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Stilllegung von Flächen : Widerstand gegen EU-Naturschutz-Gesetz

Im Bundestag scheitert die Union zwar mit einem Antrag gegen die EU-Renaturierungspläne, doch die Zukunft des Vorhabens ist ungewiss.

19.06.2023
2024-01-04T13:59:18.3600Z
2 Min

Über 80 Prozent der in der EU geschützten Lebensräume sind in einem schlechten Zustand. Eine Zahl, die verdeutlicht, wie ehrgeizig das Vorhaben der EU-Kommission ist: Bis 2030, so ihr Vorschlag für eine Verordnung zur Wiederherstellung der Natur, soll sich die EU verpflichten, geschädigte Ökosysteme auf mindestens 20 Prozent ihrer Land- und Meeresflächen wieder zu renaturieren. Das sei ein "wichtiger Beitrag" im Kampf gegen Klimakrise und Artensterben, lobte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne), als die von Ursula von der Leyen geführte EU-Kommission den Entwurf vor gut einem Jahr vorlegte. Dringend benötigt wird er auch, um die globalen Biodiversitätsziele zu erreichen, auf die sich die Weltgemeinschaft im Dezember 2022 in Montreal verständigt hat.

Debatte über Flächenstilllegungen

Doch das von Umweltverbänden als Meilenstein gefeierte EU-Gesetzesvorhaben bekommt inzwischen gehörigen Gegenwind: Die geplante "Stilllegung von Flächen" gefährde die Ernährungssicherheit und verschärfe "Flächennutzungskonflikte" kritisieren Landwirte, Kommunen und Wirtschaftsvertreter. Und ihre Bedenken finden Gehör: In einem Antrag, über den der Bundestag am vergangenen Freitag abschließend beriet, dringt die CDU/CSU-Fraktion auf eine Verschiebung und Abschwächung der EU-Renaturierungsziele: Die Verordnung sei "völlig unausgegoren", monierte Klaus Mack (CDU). Die Regelungen beschnitten den Wirtschaftsstandort Deutschland und schadeten der Landwirtschaft: "Ein Viertel aller Felder" sei von den Maßnahmen betroffen. Das könne das Ende der agrarischen Produktion hierzulande bedeuten, warnte Mack. Eine Verlagerung ins Ausland befürchtete auch die AfD, deren Abgeordneter Andreas Bleck die EU-Kommission einer "übergriffigen" Politik bezichtigte. Die Einschränkung der Flächennutzung sei eine "Enteignung".

Redner von SPD und Grünen zeigten sich entsetzt über die Ablehnung: Die Union scheue sich nicht, "Fake News" zu verbreiten, um das Gesetz "abzuschießen", empörte sich Jan-Niclas Gesenhues (Grüne). Dabei gehe die EU mit dem "größten Naturschutzpaket der letzten drei Jahrzehnte" Klimakrise und Artensterben an. Lina Seitzl (SPD) warnte vor einem "Schaden für die europäische Glaubwürdigkeit", wenn die Verordnung scheitere. Die EU habe sich international zu strengen Zielvorgaben verpflichtet.

Mehrheit im EU-Parlament ungewiss

Während die Ulrike Harzer (FDP) durchaus Verständnis für die Unions-Kritik an der EU-Verordnung zeigte, äußerte sich Ralph Lenkert (Linke) irritiert , dass der Union "nichts Besseres" einfalle, als die "ohnehin unzureichenden" Renaturierungsbemühungen der EU anzugreifen. Den Unionsantrag lehnte der Bundestag schließlich ab, doch die Zukunft des EU-Naturschutz-Gesetzes ist ungewiss: Christdemokraten und Konservative, die als EVP im Europaparlament (EP) die Mehrheit stellen, wollen es nicht mittragen - trotz des Protests einer breiter werdenden Befürworterschar: Neben Wissenschaftlern und Umweltverbänden werben sogar Konzerne wie Nestlé, Unilever und Ikea für den Entwurf. Ende Mai lehnte erst der Agrar- und Fischereiausschuss des EP den Entwurf ab. Die Abstimmung im federführenden Umweltausschuss wurde abgebrochen und auf Ende Juni vertagt. Die EU-Kommission signalisiert zwar Kompromissbereitschaft, um das Gesetz zu retten - doch wie das Votum des EP-Plenums im Juli ausfallen wird, ist völlig offen.