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Foto: picture alliance/dpa/Wolfram Steinberg
Verpackungsverordnung beschlossen: Bis 2040 soll verglichen mit 2018 die Abfallmenge EU-weit um 15 Prozent sinken.

50 Tage vor der Europawahl : EU-Parlament beschließt Recht auf Reparatur und Lieferkettengesetz

Wirtschaft contra Umwelt - das prägte die Amtszeit Ursula von der Leyens. Kann sie sich als künftige Kommissionspräsidentin weiter auf den Green Deal fokussieren?

26.04.2024
2024-04-26T11:38:03.7200Z
3 Min

In ihrer letzten Plenarsitzung vor der Europawahl (6. bis 9. Juni) haben die Europa-Abgeordneten diese Woche in Straßburg zahlreiche Gesetzesvorlagen angenommen. Das Recht auf Reparatur, die Verpackungsordnung und das Lieferkettengesetz sind beispielhaft für die Amtszeit von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU). In den vergangenen fünf Jahren hatte sie sich, neben dem akuten Krisenmanagement während der Pandemie, auf den Green Deal fokussiert.

Das Recht auf Reparatur hatte von der Leyen bei ihrer Antrittsrede im November 2019 bereits erwähnt. Am vergangenen Dienstag haben die Europaabgeordneten mit einer überwältigenden Mehrheit dafür gestimmt. Allerdings haben sie den ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission abgeschwächt, der eine Pflicht zur Reparatur vorsah. Verbraucher werden in Zukunft weiter wählen können, ob sie kaputte Elektrogeräte umtauschen oder reparieren lassen, wenn diese in der Gewährleistungspflicht ihren Dienst aufgegeben haben.

Recht auf Reparatur: Bislang fallen jedes Jahr rund 35 Millionen Tonnen Abfall an

Die EU-Kommission hatte argumentiert, dass in der EU jedes Jahr rund 35 Millionen Tonnen Abfall anfallen, weil Elektrogeräte entsorgt und nicht repariert werden. Bisher werden Elektrogeräte oft so produziert, dass sie sich nur schwer reparieren lassen, etwa weil Akkus in Handys verklebt sind. "Mit den jetzt verhandelten Maßnahmen wird es gelingen, den Reparaturmarkt zu öffnen und einen echten Wettbewerb auf Basis von Qualität und Reparaturpreis zu ermöglichen", prognostiziert René Repassi (SPD), Berichterstatter dieses Dossiers im Europäischen Parlament.

Was ist der Green Deal?

♻️ Ziel ist Klimaneutralität: Mit dem europäischen "Grünen Deal"will die EU-Kommission eine "Wirtschaft schaffen, die bis 2050 keine Netto-Treibhausgase mehr ausstößt".

🛤️ Grünes Wachstum: Die künftige Wirtschaft soll ihre Dynamik von der Ressourcennutzung abkoppeln - grünes Wirtschaftswachstum wird also zum Ziel.

💶 Finanzierung: Ein Drittel der 1,8 Billionen Euro schweren Investitionen aus dem Aufbauplan NextGenerationEU und dem siebenjährigen EU-Haushalt dienen der Finanzierung.



Grundsätzlich haben die Verbraucher einen Anreiz zur Reparatur bekommen: Wird ein Gerät vor Ablauf der Gewährleistungspflicht repariert, verlängert sich die Garantie um ein Jahr auf insgesamt drei Jahre. Allerdings gilt das Recht auf Reparatur nur für Geräte, die unter die sogenannte EU-Ökodesign-Regeln fallen, also etwa Waschmaschinen, Kühlschränke, Staubsauger und Handys. Die Liste könnte sich in Zukunft verlängern. Autos sind ausdrücklich ausgenommen.

Verbot von Zuckertüten kommt nicht

Am Mittwoch hat das Europäische Parlament dann auch die hoch umstrittene Verpackungsverordnung beschlossen. Auch hier stand die Idee im Mittelpunkt, unnötigen Abfall zu vermeiden. Durch die Reform soll der Abfall in der EU bis 2040 um 15 Prozent sinken, verglichen mit 2018. So produziert beispielsweise jede Person in Deutschland im Jahr über 230 Kilo Verpackungsmüll.

Die EU-Kommission wollte ursprünglich auch Zuckertüten aus Papier verbieten. Die Einschränkung hatten in der Industrie viel Unmut ausgelöst. Die EU-Kommission "hatte ein bürokratisches Monster vorgeschlagen, jetzt haben wir ein gutes pragmatisches Umweltgesetz", lobt Peter Liese (CDU), umweltpolitischer Sprecher seiner Fraktion, den erzielten Kompromiss. Schließlich verschmutze Plastik die Weltmeere, nicht Papier.

Ziele der Verordnung müssen erst ab 2030 erreicht werden

Einwegplastikverpackungen wie Kaffeesahnekapseln sind künftig in Restaurants und Hotels verboten. Die meisten Ziele der Verordnung müssen allerdings erst ab dem Jahr 2030 erreicht werden.

"Wir entwickeln stolz den Green Deal weiter - ungeachtet der Versuche ihn zurückzudrehen", sagte Pascal Canfin (Liberale), Vorsitzender des Umweltausschusses, angesichts der Abstimmungsergebnisse. Vor allem von ihren eigenen Parteifreunden war EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen kritisiert worden, weil sie in den vergangenen fünf Jahren Umweltschutz gegenüber Wettbewerbsfähigkeit priorisiert hatte. Die Christdemokraten wollen Schritte, die den Standort Europa stärken, in der kommenden Legislaturperiode stärker in den Mittelpunkt rücken. Von der Leyen wird diesbzüglich Versprechen abgeben müssen, wenn sie wiedergewählt werden will.

CSU geht Lieferkettengesetz-Kompromiss zu weit

Bei kaum einem Gesetzesvorhaben hatte sich der Konflikt zwischen Umweltschutz und Wettbewerbsfähigkeit jedoch so zugespitzt wie beim Lieferkettengesetz. Auch dieses wurde in dieser Woche vom Europäischen Parlament verabschiedet, allerdings in einer abgeschwächten Form. Zwischendurch war nicht einmal klar, ob es dafür überhaupt eine Mehrheit geben würde. "Mit der heutigen Abstimmungen siegen Menschenrechte über die intensive Lobbykampagne gegen das EU-Lieferkettengesetz", sagte die Grünen-Europaabgeordnete Anna Cavazzini.

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Für große Unternehmen sollen künftig noch strengere Sorgfaltspflichten in ihren Lieferketten gelten. Wirtschaftsverbände fürchten deshalb Wettbewerbsnachteile.

Die CSU-Europaabgeordnete Angelika Niebler sprach dagegen von einem "schlechten Tag für die Wirtschaft", das Gesetz gehe "immer noch viel zu weit". Unternehmen müssen künftig überwachen, ob in ihrer gesamten Lieferkette Menschen- und Arbeitsrechte sowie Umweltschutzvorgaben eingehalten werden.

Betroffen sind Betriebe mit 1.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 450 Millionen Euro. Das deutsche Lieferkettengesetz wird nun entsprechend angepasst werden müssen.