Gespaltene Reaktionen auf das Rentenpaket : Die Debatte um die Haltelinie geht weiter
In einer Anhörung des Arbeitsausschusses gibt es wenig Überraschungen: Zwischen Union und SPD sorgen die Kosten des Rentenpakets noch immer für Streit.
Auch die Mütterrente ist teuer, in der Diskussion geht es aber vor allem um die Kosten der Haltelinie beim Rentenniveau.
Auch nach erster Lesung und öffentlicher Anhörung eines Gesetzentwurfes kann selbiger noch in den Tiefen des Parlaments verschwinden. Dem großen Plan der Kindergrundsicherung erging es während der Ampel-Koalition so. Aber dem Rentenpaket der schwarz-roten Nachfolgerregierung soll es auf keinen Fall so ergehen. Das zumindest bemühen sich die Spitzen der Regierungsfraktionen und -parteien fast täglich öffentlich zu betonen. Doch die Störfeuer aus den Fraktionen, aktuell vor allem von jenen Abgeordneten der Jungen Gruppe der CDU/CSU, sind noch keineswegs gelöscht. So groß war ihr Unmut über die aus ihrer Sicht ausufernden Kosten einer verlängerten Haltelinie beim Rentenniveau, dass sie Anfang Oktober eine Stellungnahme dazu verfasste, in dem sie den Gesetzentwurf als nicht zustimmungsfähig bezeichnete. Mit ihren 18 Mitgliedern hätte die Gruppe auf jeden Fall eine Blockademöglichkeit bei der Abstimmung.
Der Nachhaltigkeitsfaktor bleibt weiter ausgesetzt
Mit dem Gesetz wollen CDU/CSU und SPD das derzeit geltende Rentenniveau von 48 Prozent (Verhältnis der Rente eines "Standard-Rentners" nach 45 Beitragsjahren zum aktuell gültigen Durchschnittsverdienst) bis 2031 verlängern.
Ansonsten drohten deutlich sinkende Alterseinkommen, warnt die Regierung im Entwurf. Der Plan bedeutet, dass die Renten weiter entsprechend der Lohnentwicklung steigen, der Nachhaltigkeitsfaktor also weiter ausgesetzt bleibt. Dieser soll den Anstieg eigentlich bremsen, wenn demografiebedingt mehr Rentnern immer weniger Beitragszahler gegenüberstehen. Die Kindererziehungszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung soll künftig für vor 1992 geborene Kinder um weitere sechs Monate auf drei Jahre verlängert werden. Mit der Novelle würde die "Mütterrente" keinen Unterschied mehr nach Geburtsjahr des Kindes machen. Die sich aus diesen beiden Vorhaben ergebenen Mehrkosten von vielen Milliarden Euro will der Bund aus Steuermitteln erstatten.
Für Sozialverbände sind die 48 Prozent keine abstrakte Zahl
In der Anhörung, die der Ausschuss für Arbeit und Soziales zu Haltelinie und Mütterrente am Montag durchgeführt hat, war von dem Konflikt am langen Tisch der CDU/CSU-Fraktion nicht viel zu spüren. So routiniert, wie die Abgeordneten ihre Fragen stellten, so wenig überraschend antworteten die Sachverständigen: Arbeitgebernahe Verbände bedienten die Kritik der Jungen Gruppe an der Kostenfrage; die Gewerkschaften votierten klar für die Haltelinie und wussten sich dabei mit SPD, Grünen und Linken auf einer Linie.
„Das Rentenpaket ist schuldenfinanziert und die Schulden zahlen die Jüngeren.“
So stand für Ingo Schäfer vom Deutschen Gewerkschaftsbund fest: Am Gleichgewicht von Löhnen und Renten dürfe nicht gerüttelt werden, denn "dies ist auch für die jungen Beschäftigten ein Gewinn". Er forderte eine dauerhafte Stabilisierung des Rentenniveaus auch über 2031 hinaus. Magnus Brosig von der Arbeitnehmerkammer Bremen betonte, die Begrenzung des Beitragssatzes in der Rentenversicherung sei "kein Wert an sich". Für Versicherte hätten nicht die Beiträge, sondern die Leistungen Priorität. "Ein Rentenniveau von 48 Prozent ist keine abstrakte Ziffer", stellte Verena Bentele vom Sozialverband VdK Deutschland klar. "Bei Menschen mit wenig Geld ist die Rentenversicherung die Basis ihrer Absicherung im Alter", sagte sie.
Kritik äußerte dagegen Alexander Gunkel von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. In den nächsten Jahren könne sich die Bundesregierung ein solches Rentenpaket vielleicht noch leisten, aber wie es mit dem finanziellen Spielraum in 20 bis 30 Jahren aussieht, sei völlig unklar. "Das Rentenpaket ist schuldenfinanziert und die Schulden zahlen die Jüngeren", betonte er.
Die Pläne für die Haltelinie im Überblick
📑 Die Regierung will die Haltelinie von 48 Prozent bis 2031 verlängern. Sozialverbände fordern eine dauerhafte Haltelinie. Die Anrechnung von Kindererziehungszeiten soll nicht mehr nach dem Geburtsjahr des Kindes unterscheiden.
💰 Die Regierung beziffert die Kosten der verlängerten Haltelinie auf vier Milliarden Euro im Jahr 2029 und auf elf Milliarden Euro 2031.
🤰 Die Ausweitung der Mütterrente kostet ab 2027 fünf Milliarden Euro jährlich.
Martin Werding, Mitglied des Sachverständigenrates Wirtschaft und Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen, nannte die Haltelinie eine "Belastung für die jüngere Generation". Um die Rentenzuschüsse nicht ausufern zu lassen, könne das Sicherungsniveau der gesetzlichen Rente "kontrolliert abgesenkt" werden, wenn gleichzeitig die entstehende Lücke durch kapitalgedeckte Vorsorge geschlossen würde.
Am Donnerstag forderten 32 Wirtschaftsverbände in einem Brief den Stopp der Rentenpläne - wegen der Kosten. Die SPD konterte umgehend: Die Pläne würden wie geplant umgesetzt. Noch steht der Termin für die abschließende zweite und dritte Lesung des Gesetzentwurfes im Bundestag nicht fest, bis dahin geht die Zitterpartie weiter.
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