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Buchrezension : Ariel Magnus: Tür an Tür

Der Schriftsteller Ariel Magnus über das "Tür an Tür" von nach Argentinien geflüchteter Juden im Zweiten Weltkrieg und Nazi-Sympathisanten oder Nazis.

02.05.2023
2024-01-11T14:33:05.3600Z
2 Min

Die Großeltern von Ariel Magnus haben selbst erlebt, zu welcher Belastung es werden kann, wenn man Nazis als Nachbarn hat. Im Stadtteil Belgrano, „dem deutschesten Kiez der argentinischen Hauptstadt“, wie Magnus schreibt, mussten sich seine Großmutter Lieselotte und sein Großvater Heinz in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts von dem über ihnen wohnenden Ehepaar Wagner immer wieder übel beschimpfen lassen. Mal habe es Bemerkungen wie „Hitler hat zu wenige von euch getötet“ gegeben. An anderen Tagen hätten die Wagners ihre jüdischen Nachbarn sogar mit Müll beworfen.

Schon vor 1945 zuhauf Nazi-Sympathisanten

„Tür an Tür“ heißt das Buch, das der argentinische Schriftsteller jetzt über Nationalsozialisten und Juden in seiner Heimat veröffentlicht hat. Das Einwanderungsland nahm sowohl Juden, die seit 1933 vor dem NS-Terror flüchteten, als auch Nazis, die sich nach 1945 der Strafverfolgung entziehen
wollten, relativ problemlos auf. Mit Menschen wie seinen Großeltern auf der einen Seite und dem Ehepaar Wagner oder noch viel schlimmeren Verbrechern wie Adolf Eichmann und Josef Mengele, der später nach Brasilien flüchtete, auf der anderen Seite entstand somit „ein einzigartiges kleines Deutschland, voller innerer Spannungen und Feindseligkeiten“. 

Nazi-Sympathisanten gab es in Argentinien allerdings schon vor 1945 zuhauf. Anders als in Deutschland konnten sich die Juden dort aber wehren. Als etwa die deutschsprachige Goethe-Schule in Buenos Aires ab 1933 unter NS-Einfluss geriet, gründeten Hitler-Gegner ihr eigenes Gymnasium, die Pestalozzi-Schule. Auf sie ging auch Ariel Magnus.


Ariel Magnus:
Tür an Tür.
Nazis und Juden im argentinischen Exil.
Kiepenheuer &Witsch,
Köln 2023;
176 S., 20,00 €


Es macht die Stärke des Buches aus, dass Magnus seine Schilderungen immer wieder mit seiner Familiengeschichte anreichert. Auch wenn bei manchen Zahlen, Daten und Fakten etwas mehr wissenschaftliche Fundierung nicht geschadet hätte, ist ihm doch ein anregendes Buch über das bizarre Nebeneinander von Juden und Nationalsozialisten im fernen Lateinamerika gelungen.

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