgang mit PFAS." Etliche dieser Stoffe seien bislang nicht zu ersetzen. Es gebe bereits Beispiele, wie etwa die abwasserfreie Produktion von Flurpolymeren, wie sie im Chemiepark Gendorf betrieben werde. Nun stehe die Schließung der Anlage im Jahr 2025 bevor, was Importe aus dem Ausland zur Folge hätte.

Jörg Schierholz, Arzt und Chemiker, warnte ebenfalls vor der Umsetzung der Beschränkung: "Es ist ein Irrglaube, komplexe chemische Verbindungen für zehntausende Anwendungen durch Verbote regulieren zu können, ohne dass es zu erheblichen Schäden für den Technologie- und Wirtschaftsstandort Europa kommt." Der PFAS-Verbotsansatz solle "schnellstmöglich in ein differenziertes, wissenschaftsbasiertes Regulierungsvorgehen formuliert werden", sagte Schierholz.