"Migrationswende" der Koalition : Familiennachzug nur noch in Härtefällen
Die Koalitionspläne zur Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten stößt bei Grünen und Linken auf scharfe Kritik.
Die Koalition legt einen weiteren Baustein für die von ihr geplante “Migrationswende” vor. Den im Bundesinnenministerium formulierten Gesetzentwurf “zur Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten” hat der Bundestag am Freitag in erster Lesung beraten.
Laut Gesetzentwurf soll der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte - also jene Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, obwohl ihnen weder der Flüchtlingsschutz noch die Asylberechtigung gewährt werden kann, denen aber im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht - für zwei Jahre ausgesetzt werden. Zugleich soll eine Familienzusammenführung in Härtefällen weiterhin möglich sein.
Eine solche vorübergehende Aussetzung gab es schon einmal. Mit dem im März 2016 in Kraft getretenen Gesetz "zur Einführung beschleunigter Asylverfahren" wurde der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten zunächst für einen Zeitraum von zwei Jahren ausgesetzt, diese Aussetzung bis Ende Juli 2018 verlängert und danach durch die Begrenzung des Familiennachzugs auf 1.000 Visa pro Monat ersetzt. Dieses Kontingent ist seit Juni 2023 ausgeschöpft.

Eine Flüchtlingsfamilie mit drei Kindern in Frankfurt am Main: Der Familiennachzug zu subsidiär Geschützten soll nach dem Willen der Koalition für zwei Jahre ausgesetzt werden.
Grüne und Linke lehnen Neuregelung strikt ab
Daneben ist geplant, neben der Steuerung auch das Ziel der Begrenzung der Zuwanderung in das Aufenthaltsgesetz aufzunehmen. Auch hierbei handelt es sich um die Rückkehr zu einer alten Lösung. Diese Zielstellung war erst 2023 auf Betreiben der Ampel gestrichen worden.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sprach zu Beginn der Debatte von "notwendigen nationalen Maßnahmen", weil die Grenze der Integrationsfähigkeit Deutschlands erreicht sei. Die SPD trägt den Kompromiss aufgrund der Koalitionsdisziplin offenbar nur schweren Herzens mit.
Bei den Reden des Ministers wie auch des CDU-Innenexperten Alexander Throm rührte sich bei den Sozialdemokraten kaum eine Hand zum Applaus. Ganz klar gegen die neue Regelung positionierten sich Grüne und Linke, während bei der AfD von einer "Mogelpackung" die Rede war, weil nur zehn Prozent der Familiennachzüge in den Blick genommen würden.
Innenminister Dobrindt sieht konkrete Überforderung durch Migration
Dobrindt nannte die illegale Migration eine große Herausforderung für die gesamte EU. Daher brauche es europäische wie auch nationale Antworten. Zu letzteren gehört seiner Aussage nach die Neuregelung. Die Überforderung Deutschlands durch die illegale Migration sei an vielen Stellen sehr konkret. Die Aussetzung des Familiennachzugs ist laut Dobrindt auch ein Beitrag zum Abbau der Pull-Faktoren. Damit werde die Logik der Schleuserbanden - einer muss nach Deutschland durchkommen, dann kann nachgezogen werden - durchbrochen, sagte er.
„Familiennachzug ist kein Gnadenakt, sondern Voraussetzung für Teilhabe.“
Bernd Baumann (AfD) sprach von Wählertäuschung. Während die Union vom Ende des Familiennachzugs rede, gehe es tatsächlich nur um die Aussetzung des Nachzugs für subsidiär Schutzberechtigte - und damit nur um zehn Prozent der über den Familiennachzug nachkommenden "120.000 zusätzlichen Migranten pro Jahr".
Zudem werde deren Aufnahme nur zwei Jahre aufgeschoben. Baumann erinnerte daran, dass es auch 2016 schon eine solche Regelung gab. Sie sei absolut wirkungslos gewesen. Auch damals habe die Union "die Migrationswende nur vorgetäuscht", sagte der AfD-Abgeordnete.
Grüne: Menschliches Leid und verhinderte Integration
Die Regelung sei "als Teil eines größeren Kompromisses getroffen worden", sagte Rasha Nasr (SPD). Festzustellen sei aber, dass es hier konkret um Familien gehe, "die nun auf lange Zeit voneinander getrennt bleiben". Das hinterlasse Spuren - bei den Menschen selbst aber auch in der Gesellschaft. Nasr nannte die Härtefallregelung einen wichtigen Baustein. Diese Möglichkeit müsse aber auch tatsächlich genutzt werden können und dürfe nicht an zu hohen Hürden scheitern.
Schahina Gambir (Grüne) verwies auf die "dramatischen Folgen" des Gesetzes für Familien. Die Aussetzung bedeute menschliches Leid und die Verhinderung der Integration. Wer dauerhaft von seiner Familie getrennt sei, lebe in einer Perspektivlosigkeit. "Familiennachzug ist kein Gnadenakt, sondern Voraussetzung für Teilhabe", sagte Gambir, die die SPD dafür kritisierte, einer Regelung zuzustimmen, die sie vor wenigen Wochen noch abgelehnt habe.
Linke nennt Gesetz antichristlich und familienfeindlich
Antichristlich und familienfeindlich sei das Gesetz, befand Clara Bünger (Linke). Nicht umsonst zählten die Kirchen zu seinen schärfsten Kritikern. Bünger warf dem Innenminister vor, ständig von illegaler Migration zu sprechen, aber nun die letzten legalen Wege abschaffen zu wollen. "Das ist nicht nur zynisch, sondern auch juristisch nicht haltbar", sagte die Linken-Abgeordnete.
Throm wies darauf hin, dass die Zahlen beim Nachzug zu subsidiär Schutzberechtigten die Zahlen des Nachzugs zu Flüchtlingen laut der Genfer Flüchtlingskonvention überstiegen. Er sprach von einem "erheblichen Pull-Faktor". Deshalb sei Deutschland Hauptzielland von syrischen Flüchtlingen in Europa, so der Christdemokrat.