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Foto: picture alliance/Caro/Bastian
Einbürgerungsfeier in Bremen. Die Regeln für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit bleiben weiter umstritten.

Staatsangehörigkeitsrecht : Viel Kritik an AfD-Vorstoß zu Einbürgerungen

Mit ihrem Ruf nach einer massiven Verschärfung des Staatsangehörigkeitsrechts stößt die AfD auf heftigen Widerspruch der anderen Fraktionen.

23.05.2025
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4 Min

Wer kann in Deutschland eingebürgert werden, unter welchen Voraussetzungen? Die Frage gehört seit Jahrzehnten zu den Streitthemen der deutschen Politik, und Konfliktpotenzial birgt sie auch in der neuen Legislaturperiode des Bundestages. In ihrem Koalitionsvertrag haben Union und SPD vereinbart, die von der Ampel-Koalition im Januar 2024 bei der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts eröffnete Möglichkeit der "Turboeinbürgerung" nach drei Jahren bei "besonderen Integrationsleistungen" wieder abzuschaffen. Darüber hinaus soll es auch unter Schwarz-Rot bei der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts bleiben, zu der neben einer generellen Hinnahme von Mehrstaatigkeit auch gehörte, dass eine Einbürgerung in der Regel bereits nach einem Aufenthalt von fünf statt vorher acht Jahren möglich ist.

AfD fordert Rücknahme der “Doppelpass”-Regelung

Der AfD-Fraktion geht dieser Kompromiss längst nicht weit genug; sie dringt auf eine "Reform der Einbürgerungspolitik als Voraussetzung einer wirklichen Migrationswende". In einem Antrag, der am Donnerstag erstmals auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums stand, fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf zu einer neuerlichen Reform vorzulegen, mit dem die Anspruchseinbürgerung gestrichen und durch eine "am Interesse des Gemeinwesens ausgerichtete Ermessenseinbürgerung ersetzt" wird. Diese soll nach dem Willen der Fraktion frühestens nach zehn Jahren legalen Aufenthalts in Deutschland erfolgen können.

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Auch soll der Erwerb der Staatsangehörigkeit kraft Geburt dem Antrag zufolge auf die Kinder zumindest eines deutschen Elternteils beschränkt und demgemäß Paragraf 4 Absatz 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG), der Kindern ausländischer Eltern bei Geburt im Inland die deutsche Staatsangehörigkeit gewährt, gestrichen werden. Daneben plädiert die Fraktion dafür, dass die Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit wieder zur "regelhaften Voraussetzung einer Einbürgerung" und die generelle Hinnahme von Mehrstaatigkeit damit zurückgenommen wird.

Einbürgerung soll laut AfD an gute Sprachkenntnisse geknüpft sein

Zudem wird die Bundesregierung in dem Antrag aufgefordert, in dem Gesetzentwurf zu regeln, dass das Asylverfahren sowie der humanitäre Aufenthalt nicht mehr als "gewöhnlicher Aufenthalt" im Sinne des für eine Einbürgerung nötigen Mindestaufenthalts in Deutschland gezählt werden. Des Weiteren spricht sich die Fraktion dafür aus, dass eine Einbürgerung künftig Sprachkenntnisse auf dem Niveau C1 des Europäischen Referenzrahmens erfordert.

Darüber hinaus soll jede rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung wegen eines Vorsatzdeliktes unabhängig von der Höhe der Strafe laut Vorlage ein Ausschlussgrund für eine Einbürgerung sein. Schließlich macht sich die Fraktion dafür stark, die "Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse" wieder als Voraussetzung einer Einbürgerung zu fordern.

In der Debatte warf Gottfried Curio (AfD) der Union vor, im Koalitionsvertrag am Regelanspruch auf eine Einbürgerung nach fünf Jahren Aufenthalt nichts geändert zu haben. Auch sonst habe es "kein einziger der von der Union angeblich geforderten Punkte in den Koalitionsvertrag geschafft", kritisierte er. Das sei kein Kompromiss, sondern "antideutsche, linke Politik". Dabei forciere das geltende Staatsbürgerschaftsrecht "mit regelhaftem Doppelpass und mangelhaften Integrations- und Einbürgerungsbedingungen den Weg in die Multiminoritätengesellschaft".

Union wirft AfD ein "ethnisches Volksverständnis" vor

Detlef Seif (CDU) entgegnete, dass der Antrag das "ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis" der AfD erkennen lasse. Menschen, die diesem ethnischen Volksverständnis nicht entsprechen, wolle die AfD nicht in Deutschland haben. Das sei "zutiefst abzulehnen". Seif betonte zugleich, dass für eine Einbürgerung "sehr hohe Anforderungen" gälten. So müssten eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis beziehungsweise eine Niederlassungserlaubnis bestehen und darüber hinaus weitere Voraussetzungen erfüllt sein. "Von den mehreren Millionen Menschen, die in der Tat hier sind, wird, selbst wenn sie noch länger hierbleiben, nur ein geringer Bruchteil - sieben bis zehn Prozent, vielleicht 15 Prozent - überhaupt in der Lage sein, eine Einbürgerung zu beantragen", betonte er.


„Für die AfD sind Menschen mit Migrationsgeschichte immer nur Deutsche zweiter Klasse.“
Hakan Demir (SPD)

Filiz Polat (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, bei der Staatsangehörigkeit gehe es nicht bloß um einen Verwaltungsakt, sondern um Zugehörigkeit, Identität und Demokratie. Es sei ein "längst überfälliger Schritt" gewesen, dass die Ampel-Koalition in der vergangenen Legislaturperiode die doppelte Staatsbürgerschaft ermöglicht habe. Damit hätten Menschen, "die seit Jahren hier leben, arbeiten, Kinder großziehen, sich längst als Teil dieser Gesellschaft fühlen, sich hier zu Hause fühlen", endlich die Möglichkeit bekommen, "auch rechtlich dazuzugehören". Dies habe zu einem "regelrechten Boom bei den Einbürgerungen" geführt. 

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"Statt sich zu freuen, dass Menschen sich zu unserem Land bekennen", mache die Union jedoch Stimmung gegen die "privilegierte Einbürgerung" von Menschen mit besonderen Integrationsleistungen. Eine lebendige Demokratie erkenne man aber auch daran, "ob sie bereit ist, Zugehörigkeit zu ermöglichen". Wenn "Wohnbevölkerung und Wahlbevölkerung auseinanderdriften", müsse "Einbürgerung und nicht Ausgrenzung" die Antwort sein.

Hakan Demir (SPD) warf der AfD vor, für sie seien Menschen mit Migrationsgeschichte "immer nur Deutsche zweiter Klasse". Die AfD habe "Schwierigkeiten damit, dass die Menschenwürde für alle Menschen in Deutschland gilt", und ertrage es nicht, "dass Deutsche vielfältige Geschichten in sich tragen". 

Linke fordert Wahlrecht für alle mit Lebensmittelpunkt in Deutschland

Demir begrüßte zugleich, dass es in den Koalitionsverhandlungen gelungen sei, die Hinnahme mehrfacher Staatsangehörigkeiten beizubehalten. Man habe ein Demokratiedefizit, wenn Millionen Menschen in Deutschland leben und arbeiten, "aber am Ende des Tages nicht mal den Bürgermeister ihrer Stadt wählen können". Auch sehe man, dass "Menschen, die den deutschen Pass haben, sich stärker einbringen" und der Arbeits- und Bildungserfolg wachse, wenn sie die Staatsbürgerschaft bekommen.

Für Die Linke bemängelte Ferat Kocak, die Reform der Ampel-Koalition beim Staatsbürgerschaftsrecht sei nicht weit genug gegangen. Seine Fraktion fordere die "deutsche Staatsangehörigkeit für alle, die hier geboren werden, für alle, die fünf Jahre hier leben, unabhängig vom Geldbeutel", und das Wahlrecht für alle Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben. Die schwarz-rote Koalition mache jedoch "mit der Abschaffung der sogenannten Turboeinbürgerung den Weg frei für die AfD und ihre Hetze" gegen Menschen, "die hier zu Hause sind, die hier arbeiten und das Land am Laufen halten".