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Tätigkeitsbericht 2024 vorgelegt : Wenn aus einer Petition ein Gesetz wird

Eingaben können zu Gesetzesänderungen führen, betont der Petitionsausschuss in seinem jüngsten Tätigkeitsberichts. Gleichzeitig sehen Abgeordnete Reformbedarf.

17.10.2025
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3 Min

Als Natascha Sagorski vor drei Jahren ihr ungeborenes Kind verlor, hätte sie schon am Tag nach der operativen Ausschabung des Fötus wieder arbeiten gehen müssen. Mutterschutz stand Frauen, die vor der 24. Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt erleiden, gesetzlich nicht zu. In ihrem Fall war es schließlich ihr Hausarzt, der sie krankgeschrieben hat. Dennoch war ihr klar: Das kann so nicht bleiben. 

Sagorski wandte sich an den Petitionsausschuss des Bundestages. Das Gremium überwies ihre öffentliche Petition im November 2024 einstimmig mit dem höchstmöglichen Votum "zur Berücksichtigung" an die Bundesregierung. Im Januar 2025 wurde das Mutterschutzgesetz entsprechend angepasst.

Zahl der eingereichten Petitionen ist gesunken

Die Vorsitzende des Petitionsausschusses, Hülya Düber (CSU), war es, die am Donnerstag bei der Beratung des Tätigkeitsberichts des Petitionsausschusses für 2024 diese Petition als Beleg für die Wirksamkeit des Ausschusses in Erinnerung rief. Nicht jede Petition freilich ist so erfolgreich - das weiß auch Düber. Dennoch haben sich im Jahr 2024 9.260 Personen mit Eingaben an den Ausschuss gewandt. Das zeigt der Vorsitzenden zufolge das anhaltende Vertrauen der Bürger in den Petitionsausschuss "als wirkungsvolles Instrument demokratischer Teilhabe".


„Unser Auftrag ist es, seriös, neutral und wirksam zu handeln.“
Andreas Mattfeldt (CDU)

Auf der anderen Seite liegt diese Zahl knapp 19 Prozent unter der des Vorjahres. Die Erklärungsversuche dafür waren vielschichtig. Die Ausschussvorsitzende wie auch Daniela Rump (SPD) und Andreas Mattfeldt (CDU) verwiesen auf die schrillen und mit viel Marketing für sich Werbung machenden privaten Petitionsplattformen, auf denen es aber nicht die "Dreifach-Garantie" Annahme, Prüfung und Entscheidung gebe, wie Düber betonte.

Rump hält die Entwicklung für durchaus problematisch. "Wir sprechen hier nicht über eine einmalige Abweichung, sondern schon fast über einen Trend", sagte sie. Aus Sicht von Mattfeldt besteht jedoch "kein Grund zur Sorge". Der Petitionsausschuss konkurriere nicht mit solchen Show-Plattformen. "Unser Auftrag ist es, seriös, neutral und wirksam zu handeln", sagte er.

Reform von 2024 soll für mehr Bürgerbeteiligung sorgen

Andere Erklärungen für den Rückgang präsentierten Manfred Schiller (AfD) und Sören Pellmann (Linke). Der AfD-Abgeordnete sagte, offenbar fehle bei den Bürgern das Vertrauen, dass den Anliegen ihrer Petition tatsächlich gefolgt wird. Auch könnten sich die Petenten nicht sicher sein, dass ihre Petition überhaupt veröffentlich wird. Pellmann wies auf eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit hin. Selbst wenn der Ausschuss eine Petition einstimmig mit einem hohen Votum an die Bundesregierung überweist, müsse diese nichts davon umsetzen, sagte er.

Das liegt auch CDU-Mann Mattfeldt schwer im Magen. Er forderte einen Paradigmenwechsel. Ein einstimmiges hohes Votum sollte die Regierung nicht ignorierten dürfen, befand er. "Künftig sollte jedes betroffene Ministerium verpflichtet sein, sich vor dem Ausschuss zu erklären, warum eine Umsetzung nicht möglich ist", sagte der Unionsabgeordnete.

Der Petitionsausschuss des Bundestages

📫 Konstituierung vor 75 Jahren: Der erste Petitionsausschuss des Bundestages trat im Oktober 1949 zusammen. Aktuell gehören dem Gremium 26 Abgeordnete an.

📜 Besondere Stellung: Seit 1975 wird der Petitionsausschuss ausdrücklich im Grundgesetz genannt. Ein eigenes Bundesgesetz regelt die Befugnisse des Gremiums, etwa das Recht auf Auskunft und Aktenvorlage.

📝 Reform: Seit 2024 braucht es statt 50.000 Unterstützungen innerhalb von vier Wochen nur noch 30.000 innerhalb von sechs Wochen, damit eine Petition in öffentlicher Sitzung durch den Petitionsausschuss beraten wird.



Dass das Petitionswesen reformfähig ist, hat sich im Jahr 2024 gezeigt, indem die Regularien zur öffentlichen Beratung von Petitionen geändert wurden. Statt 50.000 Unterstützungen innerhalb von vier Wochen braucht es seitdem nur noch 30.000 innerhalb von sechs Wochen. Ein großer Erfolg sei dies, befand die SPD-Abgeordnete Rump. Für einzelne Personen sei das Quorum viel zu hoch und daher kaum erreichbar gewesen, sagte sie.

Man habe durch die Reform mehr Bürgerbeteiligung erreicht, sagte Corinna Rüffer (Grüne). Das sei gelungen, "weil sich alle untergehakt haben". Für Rüffer ist das ein Beleg dafür, dass sich "dieser Bundestag nicht nur im Hickhack der Parteieninteressen verliert, sondern in der Lage ist, tatsächlich für die Interessen der Menschen in diesem Land richtig was auf den Weg zu bringen".

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