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Foto: picture-alliance/dpa/ZB/Bodo Schackow
Laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ist der Rechtsextremismus die größte Bedrohung für Deutschland. Das Demokratiefördergesetz soll sich für präventive Maßnahmen gegen Extremismus jeder Art einsetzen.

Demokratiefördergesetz eingebracht : Neuer Name, alter Streit

Der Bund soll künftig selbst Projekte gegen Extremismus und für Vielfalt fördern können. Teile der Opposition sehen darin eine Gefahr für die Meinungsfreiheit.

20.03.2023
2023-11-23T15:46:01.3600Z
4 Min

Etwa 35.000 extremistisch motivierte Straftaten sind 2021 in Deutschland laut Bundesinnenministerium begangen worden. Orte wie Hanau, Halle oder der Berliner Breitscheidplatz haben in der jüngeren Vergangenheit traurige Berühmtheit erlangt, weil sie Schauplätze extremistischer Verbrechen wurden.

Um die Radikalisierung einzelner und ganzer Gruppe zu verhindern und gesellschaftliche Vielfalt zu fördern, hat die Bundesregierung den Entwurf eines "Gesetzes zur Stärkung von Maßnahmen zur Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention und politischen Bildung" (20/5823) in den Bundestag eingebracht, der vergangenen Donnerstag in erster Lesung debattiert wurde.

Innenministerin Faeser (SPD) setzt auf wehrhafte Demokratie

Durch das sogenannte Demokratiefördergesetz soll der Bund künftig langfristig bundeseigene Projekte sowie Maßnahmen von Dritten fördern können, die der Stärkung von Demokratie und gesellschaftlichem Zusammenhalts dienen.

Auch wenn es zurzeit viel um die Bedrohung von außen gehe, dürfe nicht vergessen werden, dass "Diffamierungskampagnen und Falschinformationen" auch von innen kommen könnten, mahnte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Erst vor wenigen Wochen sei das bislang größte Netz von Reichsbürgern aufgedeckt worden. Jede Form von Extremismus müsse entschlossen bekämpft werden, doch die größte Bedrohung liege im Rechtsextremismus - "wegen der Umsturzfantasien und dieser furchtbaren Taten". Mit Blick auf den Gesetzentwurf sagte die Bundesinnenministerin, dass eine Demokratie vor allem dann wehrhaft sei, wenn Hass und Gewalt gar nicht erst entstehen würden.

Demokratiefördergesetz soll zivilgesellschaftsliches Engagement nachhaltig sichern

Eine Demokratie sei "keine Selbstverständlichkeit", ergänzte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen). Jeden Tag müsse für sie eingestanden werden, wie es in viele Projekten bereits passiere. Dieses zivilgesellschaftliche Engagement solle nun durch das Demokratiefördergesetz nachhaltig gesichert werden. Paus erinnerte außerdem daran, dass die Idee hinter dem Gesetz nicht neu sei. Bereits im August 2013 empfahl der NSU-Untersuchungsausschuss in seinem Abschlussbericht, ein Gesetz einzuführen, um das Engagement gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus neu zu ordnen und für Planungssicherheit zu sorgen.

Bereits in der letzten Legislaturperiode sollte das geforderte Gesetz - damals noch unter Leitung von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) - verabschiedet werden. Doch das "Wehrhafte Demokratie-Gesetz", wie es seinerzeit genannt wurde, schaffte es nie über ein Eckpunktepapier hinaus. Streitpunkt damals war vor allem die Frage, wer von diesem Gesetz und seiner Förderung profitieren solle. Die Union forderte eine " Extremismusklausel", um zu verhindern, dass auch demokratiefeindliche Initiativen Förderungen erhielten. Eine vorgeschlagene Demokratieerklärung und Bekenntnis zur demokratischen Grundordnung reichte ihr nicht.

Union fordert Extremismusklausel im Demokratiefördergesetz

Unionspolitiker Christoph de Vries (CDU) kritisiere in der Debatte denn auch das Demokratiefördergesetz für die fehlende Extremismusklausel, die verhindern solle, dass "staatliche Fördergelder in die Hände von Extremisten und Verfassungsfeinden" gelangen. Insgesamt sei er nicht davon überzeugt, dass Deutschland ein solches Gesetz überhaupt brauche, schließlich sei die Bundesrepublik die letzten 70 Jahre auch ohne ausgekommen. Statt die Vielfalt der Gesellschaft gestalten zu wollen, solle der Staat die Meinungsfreiheit wahren. Dies vermisst de Vries in den integrations- und gesellschaftspolitischen Debatten, die seiner Meinung nach von einem "grünen Habitus" geprägt seien, der sich durch "Absolutheit, Moralisierung und mangelnde Diskursfähigkeit" auszeichne.

AfD-Politiker Martin Reichardt ging noch einen Schritt weiter und bezeichnete das geplante Gesetz als "schädlich" für die Demokratie, da es genutzt werden könne, um abweichende Meinungen zu bekämpfen.

Linke fordert stärkere Berücksichtigung migrantischer Organisationen

Im Gegensatz zu den anderen beiden Oppositionsparteien begrüßte Gökay Akbulut (Die Linke) den Schritt, dass Demokratiefördergesetz nun umsetzen zu wollen, und lehnte eine Extremismusklausel entschieden ab. Ihr gehe der Gesetzentwurf hingegen nicht weit genug. Das Gesetz solle klar benennen, welche Maßnahmen es umfasse, und um einen Förderanspruch ergänzt werden. Außerdem sei es unter dem Vielfaltsanspruch notwendig, migrantische Organisationen mehr in den Blick zu nehmen. 25 Prozent der Gelder sollten an solche Initiativen gehen, forderte Akbulut.

Auch in den Fraktionen der Ampelkoalition herrscht Uneinigkeit über den Entwurf. Während Grünen-Politikerin Schahina Gambir und Felix Döring (SPD) die Notwendigkeit des Gesetzes unterstrichen, da es das Verständnis der wehrhaften Demokratie erweitere (Döring) und Einrichtungen wie Opferberatungsstellen und Mobilen Beratungen gegen Rechtsextremismus mehr Anerkennung zusprechen würde (Gambir), zeigte Linda Teuteberg (FDP) sich skeptisch. Schließlich sei es nur ein schmaler Grat zwischen dem "Schutz vor den Feinden der Demokratie und dem Vorgehen gegen politische Mitbewerber und unliebsame Meinungen". Außerdem sei es eben nicht die Aufgabe des Rechtsstaates, Gesellschaft und Individuen nach seinen Vorstellungen zu gestalten.Der Gesetzentwurf wurde zur weiteren Beratung federführend an den Familienausschuss überwiesen.