Ein Viertel der Bevölkerung sind Raucher : Warum die Sucht trotz Verboten weiterlebt
Zigaretten richten als legale Droge großen Schaden an. Auch alternative Konsumformen wie E-Zigaretten oder Nikotinbeutel sind problematisch für die Gesundheit.
Es ist lange her, dass der Marlboro-Mann gelassen durch das deutsche Werbefernsehen reiten durfte. Seit 50 Jahren ist die TV-Tabakwerbung verboten. Auch dürfte die Botschaft, dass Rauchen gesundheitsschädlich ist, bei den meisten Menschen angekommen sein. Wer zum Arzt geht, wird in der Regel die Raucherfrage beantworten, denn Nikotinsucht hat negative Auswirkungen auf den gesamten Organismus. Gleichwohl sind insbesondere Zigaretten weiter stark verbreitet, als gäbe es da kein Problem.
Formuliert wird das Ziel einer rauchfreien Generation
Wegen der gesundheitlichen Schädigungen und hohen volkswirtschaftlichen Folgekosten, die der Gesundheitsökonom Anant Jani auf rund 100 Milliarden Euro jährlich allein in Deutschland schätzt, wird über eine stärkere Regulierung nachgedacht. Das Ziel einer rauchfreien Generation wird inzwischen sowohl in Europa wie auch in Übersee formuliert.

Mit dem Weltnichtrauchertag am 31. Mai macht die Weltgesundheitsorganisation jedes Jahr auf die drastischen Schäden durch Tabakkonsum aufmerksam. 2025 sollen die Strategien der Konzerne aufgedeckt werden, mit denen sie jungen Menschen die schädlichen Produkte schmackhaft machen wollen.
Die EU-Gesundheitsminister berieten im Dezember 2024 über einen strengeren Nichtraucherschutz im Freien und sprachen sich mehrheitlich für Rauchverbote an öffentlichen Orten aus, etwa in der Außengastronomie, auf Spielplätzen, in Freibädern, Krankenhäusern oder an Bushaltestellen. Ziel der EU-Kommission ist es, den Anteil der Raucher an der Bevölkerung bis 2040 auf unter fünf Prozent zu senken.
Jedoch sind gesetzliche Regelungen umstritten und werden von Lobbyisten der mächtigen Tabakindustrie bekämpft. Die global aufgestellten Tabakfirmen machen geschätzt rund 900 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr. Die Tabaksteuer bringt hohe Einnahmen, in Deutschland waren es 2024 rund 15,6 Milliarden Euro.
Nikotinbeutel sind beliebt und leicht zu bekommen
Tabakkonzerne setzen wegen des negativen Images auf neue, vermeintlich weniger problematische Produkte wie E-Zigaretten. Daneben werden Tabakerhitzer alternativ genutzt. Tabakfreie Nikotinbeutel (Pouches/Nicopods), die unter die Lippe geschoben werden, oder tabakhaltige sogenannte "Snus" (Chewing Bags) erfreuen sich ebenfalls einer wachsenden Anhängerschaft und sind schon wegen des teils hohen Nikotingehalts problematisch. Überdies werden Nikotinbeutel oft mit Aromastoffen versetzt, was die Gewöhnung an nikotinhaltige Produkte verstärken kann.
Nach Einschätzung der Krankenkasse DAK ist es fatal, Nikotinbeutel als "gesündere" oder "saubere" Alternative zu Zigaretten zu vermarkten. Das teilweise hoch dosierte Nikotin berge insbesondere für Kinder und Jugendliche, Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie für Schwangere und Stillende erhebliche Gesundheitsrisiken. Nikotinbeutel sind trotz des Verbots über ausländische Online-Anbieter leicht verfügbar.
Die Alternativen zur herkömmlichen Zigarette:
🚬 E-Zigaretten: Flüssigkeit (Liquid) wird elektrisch vernebelt und als Dampf inhaliert. Liquids können Nikotin und Aromastoffe enthalten, aber auch nikotinfrei sein.
🔥 Tabakerhitzer: Sie werden von einer Batterie betrieben, die Tabakstränge erhitzt. Die Dämpfe werden über ein Mundstück inhaliert.
👄 Nikotinbeutel: Sie werden unter die Lippe oder in die Backe gelegt. Die Beutel werden in verschiedenen Geschmacksrichtungen und mit unterschiedlichem Nikotingehalt angeboten. "Snus"-Beutel enthalten Tabak.
Viele Raucherkarrieren beginnen im Jugendalter, daher raten Suchtexperten, den Einstieg möglichst zu verzögern. In Deutschland ist das mit Werbeeinschränkungen, Preiserhöhungen und Präventionskampagnen teils geglückt. Der Anteil von Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren, die nie geraucht haben, ist von rund 40 Prozent im Jahr 2001 auf rund 83 Prozent 2021 gestiegen, wie aus einer Statistik der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hervorgeht. Laut dem Epidemiologischen Sucht-survey (ESA) von 2021 wird die Zahl der regelmäßigen Raucher ab 14 Jahren trotzdem noch auf rund ein Viertel der Bevölkerung geschätzt.
Nach Aussage von Lungenfachärzten liegt das Einstiegsalter zwischen 13 und 14 Jahren. Es gebe einen "harten Kern" von starken Rauchern (mehr als 20 Zigaretten am Tag), die entweder nicht aufhören wollten oder könnten. Lungenkrebspatienten gehören fast immer zur Gruppe der schwer abhängigen Raucher. An den Folgen des Rauchens sterben in Deutschland jährlich mehr als 127.000 Menschen, in der EU sollen es jährlich rund 700.000 Tote sein.
Kombination von Alkohol und Zigaretten ist fatal
Tabakrauch kann viele schwere Erkrankungen auslösen und verstärken, darunter Krebs, koronare Herzerkrankungen und die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD). Zu den Wirkungen des Nikotins gehören eine erhöhte Herzfrequenz, ein höherer Blutdruck und eine erhöhte Neigung zu Thrombosen. Der Tabakrauch führt zu einer vorzeitigen Hautalterung, schädigt das Zahnfleisch und fördert Parodontose und Karies. Zudem steigert Rauchen das Risiko für Osteoporose mit möglicherweise stark verminderter Mobilität.
Die Kombination von Alkohol und Tabak ist nach Angaben des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg besonders problematisch, weil sich die Drogen gegenseitig verstärken. Der kombinierte Konsum erhöhe die Wahrscheinlichkeit für einen vorzeitigen Tod.
„Jedes Jahr kostet die Tabakindustrie weltweit mehr als acht Millionen Menschenleben.“
Im Zigarettenrauch befinden sich neben dem giftigen Suchtstoff Nikotin weitere 4.800 chemische Substanzen, von denen viele krebserregend sind, darunter Teere, Chrom, Benzol, Arsen und Blei. Beim Rauchen werden auch Kohlenmonoxid, Blausäure, Stickoxyde und Dioxin freigesetzt.
Nikotin gelangt beim Rauchen über die Lunge in den Blutkreislauf und überwindet nach wenigen Sekunden die Blut-Hirn-Schranke. Im Hirn wird die Ausschüttung verschiedener Neurotransmitter angeregt, darunter Dopamin (Wohlgefühl), Noradrenalin (Wachheit), Serotonin (Stimmung) und ß-Endorphin (Angst- und Stressreduktion).
Der geschädigte Körper kann sich teilweise regenerieren
Sobald ein Raucher auf Tabak verzichtet, kann sich der Körper teilweise recht schnell wieder erholen. Nach Angaben des DKFZ geht bei einem Rauchverzicht das Risiko für Kehlkopf-, Mundhöhlen-, Speiseröhren-, Bauchspeicheldrüsen- und Blasenkrebs wieder zurück. Schon eine Woche nach dem Verzicht auf Zigaretten sinkt der Blutdruck. Zwei Jahre nach dem Rauchstopp hat ein früherer Raucher fast das gleiche Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie ein Mensch, der nie geraucht hat.
Wegen der heftigen Entzugserscheinungen werden viele Raucher aber rückfällig. Nach Angaben von Suchtforschern treten bei starken Rauchern als typische Entzugssymptome Kopfschmerzen auf, Nervosität und erhöhte Reizbarkeit. Da die pharmakologische Wirkung des Nikotins dazu führt, dass der Appetit unterdrückt wird, legen Menschen, die mit dem Rauchen aufhören, oft Gewicht zu.

Viele Kinder werden zum passiven Mitrauchen gezwungen. Auch Passivrauchen kann schwere gesundheitliche Schäden zur Folge haben.
Rauchen ist auch für alle Mitraucher schädlich, die den Rauch passiv einatmen. Das können Kinder oder Partner in einem Raucherhaushalt sein oder nichtrauchende Mitarbeiter in Raucherkneipen. Experten schätzen, dass sieben Prozent aller Kinder unter sechs Jahren zu Hause dem Passivrauch ausgesetzt sind. Nach Angaben der BZgA atmen Kinder in einem verqualmten Raum pro Stunde so viele Schadstoffe ein, als würden sie selbst rauchen.
Schadstoffe setzen sich in Kleidung, Tapeten, Teppichen, Vorhängen und Möbeln ab und bleiben selbst nach einem intensiven Lüften lange in der Luft. Auch über die Haut und Berührungen von Rauchern werden Giftstoffe weitergegeben. Viele Nichtraucher empfinden den Geruch von Tabakrauch als Zumutung.
Immense Umweltschäden durch weggeworfene Kippen
Säuglinge und Kinder, die regelmäßig passiv mitrauchen müssen, sind laut BZgA anfälliger gegenüber verschiedenen Krankheiten, darunter Mittelohrentzündung, Lungenentzündung, Bronchitis und Allergien. Wissenschaftler des DKFZ haben gezeigt, dass Kinder, deren Eltern rauchen, ein erhöhtes Krebsrisiko auch dann haben, wenn sie selbst als Erwachsene später nicht rauchen. Ferner können schwangere Frauen ihre Kinder durch Nikotin schwer schädigen.
Die massenhafte Verbreitung von Zigaretten führt auch zu immensen Umweltschäden, die wiederum gesundheitliche Folgeschäden auslösen. Zigaretten werden oft weggeworfen und verbreiten sich im Boden oder Wasser mitsamt ihren Giftstoffen.

1974 endete die Ära vom Marlboro-Cowboy und Camel-Mann: In Deutschland trat ein teilweises Werbeverbot für Zigaretten in Rundfunk und Fernsehen in Kraft.

Im Gegensatz zu Cannabis ist Alkohol schon lang eine akzeptierte, legale Droge in Deutschland. Doch die Folgen des Alkoholmissbrauchs sind teils drastisch.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) sind 2024 in Deutschland rund 66,2 Milliarden Zigaretten versteuert worden. Im langfristigen Vergleich zu 1991 (146,5 Milliarden Stück) hat sich der Zigarettenabsatz damit mehr als halbiert. Allerdings stellen achtlos weggeworfenen Kippen nach wie vor ein massives Umweltproblem dar.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt: "Jedes Jahr kostet die Tabakindustrie weltweit mehr als acht Millionen Menschenleben, 600 Millionen Bäume, 200.000 Hektar Land, 22 Milliarden Tonnen Wasser und 84 Millionen Tonnen CO2."
Rund 4,5 Billionen Zigarettenfilter verschmutzen jährlich die Umwelt
Tabakprodukte sind laut WHO der am meisten weggeworfene Müll auf der Erde. Rund 4,5 Billionen Zigarettenfilter verschmutzen demnach jährlich Meere, Strände, Flüsse, Bürgersteige, Parks und Böden. Zigarettenfilter enthalten Mikroplastik und stellen weltweit die zweitgrößte Form der Plastikverschmutzung dar. Die WHO hat die Staaten aufgefordert, ein Verbot von Zigarettenfiltern in Erwägung zu ziehen.
Auf die extreme Umweltbelastung durch Zigaretten geht auch die Krankenkasse Barmer ein, die sich teilweise auf die WHO bezieht. Um eine Tonne Tabak zu gewinnen, seien allein 2.925 Kubikmeter Wasser nötig. Die Organisation Ocean Conservancy berichtet, dass seit 1986 Zigarettenstummel jedes Jahr auf Platz eins der Müllrangliste stünden. Eine einzige Zigarette könne bis zu 1.000 Liter Wasser mit Nikotin verunreinigen. Tabakerzeugnisse sind nach Einschätzung von Experten aus gesundheitlicher, sozialer und ökologischer Sicht eigentlich keine ethisch vertretbaren Produkte.