
Hilfe bei Schulden : "Die Beratung muss kostenfrei sein"
Es gibt zu wenig Anlaufstellen bei Überschuldung, sagt Arbeiterwohlfahrts-Experte Thomas Bode. Er warnt davor, Entgelte für die Schuldnerberatung zu erheben.
Herr Bode, die Präsidentin der Arbeiterwohlfahrt (AWO), Kathrin Sonnelholzner, hat jüngst betont, Schuldnerberatung sei kein "Nice-to-have", sondern ein existenziell wichtiges Angebot der sozialen Daseinsvorsorge. Warum?
Thomas Bode: Viele Menschen in einer Überschuldungssituation haben existenzielle Sorgen. Sie befinden sich meist in einer Krise - das fühlt sich für niemanden gut an. Es geht um knallharte finanzielle Fragen: Wer überschuldet ist, lebt häufig an oder unter der Pfändungsfreigrenze. Wer Transferleistungen bezieht, lebt am Existenzminimum. Dann kommen die Gläubiger und wollen Geld sehen. Da muss man Prioritäten setzen - und wissen, welche staatlichen Regelungen es gibt. Dafür braucht es oft Unterstützung von außen. Die AWO betreibt bundesweit rund 140 Beratungsstellen, in denen Betroffene diese Unterstützung erhalten.
Wer kommt bei Ihnen in die Schuldnerberatung?
Thomas Bode: Schulden haben alle - wenn auch unterschiedlicher Art und in unterschiedlichem Umfang. Das reicht vom Professor bis zum obdachlosen, drogenabhängigen Menschen. Häufig kommen Menschen in der Mitte ihres Lebens zu uns. In dieser Lebensphase treten Überschuldungssituationen besonders oft auf.

Wie gehen die Schuldnerberaterinnen und Schuldnerberater an so eine Beratung heran?
Thomas Bode: Das ist unterschiedlich. Oft geht es zunächst um Existenzsicherung, wenn Menschen gar kein Geld mehr zum Leben haben oder etwa die Miete nicht gezahlt wurde. In einer ersten Phase sortieren wir, welche Anliegen wir bearbeiten können - also: Wo brennt es, wo muss gelöscht werden? In der zweiten Phase steht die Schuldenregulierung im Mittelpunkt: Was passiert mit meinem Schuldenberg? Wir begleiten die Betroffenen dabei, Regulierungswege zu finden. Ganz wichtig ist dabei der enge Beratungskontakt und die psychosoziale Begleitung.
Gibt es genügend Beratungsstellen für überschuldete Menschen in Deutschland?
Thomas Bode: Ganz klar: nein. In den letzten Jahren gab es stets zwischen 5,5 und 7 Millionen überschuldete Personen in Deutschland. Die wohlfahrtlich organisierten Schuldnerberatungsstellen, zu denen auch die AWO gehört, beraten etwa 600.000 Menschen im Jahr. Wir erreichen also bei Weitem nicht alle, die unsere Unterstützung dringend bräuchten.
Mit der Umsetzung der EU-Verbraucherkreditrichtlinie soll auch ein Anspruch auf Schuldnerberatung rechtlich garantiert werden. Wie beurteilen Sie dieses Vorhaben?
Thomas Bode: Das ist genau das, was die Fachwelt seit Jahren fordert. Grundsätzlich begrüßen wir das Vorhaben. Die Frage ist aber: Wie wird es umgesetzt? Dabei gibt es einige Punkte, die wir kritisch sehen.
Zum Beispiel?
Thomas Bode: Im Wesentlichen zwei. Erstens sieht der Entwurf vor, dass von Ratsuchenden begrenzte Entgelte erhoben werden können. So wie das formuliert ist, könnte das zu erheblichen Kosten für Betroffene führen - das lehnen wir ab. Zum einen wäre das eine Hürde, überhaupt in die Beratungsstellen zu kommen. Zum anderen würde sich der Charakter der Schuldnerberatung verändern. Wenn eine Stelle zugleich Schuldnerberatung und Inkassounternehmen wäre, entstünde ein struktureller Interessenkonflikt. Die Beratung muss kostenfrei sein.
„Es darf nicht vom Wohnort abhängen, welche Unterstützung man bekommt.“
Welchen zweiten Kritikpunkt haben Sie?
Thomas Bode: Wir fordern bundesweit einheitliche Regelungen für die Schuldnerberatung. Schon jetzt gibt es einen großen Flickenteppich, und der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Länder zuständig sein sollen, die wiederum an die Kommunen weitergeben können. Wir befürchten, dass es dann alles andere als einheitlich wird. Es darf nicht vom Wohnort abhängen, welche Unterstützung man bekommt.
Das wird sicherlich auch Geld kosten, oder?
Thomas Bode: Natürlich. Wenn man ein Angebot schaffen will, muss man es auch finanzieren. Eine Mitfinanzierung durch die Klientinnen und Klienten halten wir - wie gesagt - für falsch. Wenn politisch gewollt ist, dass mehr Ratsuchende den Weg in die Beratungsstellen finden, braucht es auch eine entsprechende Finanzierung. Im Gesetzentwurf werden keine zusätzlichen Kosten für Bund und Länder prognostiziert - das halte ich für unrealistisch.
Bei der Schuldnerberatung ist das Kind meist schon in den Brunnen gefallen. Wie wichtig sind Finanzbildung und Prävention?
Thomas Bode: Sehr wichtig. Auch die EU-Verbraucherkreditrichtlinie betont, dass Menschen nicht erst unterstützt werden sollen, wenn sie bereits in komplexen Überschuldungssituationen stecken, sondern deutlich früher. Wir denken dabei etwa an die Erwachsenenbildung, in der das Thema stärker verankert werden sollte - damit künftig weniger Menschen in die Überschuldung geraten.