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Parlamentarisches Profil : Die Streiterin: Katrin Helling-Plahr

Katrin Helling-Plahr setzt sich für eine liberalere Regelung bei der Hilfe zur Selbsttötung ein und sieht auch eine "deutliche Tendenz" in der Ärzteschaft.

10.07.2023
2024-03-13T11:20:28.3600Z
3 Min

Ein zerknirschtes Gesicht sieht anders aus. Katrin Helling-Plahr kommt aus dem Plenum, es ist 18 Uhr, nach zig Stunden im Bundestag heute - und noch fünf Stunden vor ihr, in der letzten Sitzungswoche des Parlaments vor der Sommerpause. Und dazwischen eine Abstimmungsniederlage. "Zerknirscht wäre zu hart", sagt sie, "es hätte schlimmer kommen können".

Foto: Helling-Plahr

Mitwortführerin eines liberalen Ansatzes: Katrin Helling-Plahr ist Mitglied des Rechtsausschusses und rechtspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion.

Helling-Plahr, 37, rechtspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, hat mit Abgeordneten aus anderen Fraktionen einen Gesetzentwurf eingebracht, der keine Mehrheit fand; ein Gegenentwurf übrigens auch nicht. So bleibt alles erstmal, wie es ist: Beim Recht auf Hilfe zur Selbsttötung, aber ohne Regelungen in einem eigenen Bundesgesetz; zu uneins zeigten sich heute die Volksvertreter. "Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts habe ich die vergangenen 1.226 Tage mich dafür engagiert und um die beste Lösung gerungen", sagt sie. "Mehr hätte ich nicht tun können." Zwei Dinge lernt man aus diesen beiden Sätzen. Helling-Plahr hat nichts gegen Zahlen. Und ein Hauch von Müdigkeit durchweht den Gang vorm Abgeordnetenrestaurant. Langsam senkt sich die Abendsonne.

Palliativmedizin ist nicht der Weg für alle 

Helling-Plahr war Mitwortführerin eines liberalen Ansatzes bei der Hilfe zur Selbsttötung - aber mit Begleitung. "In der Ärzteschaft ist eine deutliche Tendenz erkennbar", sagt sie, "die Zeit spielt für uns". Es setze sich durch, dass Palliativmedizin nicht der Weg für alle sei. "Das Recht auf Sterben beschränkt sich nicht auf Schwerstkranke, und das Motiv ist nicht zu hinterfragen. Ein gesunder 36-Jähriger würde eben nicht in ein Hospiz gehen. Doch es wurme sie, dass es keine Beratungsstellen gibt, "und genügend Suizidpräventionsstellen haben wir auch nicht". Sie schüttelt den Kopf. "Schließlich hätte ich nicht gedacht, dass so viele Abgeordnete das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht achten."


„Das Recht auf Sterben beschränkt sich nicht auf Schwerstkranke, und das Motiv ist nicht zu hinterfragen.“
Katrin Helling-Plahr (FDP)

Seit Jahren beschäftigt sich Helling-Plahr mit Gesundheitspolitik. "Ich machte als Anwältin viel Arzthaftungsrecht und vertrat Patienten." Es habe sie erfüllt, Menschen zu helfen. Das Interesse für Medizinrecht war entfacht, "aber Blut kann ich nicht sehen". Die Rechtswissenschaft schien ihr in die Wiege gelegt worden zu sein, die Eltern sind Anwälte. "Meine Mutter spielte mit mir oft Rechtsanwalt, wir spielten dann Prozesse zum Beispiel über eine kaputte Waschmaschine durch." Helling-Plahr lernte, dass sie gern für Interessen streitet. Sie studierte Rechtswissenschaft und wurde Fachanwältin für Medizinrecht.

FDP-Beitritt mit 19 Jahren

Früh entwickelte sich politisches Interesse. Mit 12 ging sie mit ihren Eltern zu einer Wahlkampfveranstaltung der FDP, sie hörte mitunter die Reden von Hans-Dietrich Genscher und Guido Westerwelle. Besonders hellhörig wurde sie beim Thema Schulpolitik und dem Plädoyer fürs dreigliedrige Schulsystem und für talentgerechte Förderung. "Das gefiel mir. Anstatt allen Schülern dasselbe reinzudrücken, sollten sie in ihren Talenten gestärkt werden." Mit 19 trat sie der FDP bei, engagierte sich bei den Jungen Liberalen, zog in Kreis- und Bezirksvorstand der Partei. Und saß zwischen 2009 und 2017 im Rat der Stadt Hagen. "Born and raised in Hagen", heißt es bewusst stolz auf ihrer Website. "Meine Heimatstadt hat das Problem, dass sie sich schlechtredet. Dabei liebe ich ihre Vielfältigkeit, die tollen Menschen, das spannende Wirtschaftsleben." Sie wolle das Positive herausstellen. Ihr Lebenslauf mit den vielen Stationen und Aufgaben zeugt von einer gewissen Geschwindigkeit, die man im Gespräch nicht merkt. Da überwiegen Ruhe und eine Entspanntheit.

Irgendwann rief dann doch der Bundestag. Zweimal hatte sie erfolglos kandidiert, "das war im Vornherein klar gewesen, eher ein Hut-in-den-Ring-Werfen". Dann aber erhielt sie für die Wahl im Jahr 2017 einen vorderen Listenplatz. "Ich erfuhr, dass auch in der Gestaltung von Gesetzen ein Reiz liegt, um den Menschen zu helfen." Gibt es im Bundestag eigentlich zu viele Juristen? Sie überlegt einen Moment. "Mit Blick auf die Debatte um die Sterbehilfe: Nein." Und lächelt.