Mehr Zeit für die Kommunen : Fördergelder für Ganztagsangebote sollen länger fließen
Ab dem Schuljahr 2026/27 wird ein stufenweiser Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung eingeführt. Ob bis dahin Angebote stehen, ist fraglich. Die Koalition hilft nach.
Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD wollen die Fristen für Investitionen in den Ausbau der Ganztagsbetreuung verlängern. Über einen entsprechenden Gesetzentwurf debattierte der Bundestag am Donnerstag.
Ausgehend von der Frage nach Fristen wurde es eine Grundsatzdebatte über die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote für jüngere Schulkinder. Beides wurde von allen Fraktionen des Bundestages bekräftigt - mit Ausnahme der AfD-Fraktion. Diese positionierte sich zwar nicht gegen den Gesetzentwurf als solchem, äußerte aber dennoch deutliche Kritik an der Priorisierung von Ganztagskonzepten.

Ab dem Schuljahr 2026/27 tritt der Rechtsanspruch auf Ganztagsförderung für Kinder im Grundschulalter der Klassenstufe 1 in Kraft.
Das schnelle Handeln von Bundesregierung und Koalitionsfraktionen so kurz nach Beginn der Wahlperiode liegt an dem schleppenden Ausbau der Betreuungsangebote auf Ebene der Länder und Kommunen. Er wird zunehmend zum Zeitproblem, da die Verantwortlichen vor Ort Fristen zur Beantragung von Bundes-Fördermitteln vielfach nicht mehr einhalten können.
Rechtsanspruch auf Ganztagsförderung muss bald umgesetzt werden
Hintergrund ist das “Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter”, mit dem ab dem Schuljahr 2026/27 zunächst ein Rechtsanspruch auf Ganztagsförderung für Kinder im Grundschulalter der Klassenstufe 1 eingeführt wird. Im Schuljahr 2029/2030 soll der Rechtsanspruch dann für alle Grundschulkinder bis Klasse 4 gelten. Dafür hat der Bund den Ländern ein milliardenschweres Förderprogramm bereitgestellt.
Der schleppende Mittelabruf hat verschiedene Ursachen: "Als Investitionshemmnisse sind insbesondere bei größeren Bauvorhaben (Planungs-)Unsicherheiten festzustellen. Mitunter sind die Landesprogramme, die die jeweilige landesrechtliche Ausgestaltung der Förderanträge regeln, erst im Jahr 2024 in Kraft getreten, sodass Unsicherheiten bestehen, ob entsprechende Baumaßnahmen bis Ende 2027 aufgrund umfangreicher Planungsprozesse, aktueller und erwarteter Fachkräfteengpässe in Bau(planungs-)berufen sowie Lieferengpässen abgeschlossen werden können", führen Union und SPD im Entwurf aus.
„Ganztag ist kein nice-to-have, es ist ein zentraler Faktor für die Vereinbarkeit der drei Ks: Kinder, Küche und Karriere.“
Deshalb wollen sie das Investitionsprogramm um zwei Jahre verlängern. Das bedeutet konkret eine Änderung des Ganztagsfinanzhilfegesetzes (GaFinHG), damit Maßnahmen bis zum 31. Dezember 2029 abgeschlossen werden können und deren Abrechnung bis zum 30. Juni 2030 erfolgen kann. Darauf aufbauende Fristenregelungen, insbesondere zur Mittelumverteilung, werden entsprechend angepasst. Die Frist zur Auflösung des Sondervermögens im Ganztagsfinanzierungsgesetz GaFG wird damit ebenfalls um zwei Jahre, bis zum 31. Dezember 2030, verlängert.
Prien: Bildungsgerechtigkeit ist der Schlüssel für mehr soziale Gerechtigkeit
"Es geht um eine kohärente Bildungsbiografie, die früh beginnt und möglichst ohne Brüche verläuft", verteidigte Bundesbildungs- und Familienministerin Karin Prien (CDU) den Fokus auf den Ausbau des Ganztags. Denn mehr Bildungsgerechtigkeit sei der Schlüssel für mehr soziale Gerechtigkeit und Aufstieg. "Künftig wollen wir die Umsetzungsbelange von Ländern und Kommunen insgesamt besser berücksichtigen", versprach die Ministerin und stellte darüber hinaus fest, dass die Fristenverlängerung nur der erste Schritt sei. In einem zweiten sollen auch die Mittel für Investitionen erhöht werden, sagte Prien.
Die AfD-Fraktion kritisierte grundsätzlich, dass aufgrund ökonomischer Umstände beide Elternteile heute gezwungen seien, zu arbeiten. "Der Staat schickt sich hier als Problemlöser an für Probleme, die der Bürger ohne ihn gar nicht hätte", sagte Christian Zaum (AfD). Eltern hätten oft nicht die Wahlfreiheit, von der die anderen Fraktionen sprächen. "Dadurch werden Familien eher nicht gestärkt", fügte er hinzu.
Mit dieser Position steht die AfD im Bundestag recht allein da. So erklärte für die SPD-Fraktion Jasmina Hostert: "Die Realität im Jahr 2025 ist so, dass wir Frauen gerne Mütter sind, aber wir sind auch gern erwerbstätig." Der Ganztag werde kommen und "wir werden mit dem Sondervermögen kraftvoll in moderne Schulen investieren", so Hostert.
Genau das verlangten auch die Grünen und die Fraktion Die Linke von der Regierung: "Ganztag ist kein nice-to-have, es ist ein zentraler Faktor für die Vereinbarkeit der drei Ks: Kinder, Küche und Karriere", erklärte Anja Reinalter von den Grünen. Wenn die Bundesregierung nicht schnell zusätzliche Mittel bereitstelle, starte sie halbherzig und bleibe hinter dem zurück, was sie im Koalitionsvertrag versprochen habe, fügte sie hinzu.
Union: Wer die Ganztagsbetreuung braucht, soll das Angebot bekommen
Ähnlich argumentierte auch Nicole Gohlke (Die Linke): "Wir müssen es uns mal auf der Zunge zergehen lassen: Wir leben in einem der reichsten Länder der Welt und wir müssen im Jahr 2025 ernsthaft darüber diskutieren, ob es uns gelingen kann, ab 2026 für Erstklässler eine Ganztagsbetreuung bereitzustellen. Das ist wirklich peinlich."
Anne König wies für die CDU-Fraktion den Vorwurf, es gebe keine Wahlfreiheit für Eltern, zurück: "Eine Fremdbetreuung ist kein Zweck an sich und sie ist anderen Betreuungsmodellen auch nicht überlegen. Aber wer ein Ganztagsangebot braucht, dem wollen wir das Angebot garantieren." Hätten Eltern diese Möglichkeit nicht und blieben aus diesem Grund zu Hause, würde dringend benötigtes Fachkräftepotenzial verschenkt, betonte sie.
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