Jahreswirtschaftsbericht : Habeck erwartet kaum noch Wachstum in diesem Jahr
Deutschland befindet sich in der Stagnation. Die Unionsfraktion fordert Sofortprogrammme, die Ampel wirft ihr vor, das Wachstumschancengesetz zu blockieren.
Immerhin, die Inflationsrate sinkt: Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) versucht, auch die etwas positiven Aspekte des Jahreswirtschaftsberichts zu betonen.
Da gab es wirklich nichts schönzureden: Statt der in der Herbstprognose angenommenen 1,3 Prozent Wachstum soll die deutsche Wirtschaft im laufenden Jahr lediglich um 0,2 Prozent wachsen. "Das ist im Grunde Stagnation", räumte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) ein. Zum Vergleich: Die EU rechnet für 2024 mit einem Wachstum von 0,8 Prozent; Deutschland bildet in der Gemeinschaft das Schlusslicht. Im Rahmen einer Regierungserklärung stellte Habeck am Donnerstagmorgen dem Bundestag den Jahreswirtschaftsbericht 2024 und das Jahresgutachten 2023/24 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vor.
Der Wirtschaftsminister versuchte sich in Erklärungen, die zwar nicht neu sind, aber laut Habeck weiterhin gültig: Der vor fast zwei Jahren von Russland begonnene Krieg gegen die Ukraine sei die Ursache vieler wirtschaftlicher Turbulenzen gewesen.
Zwar habe man es in Deutschland geschafft, die Energieversorgung zu sichern, der Angriff auf die Ordnung in Deutschland habe abgewehrt werden können, doch: "Wir sind noch lange nicht über den Berg." Der Wirtschaftsminister warnte davor, dass der weltweit zunehmende Protektionismus die Probleme des Welthandels nur verschärfen werde.
Ukraine-Krieg reicht der Opposition nicht als Begründung
Stattdessen gelte es, die strukturellen Probleme im Land weiter anzugehen, wie den Abbau des Fach- und Arbeitskräftemangels und der Bürokratie sowie die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. "Das Geld für Investitionen ist da, es muss nur schneller ausgegeben werden", sagte Habeck.
Der Opposition war der Hinweis auf die Folgen des Krieges in der Ukraine viel zu wenig; die Fraktionen von CDU/CSU und AfD gaben der Ampelregierung, insbesondere Habeck und Finanzminister Christian Lindner (FDP), die Schuld an der darbenden Wirtschaft.
Union sieht Verantwortung für "Abwärtsspirale" der Wirtschaft bei Habeck
Der Jahreswirtschaftsbericht sei eine "wirtschaftspolitische Bankrotterklärung der Ampelregierung", formulierte es Alexander Dobrindt (CDU/CSU) am Donnerstag. Habeck müsse die Verantwortung für die "Abwärtsspirale" der Wirtschaft in Deutschland übernehmen. Deutschland sei das "absolute Schlusslicht in Europa": "Sie tragen daran einen erheblichen Anteil, Herr Minister", sagte Dobrindt.
Der Minister habe versucht, die Gründe für die schlechte Wirtschaftslage allein mit externen Krisen zu erklären, dabei sei es die Verantwortung der Bundesregierung: "Sie sind nicht die Lösung, sie sind das Problem der Wirtschaftsschwäche, Herr Bundesminister", schloss Dobrindt.
Ein "krachendes Scheitern" der Transformation bescheinigte der AfD-Abgeordnete Leif-Erik Holm dem Wirtschaftsminister. Die Ampel habe ihr Versprechen eines grünen Wirtschaftswunders nicht eingehalten. Stattdessen gehe jetzt nichts mehr. Es brauche eine deutliche Entlastung der Unternehmen und Bürger und eine sichere und bezahlbare Energieversorgung: "Ihr Kardinalfehler war, mitten in einer Energiekrise die sicheren und sauberen Kernkraftwerke abzuschalten", sagte Holm und forderte in der Konsequenz Neuwahlen.
Liberaler Dürr: "Müssen uns ehrlich machen"
Ganz zur Seite sprang Christian Dürr vom Koalitionspartner FDP dem Wirtschaftsminister nicht, als er forderte, dass man sich nun "sehr, sehr ehrlich machen müsse": Es sei nicht alles mit den Folgen der Corona-Pandemie oder des Krieges in der Ukraine zu erklären.
Doch statt bei Habeck sieht Dürr die Verantwortung bei den Vorgängerregierungen: "Seit mindestens eineinhalb Jahrzehnten wird für die deutsche Wettbewerbsfähigkeit nichts getan", so der Liberale. Von der Union verlangte er, sich mit konstruktiven Vorschlägen zu beteiligen. "Doch alles, was sie machen, ist Briefe zu schreiben", sagte Dürr und bezog sich auf einen Brief der Unionsfraktion an Bundeskanzler Olaf Scholz.
Die Union fordert eine "Wirtschaftswende"
In dem Schreiben fordern die Abgeordneten um ihren Vorsitzenden Friedrich Merz den Kanzler auf, ein Sofortprogramm zur Wirtschaftswende einzuleiten. Diese Punkte waren bereits am Mittwochabend Thema im Bundestag, als ein entsprechender Antrag der Unionsfraktion mit dem Titel debattiert und zur weiteren Beratung an den Wirtschaftsausschuss überwiesen wurde. In dem Antrag fordern die Unionsabgeordneten unter anderem, dass die Bundesregierung eine Begrenzung der Sozialabgaben bei 40 Prozent des Bruttoarbeitslohns wieder einführt, Überstunden für Vollzeitbeschäftigte steuerlich begünstigt und für Bürgergeldbezieher strengere Sanktionen einführt, wenn diese die Arbeitsaufnahme verweigern. Des Weiteren sollen die Stromsteuer dauerhaft und für alle auf das europäische Minimum von 0,05 Cent/kWh gesenkt, die Netzentgelte halbiert, sowie die geplanten Steuererhöhungen für Landwirte vollständig zurückgenommen werden.
Die Wirtschaft benötige bessere Rahmenbedingungen und keine teuren Hilfsprogramme, befand Julia Klöckner bei der Debatte am Mittwoch für die Unionsfraktion. Zudem müsse die Bürokratie- und Belastungsbremse, die beschlossen wurde, nun auch umgesetzt werden: "Zu einer guten Wirtschaftspolitik gehört auch eine Bundesregierung, die ihr Handwerk versteht."
Dass die Lage mal wieder schlechter geredet werde, als sie sei, erwiderte daraufhin Bernd Westphal (SPD): "Wenn wir 46 Millionen Beschäftigte haben, dann kann es so schlimm nicht sein." Lukas Köhler (FDP) befand, wenn die Union fordere, die Unternehmenssteuer auf 25 Prozent zu senken, dann müsse sie auch reinschreiben, wie sie das gegenfinanzieren wolle.
Streit um Blockade im Bundesrat
Nicht nur fehlende Finanzierungsvorschläge, auch eine Blockadehaltung bei der Umsetzung des Wachstumschancengesetzes warfen die Ampel-Abgeordneten der Union vor. Andreas Audretsch (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte die Union dafür, dass diese nein gesagt habe zur Entlastung der kleineren und mittleren Unternehmen. Statt konstruktiv zu sein, wolle die Union "ganz dezidiert verunsichern." Er räumte ein: "Nicht alles ist gut, aber es wird besser, wir sind auf dem Weg."