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Foto: picture-alliance/dpa/Christoph Reichwein
"Rumms!" - am 7. Mai wurde die seit Dezember 2021 wegen Schäden am Tragwerk gesperrte Rahmedetalbrücke bei Lüdenscheid gesprengt

Tausende kaputte Brücken : Veraltete Infrastruktur macht Probleme

Angesichts von 4.000 maroden Brücken in Deutschland braucht es mehr Tempo bei den Planungs- und Genehmigungsverfahren.

30.05.2023
2024-03-05T11:23:14.3600Z
4 Min

Zumindest die Sprengung verlief nach Plan. Am 7. Mai gegen Mittag fiel die Rahmedetalbrücke auf der Bundesautobahn A45 wie vorgesehen in sich zusammen. Nun kann der Neubau angegangen werden. Die Region lechzt danach.
Seit Dezember 2021 ist die Brücke wegen Schäden am Tragwerk dauerhaft gesperrt. Seitdem quält sich der Verkehr durch die Innenstadt von Lüdenscheid. Davon hat sich auch unlängst der Petitionsausschuss ein Bild gemacht. Abgeordnete aller Fraktionen waren zu einem Ortstermin nach Lüdenscheid gereist. Was sie dort vorfanden, machte sie nachdenklich.


„Der Fall der Rahmedetalbrücke zeigt welche fatalen Folgen durch den Kollaps unserer Straßeninfrastruktur für die Bevölkerung und die Wirtschaft entstehen können. “
Martina Englhardt-Kopf (CSU)

Der Fall der Rahmedetalbrücke zeige, "welche fatalen Folgen durch den Kollaps unserer Straßeninfrastruktur für die Bevölkerung und die Wirtschaft entstehen können", sagt die im Ausschuss für die entsprechende Petition zuständige Berichterstatterin Martina Englhardt-Kopf (CSU).

Beeindruckt zeigte sich auch Delegationsleiter Axel Echeverria (SPD). Alle Befragten hätten eindringlich darüber berichtet, wie der Verkehr ihr Leben verändert. Die Abgeordneten wollen nun Gespräche mit den zuständigen Stellen führen "Das Ziel ist es, wirksame und wahrnehmbare Abhilfe in Lüdenscheid zu schaffen", machte Echeverria deutlich.

Minister Wissing (FDP) will Tempo machen

Auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) will Tempo machen. "Die neue Brücke kommt so schnell wie möglich", sagte er am Rande der Sprengung in die TV-Kameras. Seit Januar ist bekannt, dass für den Ersatzneubau der Brücke "keine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP-Pflicht) besteht", wie es in einem Bescheid des Fernstraßen-Bundesamtes heißt. Ebenso kann auf ein förmliches Verfahren in Form einer Planfeststellung oder eines Plangenehmigungsverfahrens verzichtet werden.

Unionsentwurf stammt aus dem Jahr 2011

Insofern verwundert es zunächst, dass sich die Unionsfraktion bei ihrem Gesetzentwurf"zur weiteren Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren an Brücken auf Bundesfernstraßen", in dem sie Verfahrenserleichterungen fordert, die sich am LNG-Beschleunigungsgesetz orientieren, im Begründungsteil auf eben jene Rahmedetalbrücke bezieht. Der vergangene Woche im Bundestag debattierte und schlussendlich abgelehnte Entwurf stammt aber auch aus dem November 2011.

An maroden Brücken mangelt es in Deutschland auch jenseits der Rahmedetalbrücke nicht. Rund 4.000 Brücken auf Autobahnen und Bundesstraßen sind in schlechtem Zustand. An der Forderung, die Systematik des LNG-Beschleunigungsgesetzes, das im Bundestag "mit breiter Mehrheit auf den Weg gebracht wurde", auch auf den Verkehrsbereich zu übertragen, hält die Union daher fest, wie Felix Schreiner (CDU) während der Debatte sagte.

"Ernüchterung in Sachen Planungsbeschleunigung"

Nach anderthalb Jahren Verkehrspolitik der Ampel herrsche große Ernüchterung in Sachen Planungsbeschleunigung, befand er. Nichts Wesentliches sei auf den Weg gebracht worden. "Sie blasen die Backen auf, liefern aber nicht", warf Schreiner SPD, Grünen und FDP vor. Zu erkennen sei lediglich Streit und gegenseitige Blockaden.

Als "reinen Populismus" tat Jürgen Berghahn (SPD) die Vorwürfe ab. Gerade beim Thema Brücken seien umfangreiche Maßnahmen beschlossen worden. Mit Blick auf die Rahmedetalbrücke sagte er: "Es hätte gar nicht zu diesem katastrophalen Zustand kommen müssen." Der heutige nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), vormals als NRW-Verkehrsminister für die Brücke zuständig, habe aber alle Hinweise auf den schlechten Zustand der Brücke ignoriert und die dringend nötigen Maßnahmen zum Neubau nicht schon frühzeitig eingeleitet. Jetzt aber würden vor Ort "sämtliche Maßnahmen beschleunigt, die beschleunigt werden können".

Zustimmung von Seiten der AfD

Viel Sympathie für die Gesetzentwurf der Union hat die AfD. Dirk Spaniel (AfD) führte Punkte an, mit denen der Entwurf "noch besser wird". Spaniel will zum einen die Rastanlagen auf den Autobahnen in die Planungsbeschleunigung mit aufgenommen wissen. Diese seien ein Verkehrssicherheitsrisiko, weil sie viel zu klein dimensioniert seien. Außerdem schlug der AfD-Abgeordnete eine Verkürzung des Instanzenweges angelehnt an die Projekte der Deutschen Einheit vor. "Nur deshalb haben wir ja in Ostdeutschland überhaupt Autobahnen und Bahnlinien", sagte er.

Keine Zustimmung erhielt die Union von Stefan Gelbhaar (Grüne). Der Entwurf sei schlecht und gehöre in die Rundablage. Alle Beschleunigungsinitiativen der Union seien gescheitert. "Wir als Koalition arbeiten an einem echten Beschleunigungsgesetz" sagte Gelbhaar. "Priorisieren, Digitalisieren und Entscheiden - das ist politisch." Das Gesetz werde Straße und Schiene betrachten, kündigte er an. Das sei der Unterschied zwischen einer "verwelkten Union und einer lebendigen Ampelkoalition". Verkehrsminister Wissing habe zugesagt, dieses Gesetz auch mit dem Ausbau des ÖPNV und der Ladeinfrastruktur anzureichern.

Linke mahnt demokratische Entscheidungsfindung an

Bei allem Bemühen um mehr Planungsbeschleunigung "sollten wir nicht unsere demokratische Entscheidungsfindung vernachlässigen", sagte Thomas Lutze (Linke). Die derzeitigen Verfahren existierten schließlich nicht ohne Grund. Sie seien dafür da, gesetzliche Vorgaben einzuhalten und nicht nur die Auswirkungen auf die Umwelt zu beachten, sondern auch um die Zivilgesellschaft in Entscheidung mit einzubeziehen.

Wie es nun in Sachen Planungsbeschleunigung weitergehen könnte, skizzierte Verkehrsstaatssekretär Oliver Luksic (FDP). Mit dem im Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf zur Genehmigungsbeschleunigung werde es gelingen, alle Verkehrsträger schneller zu bauen. Es sei ein "überragendes öffentliches Interesse" für ausgewählte Schienen-, Straßen- und Brückenprojekte definiert worden. Das sei ein wichtiger Fortschritt, befand er. Früher seien Brückenprojekte nur dann ohne umfangreiche Planfeststellungsverfahren gemacht worden, wenn sie eins zu eins wie die alte Brücke gebaut wurden. "Das ist nicht praxisnah, weil Brücken vor 50 oder 60 Jahren anders gebaut wurden", sagte der Verkehrsstaatssekretär.