Lukratives Angebot für Rentner : Koalition wirbt für Rückkehr an den Arbeitsplatz
2.000 Euro steuerfrei pro Monat lautet das Versprechen der Aktivrente. Noch ist Überzeugungsarbeit nötig, wie die hitzige erste Lesung des Gesetzentwurfs zeigte.
Es sieht so aus, als hätten die Selbstständigen erstmal Pech gehabt. In einer Antwort auf eine Grünen-Anfrage schrieb die Bundesregierung diese Woche: Weil Selbstständige ohnehin schon oft im Rentenalter arbeiteten, wolle man zunächst das Potenzial der abhängig Beschäftigten heben. Die Grünen und nicht nur sie kritisieren den Gesetzentwurf der Bundesregierung für die Einführung einer sogenannten Aktivrente auch wegen der Begrenzung des Personenkreises, die in den Genuss dieser Neuregelung kommen soll.
Schwarz-Rot verteidigt die Begrenzung auf abhängig Beschäftigte
Der Gesetzentwurf sieht nämlich vor, den Verdienst von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die nach Erreichen des Rentenalters weiterarbeiten wollen, steuerlich zu begünstigen: Bis zu 2.000 Euro im Monat sollen demnach steuerfrei dazu verdient werden können. Das soll nach den bisherigen Plänen aber nicht für Selbstständige oder Beamte gelten. Das Ziel der Bundesregierung: Das Problem des Fachkräftemangels in den Griff zu kriegen. Ob das mit der Aktivrente gelingen kann, daran gibt es jedoch noch erhebliche Zweifel - nicht nur im Parlament.
Diesen Zweifeln zu begegnen, war deshalb ein Hauptanliegen von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) und der Redner und Rednerinnen der Regierungsfraktionen, als der Bundestag am Freitag erstmals über das Aktivrentengesetz debattierte.
So wandte sich etwa Fritz Güntzler (CDU) direkt an die Kritiker außerhalb des Parlaments, an die "Volkswirtschaftler", und erwiderte ihnen: "Lassen Sie es uns doch erstmal versuchen." Er verteidigte die Begrenzung auf abhängig Beschäftigte, denn "wir wollten jetzt etwas ändern, schnell reagieren". Eine Lösung für alle hätte zu lange gedauert, sei aber in Zukunft auch nicht ausgeschlossen, denn in zwei Jahren werde das Gesetz evaluiert, sagte er.
Die Aktivrente ist nur ein Baustein von vielen
Frauke Heiligenstadt (SPD) stellte klar, dass die Koalition sehr wohl wisse, dass mit der Aktivrente allein das Fachkräfteproblem nicht gelöst werde. Deshalb arbeite sie auch mit Hochdruck daran, das Arbeitskräftepotenzial von Frauen und Migranten stärker zu heben. Die Abgeordneten von Union und SPD bemühten sich, zu betonen, dass die Aktivrente nur ein Baustein von vielen sei, mit dem die Koalition die Rente reformieren und das wirtschaftliche Wachstum ankurbeln wolle.
Auch Finanzminister Klingbeil spannte den großen Bogen: "Wir sehen die Bedürfnisse und Rechte derjenigen, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben." Haltelinie, Betriebsrente und Aktivrente seien noch nicht das Ende. Die Rentenkommission werde für die Zukunft auch die Frage nach Lösungen beantworten, die "keinen Generationenkonflikt" erzeugen. Aber: "Wir dürfen diesen Generationskonflikt jetzt auch nicht herbeireden", warnte der Minister und versprach: “Wir werden dafür sorgen, dass auch den Rentnern der Zukunft eine auskömmliche Rente garantiert wird.”
„Das Märchen von der Unbezahlbarkeit des Sozialsystems ist und bleibt ein Märchen.“
Einen eigenen Antrag hatte die AfD-Fraktion beigesteuert. Darin geht es im Kern auch um einen steuerfreien Hinzuverdienst, der aber nicht für 24.000 Euro jährlich wie bei der Aktivrente, sondern nur für 12.000 Euro, dafür aber für alle Senioren, gelten soll. Gerrit Huy (AfD) verteidigte das als "angemessen und gerecht", wohingegen die Union völlig verlernt habe, Maß zu halten. Sie kritisierte den "unfassbar hohen Steuerfreibetrag" und die "extreme steuerliche Ungleichbehandlung von Jung und Alt" im Aktivrentengesetz. Außerdem könne es dafür sorgen, dass ältere Arbeit jüngere Arbeit in Betrieben verdränge, das dürfe nicht das Ergebnis sein, warnte sie.
Wirtschaftsverbände fordern Stopp des Rentenpakets
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen forderte Sascha Müller "Lösungen, die nicht nur auf dem Papier gut klingen". Während die Koalition davon ausgehe, mit der Aktivrente 180.000 Arbeitsplätze zu erhalten, gingen andere Schätzungen nur von einem Potenzial von 30.000 aus. Tatsächlich würden durch den demografischen Wandel aber jährlich 400.000 Arbeitskräfte fehlen, rechnete er vor und verwies auf "erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken" des Entwurfs.
Einen großen Bogen spannte auch Sören Pellmann (Die Linke), konzentrierte sich dabei aber vor allem, mehr als andere Redner, auf das Problem der Altersarmut. "Jeder fünfte Rentner lebt unterhalb der Armutsquote. Das ist das Ergebnis der Agenda 2010, die die Union nun mit einer Agenda 2030 noch toppen will", kritisierte er. Das Märchen von der Unbezahlbarkeit des Sozialsystem "ist und bleibt ein Märchen"; Fakt sei, dass der Anteil der Rentenausgaben am Bruttoinlandsprodukt seit Jahren stabil sei, so Pellmann.
Einen Tag bevor sich der Bundestag mit der Aktivrente befasste, schrieben 32 Wirtschaftsverbände einen offenen Brief an die Koalition und verlangten nicht nur den Stopp des Rentenpaketes. Sie forderten auch die Abschaffung der "Rente mit 63", also des vorzeitigen Rentenbeginns ohne Abschläge nach 45 Versicherungsjahren, und einen Anstieg des Renteneintrittsalters, gekoppelt an die Lebenserwartung.
Damit hatten sie der Rentendebatte dieser Woche weitere Forderungen hinzugefügt. Begonnen hatte diese am Montag mit zwei Anhörungen des Ausschusses für Arbeit und Soziales zur Verlängerung der Haltelinie, Ausweitung der Mütterrente und Betriebsrenten, gefolgt von einer Befragung von Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) am Mittwoch im Parlament und der Aktivrenten-Debatte. Ein Schlusspunkt - aber nur für die Woche.
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