Vor 55 Jahren : Junge Wähler an die Urnen
Mit einer Änderung des Grundgesetzes hat der Bundestag am 18. Juni 1970 das Wahlalter auf 18 herabgesetzt – Skeptiker zweifelten damals an der Reife der Jugend.
"Den Heranwachsenden fehlt eine gewisse Reife des Staatsbürgers", urteilte 1966 der damals 90-jährige Ex-Kanzler Konrad Adenauer (CDU). Junge Abgeordnete wie Hans-Dietrich Genscher (FDP) sahen das anders und wollten das Wahlalter auf 18 Jahre herabsetzen, das laut Grundgesetz bei 21 lag. Wählbar war, "wer das 25. Lebensjahr vollendet" hatte.
Bundeskanzler Willy Brandt wollte das Wahlalter herabsetzen
Die Frage, wann ein Bürger die Wahlreife besitzt, spaltete die Öffentlichkeit. Als der Bundestag am 18. Juni 1970 aber mit einer Grundgesetzänderung das aktive Wahlrecht auf 18 und das passive auf 21 Jahre herabsetzte, gab es bei zehn Enthaltungen nicht eine Gegenstimme.
Während Skeptiker an der Reife der Jugend zweifelten, argumentierten die parteiübergreifenden Befürworter etwa, wer mit 18 reif genug für den Wehrdienst sei, müsse auch mit seiner Stimme die Verteidigungspolitik beeinflussen können. Hauptargument aber war, die Jugendlichen nur für Politik interessieren zu können, wenn man sie daran teilhaben ließe. So sah es auch Kanzler Willy Brandt (SPD), der 1969 im Bundestag ankündigte, "mehr Demokratie" zu wagen. Er schlug die Senkung des Wahlalters auf 18 Jahre vor.
Dass die SPD ein Interesse daran hatte, dürfte auch daran gelegen haben, dass die Sozialdemokraten erkannt hatten, dass sie unter jungen Wählern höhere Zustimmung als die Union hatten. Bei der Bundestagswahl 1972 lag die Wahlbeteiligung der unter 21-Jährigen schließlich bei 84,5 Prozent; mehr als jeder Zweite darunter wählte die SPD.
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Kinder- und Jugendparlamente bieten Heranwachsenden die Möglichkeit, ihrer Stimme Gehör zu verschaffen. Ein Besuch vor Ort in Berlin-Charlottenburg.

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