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Dirk Spaniel im Interview : "Ins Hintertreffen geraten"

Der AfD-Verkehrsexperte Dirk Spaniel kritisiert, dass die Koalition sich nicht einheitlich zum Infrastrukturausbau positioniert.

13.02.2023
2023-12-14T09:18:56.3600Z
6 Min

Herr Spaniel, die Bundesregierung will den Ausbau von Infrastruktur im Bereich Energie und Verkehr beschleunigen. Dazu sollen Gerichtsverfahren, in denen es um Einsprüche gegen solche Vorhaben geht, vorgezogen und gestrafft werden. Halten Sie das im Grundsatz für richtig?

Dirk Spaniel: Ja. Die AfD-Fraktion hat bereits in der letzten Legislaturperiode Vorschläge gemacht, wie man effektive Planungsbeschleunigung erreichen kann. Wir sind hier im internationalen Vergleich deutlich ins Hintertreffen geraten, das bestätigen auch aktuelle Studien. Externe Analysten stellen fest, dass wir es in Deutschland im Vergleich zu anderen parlamentarischen Demokratien, die eine ähnliche Umweltgesetzgebung haben wie wir, einfach nicht schaffen, unsere Planungsvorhaben schnell durchzuführen. Wir haben also einen erheblichen Nachholbedarf.

Foto: picture alliance / SZ Photo | Metodi Popow

Dirk Spaniel ist verkehrspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion. Er sitzt seit 2017 im Deutschen Bundestag.

Woran liegt das Ihres Erachtens?

Dirk Spaniel: Offensichtlich haben sich hier im Parlament die Bündnisse der Vergangenheit sehr nachteilig ausgewirkt auf die Themen Innovation und Infrastrukturausbau. Wir müssen einfach feststellen, dass wir hier unterschiedliche Gruppen und Personen haben, die Deutschland eher rückentwickeln wollen, deindustrialisieren wollen. Es gibt aber auch Gruppierungen im Parlament, die dieses Land als Industriestandort erhalten und ausbauen wollen. Das sind für mich die Bündnispartner der Zukunft. Am Thema Wohlstand und Industrieerhaltung wird sich zeigen, wer in diesem Land tatsächlich an einer positiven Entwicklung interessiert ist und wer dieses Land nur zu irgendeiner Form von Wohlfühlgesellschaft rückabwickeln will. Unseren Wohlstand und unsere Industriegesellschaft zu erhalten wird nur möglich sein, wenn man hier im Bundestag den richtigen Partner wählt. Und die Union hat offensichtlich, obwohl sie von 2009 bis 2021 den Verkehrsminister gestellt hat, in der Vergangenheit den falschen Partner gehabt.

Nun hat sich gerade bei der Fertigstellung der ersten Flüssiggas-Terminals gezeigt, dass Infrastrukturvorhaben auch sehr schnell umgesetzt werden können. Liegt es also gar nicht in erster Linie am Rechtsrahmen?

Dirk Spaniel: Das ist genau der interessante Punkt, den man sich hier vor Augen halten muss. Offensichtlich ist bei entsprechender Prioritätensetzung, das haben wir ja auch bei der Windkraft gesehen, sehr wohl eine Planungsbeschleunigung möglich. Wir sehen am Beispiel des LNG-Gesetzes, dass mit leicht modifizierten Rahmenbedingungen solche Projekte schnell durchgesetzt werden können. Offensichtlich ist nicht nur eine komplizierte Rechtsstruktur unser Problem, es ist immer auch die Bundesregierung. Wenn die Regierung offensichtlich ihr politisch genehme Projekte wie LNG-Terminals beschleunigen kann, dann muss man andersherum festhalten: Die Sanierung von Autobahnbrücken und insbesondere der Straßenausbau, aber auch der Schienenausbau war offensichtlich nicht gewünscht. Denn ansonsten hätte man den ja auch im bestehenden Rechtsrahmen durchführen können.

Der vorliegende Gesetzentwurf bezieht sich explizit auf "Vorhaben mit einer hohen wirtschaftlichen oder infrastrukturellen Bedeutung". Ist aus Ihrer Sicht klar genug, was damit gemeint ist?

Dirk Spaniel: Es gibt ja bereits eine Vorstufe, den Bundesverkehrswegeplan. Ein Bauvorhaben, das darin enthalten ist, ist definitiv ein Vorhaben von nationaler Tragweite. Und genau für diese Projekte sollte es Sonderregelungen geben.


„Unseren Wohlstand und unsere Industriegesellschaft zu erhalten wird nur möglich sein, wenn man hier im Bundestag den richtigen Partner wählt.“
Dirk Spaniel, AfD

Bei der Erstellung des Beschleunigungsgesetzes hat es genau darüber, inwieweit der Straßenausbau priorisiert werden sollte, auch Auseinandersetzungen innerhalb der Koalition gegeben. Nun ist im Gesetzentwurf nur allgemein von Verkehrsinfrastruktur die Rede. Sehen Sie diesen Streit damit als beigelegt?

Dirk Spaniel: Der Streit ist mitnichten beigelegt. Es ist im Verkehrsausschuss klar erkennbar, dass hier ein Dissens besteht. Wenn je nach Betrachtung 70 bis 80 Prozent unseres Verkehrs über die Straße abgewickelt werden, können wir doch nicht vollständig ignorieren, dass hier auch ein Infrastruktur-Erhalt und -Ausbau notwendig ist. Wer die Straßeninfrastruktur von der beschleunigten Planung ausschließen will, der betreibt definitiv die Politik der Leute, die dieses Land abwickeln und den Industriestandort nicht erhalten wollen. In der Praxis kann man das sehr schön sehen an der Posse um die Autobahnbrücke Rahmedetal, wo eine marode Brücke - schlimm genug, dass es die gibt in Deutschland - nicht in adäquater Zeit ersetzt werden kann. In Italien haben wir auch marode Brücken, da ist bei Genua sogar eine eingestürzt. Italien ist an die gleichen europäischen Regeln für Umweltschutz und Einspruchsverfahren gebunden. In Deutschland haben wir nach einem Jahr noch keinen Abriss der Autobahnbrücke, in Italien nach zwei Jahren eine komplett neue Brücke. Diese Diskrepanz zeigt, dass es offensichtlich am politischen Willen im jeweiligen Land liegt. Und in dieser Koalition existiert keine einheitliche Positionierung zum Thema Infrastrukturausbau.

Hauptziel des neuen Gesetzes ist die Umsetzung der Energiewende, also der Ausbau von erneuerbaren Energien und der Strom-Verteilnetze. Bei dieser Thematik ist Ihre Partei bekanntlich nicht einer Meinung mit der Regierung. Warum?

Dirk Spaniel: Der Grund ist, dass wir die Energiewende, wie sie hier formuliert wird, für weitgehend unbezahlbar halten und nur durchführbar mit weitgehend planwirtschaftlichen Methoden. Im Klartext: Mit extremen Subventionen und dem Verbot von Alternativen. Dass unsere Fraktion mit dieser Einschätzung richtig liegt, zeigt sich auch daran, dass die Regierung massive Anstrengungen unternehmen musste, um die Energiepreise zu begrenzen, weil ansonsten die Energieversorgung in unserem Land völlig unbezahlbar geworden wäre. Wir müssen aber festhalten, dass selbst unter aktuellen Bedingungen die Stromerzeugungskosten in Deutschland, und Strom ist ja das Hauptthema der Energiewende, sich offensichtlich weit außerhalb dessen bewegen, was zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit notwendig wäre. Die Einschätzung der AfD aus der Vergangenheit, dass es ohne Kernenergie nicht geht, scheint sich in der Praxis zu bestätigen. Ich persönlich bin der festen Überzeugung, dass diese Erkenntnis beim Wähler ankommen wird und auch bei anderen Parteien. Es dauert halt noch ein bisschen.

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Ein wesentliches Instrument in dem Beschleunigungsgesetz ist, dass Gerichtsverfahren zu Infrastruktur-Vorhaben vorgezogen werden. Das bedeutet zwangsläufig, dass andere Verfahren nach hinten rutschen, zum Beispiel solche zu Gewerbeansiedlungen. Ist das aus Ihrer Sicht vertretbar?

Dirk Spaniel: Es ist nach unserer Ansicht ein wichtiger Punkt, Infrastrukturverfahren vorzuziehen. Aber viel wichtiger ist, dass es gar nicht zu diesen Verfahren kommt. Die Klagen, die hier erfolgen, sind ja in der Regel Verbandsklagen. Wir müssen in Deutschland wegkommen davon, dass überregionale Verbände, die häufig nur aus wenigen Mitgliedern bestehen, vor Gericht wichtige Infrastrukturvorhaben in unserem Land verzögern. Tatsächliche und berechtigte Anwohnerinteressen müssen berücksichtigt werden. Aber dieses Verbandsklagerecht, das zu einem erheblichen Teil missbraucht wird, ist der eigentliche Grund, warum Infrastrukturprojekte in Deutschland so lange dauern. Deshalb sind wir nicht nur dabei, wenn es gilt, Gerichtsverfahren vorzuziehen und zu verkürzen, wir müssen auch einen Teil dieser Verfahren verhindern. Das wäre unser Vorschlag.