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Foto: picture-alliance/Anadolu/Wolfgang Schwan
Kampfübungen, während Russlands Krieg weitergeht: Ukrainische Soldaten in der Oblast Donezk.

Ergebnisse des EU-Gipfels : Am längeren Hebel

Die EU will die eingefrorene Milliarden der russischen Zentralbank für den Abwehrkampf der Ukraine mobilisieren. Im Gaza-Krieg fordert sie eine sofortige Feuerpause.

22.03.2024
2024-03-22T15:59:17.3600Z
4 Min

Mehr Druck auf Israel und mehr Hilfe für die Ukraine: Auf ihrem Gipfeltreffen haben die Staats- und Regierungschefs der EU am Donnerstag angesichts der dramatischen Notlage der Zivilbevölkerung im Gazastreifen eine sofortige Feuerpause gefordert. Neben dem Nahost-Konflikt bestimmte der Abwehrkampf der Ukraine gegen Russland den ersten Gipfeltag in Brüssel. Die EU kündigte an, milliardenschwere neue Militärhilfen für das Land vorzubereiten. So soll die Nutzung von Zinserträgen aus dem eingefrorenen russischen Zentralbank-Vermögen vorangetrieben werden. Allein dieses Jahr könnten bis zu drei Milliarden Euro zusammenkommen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte, das Geld solle vor allem zum Kauf von Waffen und Munition verwendet werden, die die Ukraine für ihren Verteidigungskampf brauche.

Kanzler Scholz beschwört den Zusammenhalt 

In seiner Regierungserklärung vor dem EU-Gipfel am Mittwoch im Bundestag hatte Scholz einmal mehr den Zusammenhalt der EU-Mitglieder bei der Unterstützung der Ukraine beschworen: "Wir stehen zusammen." Scholz betonte, dass er sich mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk nochmals auf drei Prinzipien verpflichtet habe. "Wir werden die Ukraine so lange unterstützen, wie das nötig ist", sagte Scholz. Gemeinsam werde man dafür sorgen, dass die Nato nicht Kriegspartei werde. "Und: Wir werden keinen Diktatfrieden zulasten der Ukraine akzeptieren."

Scholz warb zudem für eine engere EU-Kooperation bei der Beschaffung von Rüstungsgütern. "Wir brauchen eine engere Zusammenarbeit in der Verteidigungswirtschaft, eine Kooperation unserer Länder bei der Rüstung." Es müsse bei den wichtigen Waffensystemen in Deutschland und Europa gewährleistet sein, dass man "eine ständige, skalierbare Produktion" habe, "auf die wir uns für unsere eigene Verteidigungsfähigkeit verlassen können".


„Friedfertigkeit kann das Gegenteil von Frieden bewirken.“
Friedrich Merz (CDU)

Friedrich Merz (CDU) griff die umstrittenen Worte des SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich zu einem "Einfrieren" des Kriegs in der Ukraine auf. "Friedfertigkeit kann das Gegenteil von Frieden bewirken", sagte der Vorsitzende der Unionsfraktion. Einem Kriegsverbrecher wie Putin könne man "nicht mit Feigheit begegnen, sondern nur mit Klarheit und Entschlossenheit". Merz ging auf die Aussage des Kanzlers ein, die Debatte über die deutsche Unterstützung für die Ukraine sei "an Lächerlichkeit nicht zu überbieten". Die Debatte sei nicht lächerlich. "Diese Debatte ist gefährlich. Sie ist gefährlich für den Frieden in Europa, und sie ist gefährlich für die Ukraine." Diese müsse den Eindruck gewinnen, dass die deutsche Hilfe befristet sei "und wir längst schon ein anderes Ziel im Auge haben".

Die Grünen wollen noch mehr Unterstützung für die Ukraine

Katharina Dröge (Bündnis 90/Die Grünen) plädierte für eine noch stärkere Unterstützung der Ukraine durch die Ampel-Koalition. "Wir sind bislang gemeinsam einen richtigen Weg gegangen, aber wir sind ihn nicht weit genug gegangen. Die Ukraine braucht dringend mehr Unterstützung." Union und auch der SPD warf die Grünen-Fraktionschefin eine verfehlte Russlandpolitik in früheren Regierungsjahren vor. "Dieses Land wurde viel zu lange von Großen Koalitionen regiert, die blind und taub waren angesichts der Warnungen unserer europäischen Partner, angesichts der Warnungen der USA." Deutschland sei regiert worden von Koalitionen, die lieber Geschäfte gemacht hätten mit billigem russischem Öl und Gas.

Die Ergebnisse des EU-Gipfels auf einen Blick

💰 Zinserträge aus dem eingefrorenen russischen Zentralbank-Vermögen sollen der Ukraine für Waffen und Munition für ihren Abwehrkampf gegen Russland zur Verfügung gestellt werden.

📈 Die EU-Kommission schlägt vor, Zölle auf russisches Getreide zu erhöhen. So soll auch verhindert werden, dass aus der Ukraine gestohlenes Getreide in die EU verkauft wird.

🟢 Grünes Licht gibt es außerdem für EU-Beitrittsgespräche mit Bosnien und Herzegowina. Dahinter steht auch die Sorge, dass sich das Balkanland andernfalls Richtung Russland oder China orientieren könnte.



AfD-Fraktionschefin Alice Weidel verteidigte das Nein des Kanzlers zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. "Es wäre nicht im deutschen Sicherheitsinteresse, unsere Streitkräfte von einem weiteren wichtigen Waffensystem zu entblößen." Die Abgabe dieses Waffensystems, das weit nach Russland hineinwirken und selbst den Kreml erreichen könne, "wäre eine ganz klare Kriegsbeteiligung", weil sie zwangsläufig den Einsatz deutscher Soldaten zur Bedienung nach sich ziehen würde. Weidel monierte eine "schwarz-grüne Koalition der Kriegstreiber", die sich in martialischer Rhetorik gefalle und anderen "Defätismus" vorwerfe. Der "kriegerische Überbietungswettbewerb" sei umso absurder vor dem Hintergrund des desolaten Zustands der Bundeswehr.

Die FDP wirft der AfD unpatriotisches Verhalten vor

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FDP-Fraktionschef Christian Dürr nutzte seine Rede für scharfe Kritik an der AfD und machte auf Glückwunschadressen aus deren Reihen an Wladimir Putin nach dessen Schein-Wiederwahl aufmerksam. AfD-Vertreter sprächen von "freien Wahlen" und empfählen den Regierungsstil Putins für Deutschland. "Welche Partei sitzt hier eigentlich, die eine Politik der unmittelbaren Bedrohung als Regierungsstil für Deutschland empfiehlt? Das ist nicht nur unglaubwürdig, das ist unpatriotisch." Die AfD handle nicht im Interesse des deutschen Volkes, sie schade Deutschland.

Harsche Kritik kommt von den Gruppen BSW und Die Linke

Sören Pellmann (Gruppe Die Linke) forderte "mehr Diplomatie statt Aufrüstung". "Mehr Munition, mehr Waffen, Wunderwaffen - eine Wahnsinnsaufrüstungsspirale." Sie sichere bestenfalls das Durchhalten und verlängere diesen Krieg. "Waffenstillstand heißt nicht Akzeptanz des Unrechts; es heißt Beenden des Sterbens."

Sahra Wagenknecht (Gruppe BSW) kritisierte, dass selbst das letzte Tabu, die Entsendung von Bodentruppen, in Frage gestellt werde. "Die EU, die mal ein Friedensprojekt sein sollte, schlafwandelt Schritt für Schritt in Richtung Krieg."