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Foto: DBT / Thomas Trutschel / photothek
Ihnen gelang mit Fotos und Texten aus dem DDR-Alltag ein Coup: Lutz Rathenow und Harald Hauswald (v.l.n.r.) am Dienstagabend im Gespräch mit Kristina Volke, Kuratorin und Leiterin der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages.

Ortstermin im Gedenkraum des Mauer-Mahnmals : Wie die DDR nach Texas kam - und zurück

Fotograf Harald Hauswald und Lyriker Lutz Rathenow im Gespräch über die DDR, ihren ikonischen Bildband und ein abenteuerliches Unterfangen.

18.09.2025
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4 Min

Bilder, Texte und eine irre Geschichte standen am Dienstag im Mittelpunkt einer Ausgabe der Veranstaltungsreihe "Fokusshows" der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages. Ort des Geschehens war der Ausstellungs- und Gedenkraum des Mauer-Mahnmals im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus des Bundestages an der Spree. Die Protagonisten: der Fotograf Harald Hauswald und der Lyriker Lutz Rathenow. Formaler Anlass des Zusammentreffens: Die Reihe "Fokusshows" präsentiert die am Kunstprojekt zu den Grundgesetzartikeln 1 bis 19 im "Forum Kunst" beteiligten Künstler mit eigenen Werk- und Gesprächsabenden. Hauswald hat beim Grundgesetz-Projekt den Artikel 8 zur Versammlungsfreiheit künstlerisch interpretiert.

Fotos gelangten 1987 auf konspirativem Weg in die USA

Einige der Bilder des bekannten, aus der DDR stammenden Fotografen sind, ebenso wie Textbeiträge von Rathenow, in dem mehrfach aufgelegten und mittlerweile als ikonisch geltenden Bildband "Ost-Berlin. Die andere Seite einer Stadt" überliefert. Der Band, der durch Westkontakte Rathenows bereits 1987 in München erscheinen konnte, erwischte die Staatssicherheit der DDR kalt - ausgerechnet zum 750-jährigen Stadtjubiläum Berlins. Der Band porträtiert Menschen und Momente in der Teilstadt der späten 1980er-Jahre. Die Ausstellung im Bundestag zeigt Band und Bilder sowie weitere Foto-Originale, die eine abenteuerliche Reise durch Raum und Zeit der jüngsten Geschichte hinter sich haben. 

Auf konspirativ-diplomatischem Weg gelangten sie aus der DDR in die USA, wurden dort in Austin/Texas in einer Ausstellung gezeigt. Dann gerieten sie, gut archiviert, in Vergessenheit und wurden erst 37 Jahre später von dem damaligen Kurator, museumsgerecht verpackt, an den Fotografen zurück ins längst wiedervereinigte Deutschland geschickt. Den beiden in der DDR verfolgten Künstlern war damals die Ausreise verweigert worden. Vor zwei Jahren habe ihn die Nachricht erreicht, "dass ich Fotos zurückbekomme, von denen ich gar nicht wusste, dass sie noch existieren", erzählte Hauswald an diesem Abend.

Bilder und Texte gäben "einen intimen Einblick" in das Ost-Berlin der untergehenden DDR, sagte Kristina Volke, Kuratorin und Leiterin der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages. Die Aufnahmen Hauswalds, "ob von Punks, Künstlern, Polizisten oder NVA-Soldaten", seien "von einer Zärtlichkeit und Freundlichkeit" und erweckten "nicht den Eindruck eines denunziatorischen Motivs". In einer "ganz feinen Weise" erzählten dazu die "sehr freundlichen, ja heiteren" Texte von dieser Stadt, "voller Freiheit in der Wahrnehmung, unabhängig von den Umständen.

Fotos und Texte schufen ein historisches Porträt der Stadt

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Hauswald berichtete, wie er für die DDR-Obrigkeit zum "bösen Buben" wurde. "Ich hatte einen Weg eingeschlagen, von dem es kein Zurück mehr gab. Das DDR-Leben war bedrückend. Das Fotografieren bot eine Möglichkeit, ein Ventil zu öffnen und einen Gegendruck zu erzeugen." Morgens sei er mit seiner Kamera losgezogen, durch Berlin, habe sich treiben lassen, neugierig auf die Welt, irgendetwas würde schon passieren. Er habe keinesfalls zum Ziel gehabt, den Dingen eine schlechte Perspektive zu geben. "Das ist dann so von der Stasi interpretiert worden".

Mit Hauswalds Fotografien wurde der Osten Teil des europäischen Erfahrungsraums

"Dann sind wir in deine Wohnung", so Hauswald zu seinem Ko-Autor Rathenow, "und haben die Fotos gesichtet. Ein Jahr lang haben wir das Buch zusammengestellt - und die Stasi hat es nicht mitgekriegt." Rathenow sagte, das Buch sei ein Versuch gewesen, die Stadt zu inszenieren und in der DDR "emanzipatorisch-künstlerisch" zu arbeiten, indem man Dinge zeigte, "die da sind". So wurden die beiden zu Chronisten, schufen ein historisches Porträt ihrer Stadt. 

Hauswald habe mit seinen traditionellen Schwarzweißfotos Alltagsfotografie gemacht, Menschliches, Kulturelles und Städtebauliches überliefert, und dabei "auch bewusst freche Aufnahmen" gemacht, sagte Rathenow. Trotz der Umstände der Unfreiheit schaffte es der Schriftsteller, den Werken Hauswalds im Westen mediale Resonanz zu verleihen. Es gab ein breites Interesse an den Fotos. Der Osten sei so bereits "Teil eines europäischen Erfahrungsraums" geworden, erklärte Lutz Rathenow.

Die Fokusshow "Harald Hauswald. Die TEXAS BOX" ist noch bis 31. Dezember 2025 dienstags bis sonntags zwischen 11 bis 18 Uhr zu besichtigen.