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Foto: picture-alliance/dpa/Boris Roessler
Cannabisblüten enthalten die im menschlichen Gehirn wirksamen Cannabinoide Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD).

Legalisierung von Cannabis : Fachverbände sehen Legalisierung teils kritisch

In einer Expertenanhörung zum Cannabisgesetz hat es teils scharfe Kritik an der geplanten Legalisierung gegeben.

09.11.2023
2024-03-14T13:45:20.3600Z
5 Min

Die geplante Legalisierung von Cannabis zu Konsumzwecken stößt bei einigen Fachverbänden auf Skepsis und Ablehnung. Ärztefachverbände lehnen die kontrollierte Abgabe der Droge für den privaten Konsum ab. Sowohl der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) als auch die Bundesärztekammer (BÄK) begründeten ihre Haltung in einer Expertenanhörung über das Cannabisgesetz der Bundesregierung am Montag insbesondere mit der Gefährdung von Kindern und Jugendlichen. Andere Sachverständige würdigten hingegen den mit der Reform einhergehenden Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik und forderten teilweise eine noch weitergehende Freigabe. Die Experten äußerten sich in der Anhörung des Gesundheitsausschusses sowie in schriftlichen Stellungnahmen.

Legaler Besitz soll in Grenzen erlaubt werden

Erwachsenen soll künftig der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis für den Eigenkonsum erlaubt sein. Möglich werden soll zudem der private Eigenanbau von bis zu drei Cannabispflanzen zum Eigenkonsum. Außerdem dürfen nichtgewerbliche Anbauvereinigungen Cannabis künftig anbauen und limitiert an ihre Mitglieder zum Eigenkonsum weitergeben. Dafür gelten strenge Vorschriften. Der Entwurf sieht ferner Konsumverbotszonen vor, um Kinder und Jugendliche zu schützen.

Die BÄK erklärte, die formulierten Ziele des Gesetzentwurfs würden mit den vorgesehenen Regelungen nicht erreicht. Es sei keine realistische Erwartung, dass Kinder und Jugendliche vor einem Zugang zu Cannabis wirksam geschützt werden könnten. Die Regelungen zum Gesundheitsschutz, zum Kinder- und Jugendschutz sowie zur Prävention führten nur zu einem erheblichen Kontrollaufwand bei ohnehin überlasteten Behörden. Die BÄK wertete die geplante Legalisierung als relevante Gefährdung der psychischen Gesundheit und der Entwicklungschancen der jungen Generation.

Sorge vor negativen Effekten

Ähnlich argumentierte der Verband der Kinder- und Jugendärzte. Es sei anzuerkennen, dass Kinder und Jugendliche auch künftig keinen Cannabis besitzen und konsumieren dürften. Auch die Entkriminalisierung des Konsums sei richtig. Der BVKJ gehe jedoch davon aus, dass die Freigabe von Cannabis für Erwachsene schwerwiegende negative Auswirkungen auf Jugendliche und Heranwachsende haben werde. Es sei nicht erkennbar, dass die vorgesehenen Schutzvorkehrungen kontrollierbar und durchsetzbar seien.

Skeptisch äußerte sich auch die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), die von Cannabis als einer nicht harmlosen Droge sprach. Cannabis könne, anders als früher angenommen, auch körperlich abhängig machen und berge insbesondere das Risiko, an einer Psychose zu erkranken. Das Ziel müsse daher sein, die Suchtprävention zu stärken und gesundheitliche Schäden durch Drogen bestmöglich zu reduzieren. Strenge Jugendschutzregelungen seien bei jeder Droge unerlässlich, ob Cannabis, Alkohol oder Tabak.

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Die Neue Richtervereinigung (NV) begrüßte das Anliegen des Entwurfs, weil eine Kriminalisierung des Besitzes von Cannabis zum Eigenkonsum nicht mehr zu rechtfertigen sei. Allerdings sollte die Vorlage optimiert werden. Sollten im Eigenanbau aus drei Pflanzen mehr als 25 Gramm Cannabis gewonnen werden, drohe eine normsinnwidrige Kriminalisierung von Erntenden. Es sei für Konsumenten zudem kaum erkennbar, ob sie sich gerade innerhalb einer 200-Meter-Konsumverbotszone befänden.

Der Deutsche Richterbund befürchtet eine deutliche Verschlechterung der Lage. Von einer Entlastung der Justiz könne keine Rede sein, denn der Handel mit Cannabis und die unerlaubte Einfuhr stünden weiter unter Strafe. Darüber hinaus würden neue Straftatbestände geschaffen, die mit einem erheblichen Ermittlungsaufwand verbunden seien. Zu rechnen sei mit einem Missbrauch von Anbauvereinigungen und einer Stärkung des Schwarzmarktes. Auch der Kinder- und Jugendschutz werde geschwächt, weil der herabgesetzte Strafrahmen für Dealer weniger abschreckend wirke.

Massive Verschlechterung für Patienten?

Der Branchenverband Cannabiswirtschaft (BvCW) erklärte, es sei ein Irrglaube, dass sich der illegale Markt ohne Einbeziehung der Wirtschaft spürbar zurückdrängen lasse. Nur Akteure der Wirtschaft könnten durch Effizienz, Qualität und Verfügbarkeit "wettbewerbsfähig" zu illegalen Marktakteuren werden. Die Nutzungsmöglichkeiten für Industriehanf seien vielfältig, es sei an der Zeit, dieses Potenzial zu heben.

Für Patienten stelle der Entwurf eine massive Verschlechterung dar, weil die Abstandsregeln auch für sie gälten, gab der Verband zu bedenken. Die Einnahme von Cannabis als Medizin werde in dem Punkt mit dem Konsum von Cannabis als Genussmittel gleichgestellt. Das sei unverantwortlich.

Was ist Cannabis?

Teil der Hanfgewächse: Die Pflanze gehört zur Gattung der Hanfgewächse, eine Kulturpflanze mit psychoaktiven Wirkstoffen. Sie enthält viele unterschiedliche Wirkstoffe. Es gibt eine weibliche und eine männliche Form der Pflanze, selten zwittrige Varianten.

Hauptanbaugebiet ist Marokko: Nur die weibliche Form der Gattung "Cannabis sativa" enthält genügend Wirkstoff (THC) für einen Rausch. Für den europäischen Markt gilt Marokko als Hauptanbaugebiet. Etwa 70 bis 80 Prozent des in Europa gehandelten Cannabis stammen von dort.

Mehr als 4000 Jahre bekannt: Die Kunde von Cannabis als therapeutisches Mittel und Rauschmittel reicht 4.000 Jahre zurück und basiert auf Berichten aus China und Indien.



Der Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik (akzept) erklärte, es sei richtig und überfällig, den Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum, den privaten Eigenanbau und den gemeinschaftlichen Eigenanbau nebst Weitergabe von Cannabis in Anbauvereinigungen straffrei zu ermöglichen. Nicht sinnvoll sei es jedoch, den Konsum von Cannabis in Anbauvereinigungen zu verbieten, mit der Begründung, keine geselligen Orte mit erhöhten Konsumanreizen schaffen zu wollen.

Zudem seien die Auflagen für die Vereinigungen zu kleinteilig und bürokratisch. Für Patienten, die Medizinalcannabis verschrieben bekommen, sollte der Erlaubnisvorbehalt der Krankenkassen abgeschafft werden. Das forderten in der Anhörung auch andere Experten.

Hilfe für Reduzierung des Cannabis-Konsums gefordert

In der Anhörung machten Sachverständige deutlich, dass eine strafrechtliche Verfolgung von Cannabis-Konsumenten wie bisher nicht sinnvoll sei und negative Auswirkungen mit sich bringe. Besser seien Hilfen für die Reduzierung des Konsums. Ein Sprecher des Deutschen Hanfverbandes (DHV), gab zu Bedenken, dass nur rund zwölf Prozent der Konsumenten als Intensivnutzer gälten, die anderen Nutzer seien Gelegenheitskonsumenten. Es sollte daher möglich sein, Cannabis legal weiterzugeben.

Ein Vertreter der Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte ein Präventionspaket zugunsten der Verkehrssicherheit mit der Festsetzung eines niedrigen Grenzwertes. Die Auswirkungen des Cannabis-Konsums auf den Straßenverkehr würden bisher vernachlässigt.