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Zwei Jahre Ampel : Zeit der Bilanzen

Die Unionsfraktion nutzt einen Antrag zur wirtschaftlichen Situation in Deutschland, um die Arbeit der Regierung zu kritisieren.

15.12.2023
2024-03-04T11:37:43.3600Z
3 Min

Die Haushaltskrise ist abgewendet, aber das hat die Union nicht davon abgehalten, in der vergangenen Sitzungswoche die Regierungsfähigkeit der Ampel in Frage zu stellen. Nachdem der Fraktionsvorsitzende der Union, Friedrich Merz, nach der Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verlangt hat, dieser solle im Parlament die Vertrauensfrage stellen, zog seine Fraktion mit einem Antrag nach zur Bilanz nach zwei Jahren Ampelregierung.

Foto: picture-alliance/dpa/Kay Nietfeld

Verabschiedete sich mit seiner Rede aus dem Deutschen Bundestag: Der Grünen-Abgeordnete und ehemalige Umweltminister Jürgen Trittin.

Noch nie sei das Vertrauen der Bevölkerung in eine Bundesregierung zur Mitte der Wahlperiode so gering wie in diesen Tagen, schreibt die Union. Die Bürgerinnen und Bürger erwarteten Entscheidungen bei den Themen Wirtschaft und Staatsfinanzen, Migration und Sicherheit. Doch diese Entscheidungen lasse die Ampelregierung vermissen, deren Bild von "Vielstimmigkeit, Unprofessionalität und einen über die Medien ausgetragenen Dauerstreit" bestimmt werde.

Studie: Koalitonsvertrag zu zwei Drittel erfüllt

Merz' Generalsekretär Carsten Linnemann (CDU) zitierte in der Debatte zum Antrag am Donnerstag Scholz, der zu Beginn seiner Regierungszeit von einer "Fortschrittsregierung" gesprochen hatte. Danach sei die Ampel zwar zunächst gut gestartet, so Linnemann, doch dann sei sie mit voller Wucht in alte Muster hineingerutscht: "Nichts funktioniert mehr." Die deutsche Wirtschaft schrumpfe als einzige unter allen Industrieländern, Deutschland sei in allen Standortrankings zurückgefallen, der Mittelstand stehe "mit dem Rücken zur Wand": "Das ist bitter, das geht ins Mark", sagte Linnemann.


„Haben Sie noch zwei Jahre die Kraft, das Land nach vorne zu bringen? “
Carsten Linnemann (CDU)

Die Ampel lasse die Menschen im Regen stehen, komme beim Wohnungsbau nicht hinterher, bringe das Land mit der Migrationspolitik ans Limit. Bei der Ampel handele es nicht um eine Fortschritts-, sondern um eine "Abstiegskoalition". "Haben Sie noch zwei Jahre die Kraft, das Land nach vorne zu bringen?", fragte der Christdemokrat zum Schluss.

Mit dem Zustand Deutschlands habe der Antrag der Unionsfraktion nun "überhaupt nichts zu tun", erwiderte darauf Bernd Westphal (SPD). Der Antrag habe, wie die Rede von Merz am Vortag, "weder Inhalt noch irgend ein Ambitionsniveau", befand der Sozialdemokrat.

Die Bertelsmann Stiftung habe kürzlich analysiert, dass nach zwei Jahren an der Regierung bereits zwei Drittel der "ambitionierten Ziele" des Koalitionsvertrages erfüllt worden seien. So sei im Vergleich zu den vergangenen Jahren der Ausbau der Photovoltaik verdreifacht und ein 10.000 Kilometer langes Netz für Wasserstoff errichtet worden.

Trittin zieht persönliche Bilanz

In die Aussprache zur Halbzeitbilanz fiel gleichzeitig die letzte Rede des Abgeordneten Jürgen Trittin (Grüne) als Mitglied des Deutschen Bundestages. Der 69-Jährige hatte tags zuvor verkündet, dass er im Januar nach 25 Jahren im Parlament sein Mandat niederlegen werde. Und so zog Trittin nicht nur eine Bilanz von zwei Jahren Ampel, sondern auch eine über gutes Regieren insgesamt. Dieses beweise sich in Krisen, so Trittin: "Gutes Regieren ist auch die Fähigkeit zur Umkehr und das ist der Ampel gelungen."

So sei seine Partei einmal auch angetreten, die Rüstungsexporte zu verringern. "Heute ist Deutschland nach den USA der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine." Dies sei nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine nun eben nötig geworden. Eine Umkehr könne eben auch Korrekturen bedeuten. So habe die Ampel die Kraft gehabt, Fehler der vergangenen rot-grünen Regierung zu korrigieren, indem beispielsweise der Mindestlohn und Kindergrundsicherung erhöht wurde beziehungsweise werde. Die Kunst sei, in der Umkehr den Kurs zu bewahren, so Trittin. Das sei der Ampel gelungen.

Stehende Ovationen der Grünen

Nach seiner Rede bekam Trittin stehende Ovationen der Ampel und Glückwünsche aus den Reihen seiner Fraktion. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) würdigte die Arbeit des langjährigen Abgeordneten: "Lieber Jürgen Trittin, Sie haben dem Bundestag 25 Jahre lang angehört, dafür möchte ich mich persönlich, aber auch im Namen des Hauses bei Ihnen bedanken."

Gewürdigt wurde Trittin auch von seinem Nachredner, Lukas Köhler (FDP). Der Grüne sei eine prägende Persönlichkeit, dem es stets gelungen sei, inhaltlich in der Sache zu streiten, aber seine politischen Gegner mit Anstand zu behandeln, sagte Köhler. "Doch im Gegensatz zu ihm glaube ich, dass die Ampel den Anspruch an Fortschritt nicht aufgegeben hat", so der Liberale. Wenn man sich anschaue, was Deutschland an Krisen in den vergangenen zwei Jahren durchgemacht habe, sei das eine ganze Menge. "Dieses Land, diese Regierung schafft enorm viel."

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Für Leif-Erik Holm (AfD) indes ist die Union keine Alternative zur Ampel. Es brauche eine neue Kraft, "die hier endlich aufräumt", befand Holm. Die AfD sei die einzige Chance auf eine bürgerlich-konservative Wende im Land: "Weil wir nicht beliebig sind", so Holm. Der Antrag wurde im Anschluss an die Debatte abgelehnt.