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FDP will Lieferkettengesetz aufheben : Erst dafür, dann dagegen

Nach dem Ampel-Aus fordern nicht mehr nur die Union und die AfD die Aufhebung des Lieferkettengesetzes, sondern auch die Liberalen. Das sorgt für Kritik.

06.12.2024
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3 Min

Noch im Oktober hatte die FDP einen Gesetzentwurf der Union zur Aufhebung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes abgelehnt. Nun haben die Liberalen selber einen solchen vorgelegt. Mehr als einmal mussten sie sich bei der Debatte zu ihrem Lieferkettenbürokratiefreiheitsgesetz und dem Lieferkettensorgfaltspflichtenaufhebungsgesetz der Union am Donnerstag diesen Meinungswechsel vorhalten lassen - sowohl von den ehemaligen Koalitionspartnern als auch von der Opposition.

Foto: picture alliance / imageBROKER

Das Lieferkettengesetz gilt seit dem 1. Januar 2023 für Unternehmen ab einer Größe von 3.000 Mitarbeitern, Es verpflichtet die Unternehmen, bestimmte Sorgfaltspflichten mit dem Ziel zu beachten, dass menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken minimiert werden.

Das Lieferkettengesetz gilt seit dem 1. Januar 2023 für Unternehmen ab einer Größe von 3.000 Mitarbeitern, seit dem 1. Januar 2024 für Unternehmen ab einer Größe von 1.000 Mitarbeitern. Es verpflichtet die Unternehmen, bestimmte Sorgfaltspflichten mit dem Ziel zu beachten, dass menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken vorgebeugt, minimiert oder beendet werden.

SPD wirft FDP “Ideologie mit der Brechstange” vor

Annika Klose (SPD) zeigte für die Ablehnung des Lieferkettengesetzes seitens der FDP kein Verständnis. Die von der Koalition im Rahmen der Wachstumsinitiative ursprünglich geplante "pragmatische Umsetzung der europäischen Standards", was für die SPD laut Klose "ein schmerzhafter Kompromiss" gewesen wäre, habe die FDP nicht mitgetragen. Dies zeige, dass es der Partei nicht um tragbare Kompromisse gehe, sondern darum, "ihre Ideologie mit der Brechstange durchzusetzen".

Besonders glaubwürdig sei das Verhalten der FDP nicht, befand Gerrit Huy (AfD). "Entweder Sie haben sich vorher verstellt oder Sie tun das jetzt", konstatierte sie. Statt dem Antrag der Union oder zwei in die gleiche Richtung zielenden Anträge ihrer Fraktion in den letzten Wochen zuzustimmen, habe die FDP die Unternehmen, "die händeringend auf diese Erleichterung warten", im Regen stehen lassen.

Kritik an weitergehenden EU-Richtlinie zu Lieferketten

Aus Sicht von Maximilian Mörseburg (CDU) versucht die FDP auf den letzten Metern vor der Bundestagswahl davon abzulenken, dass sie die noch viel weitgehendere EU-Lieferkettenrichtlinie nicht verhindert habe. Ebenso wie die geänderte Haltung der FDP zum Bürgergeld sei auch die Wendung beim Lieferkettengesetz den sinkenden Umfrageergebnissen der Partei geschuldet. "Das durchschaut jedes Kind", befand der Unionsabgeordnete.


„Wir haben eine Verantwortung für Menschenrechte und Umwelt in globalen Lieferketten.“
Jürgen Kretz (Grüne)

Ungeschoren kam aber auch seine Fraktion nicht davon. Es sei die Union gewesen, die das Gesetz 2021 auf den Weg gebracht habe, sagte Huy. "Die CDU wollte, dass deutsche Gesetzgebung in die ganze Welt hinaus reicht - zu Lasten deutscher Unternehmen", so die AfD-Abgeordnete.

Die Gemengelage bei SPD und Grünen ist bei dem Thema ebenfalls unübersichtlich. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hätten im Zusammenhang mit der Debatte der letzten Monate um das Lieferkettengesetz "viel versprochen, aber nichts umgesetzt", beklagte Wolfgang Kubicki (FDP).

Kubicki: Kanzler ist “ökonomisch ein Zwerg”

Scholz habe auf dem Arbeitgebertag im Oktober angekündigt, das Gesetz noch in diesem Jahr abzuschaffen. Habeck habe öffentlich erklärt, die "Kettensäge anwerfen und das ganze Ding wegbolzen" zu wollen. Bislang habe er aber eher den Eindruck, Habeck wolle mit der Kettensäge durch ganze Wirtschaftsbereiche schreiten, befand Kubicki. Über Scholz urteilte der FDP-Abgeordnete: Angesichts der dramatischen ökonomischen Zahlen und der Tatsache, "dass Deutschland Schlusslicht im Wachstumsranking der OECD ist", sei der Kanzler für ihn "ökonomisch ein Zwerg".

Dass sowohl Scholz als auch Habeck bei ihren öffentlichen Aussagen zum Lieferkettengesetz kaum Rückhalt in ihren Fraktionen haben, wurde im Verlauf der Debatte deutlich. Möglicherweise wurde aber auch die Aussage des Bundeskanzlers nur falsch interpretiert.

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Jürgen Kretz (Grüne) jedenfalls verteidigte das Lieferkettensorgfaltsgesetz vehement. "Wir haben eine Verantwortung für Menschenrechte und Umwelt in globalen Lieferketten", sagte er. Mit dem Gesetz habe man den richtigen Hebel, dieser Verantwortung gerecht zu werden.

Nach Einschätzung von Wolfgang Strengmann-Kuhn (Grüne) sind die Berichtspflichten das Problem, weil sie zu bürokratisch seien. Ändern will er das ausgerechnet mit einer neuen Berichtspflicht. Im Rahmen der demnächst kommenden Nachhaltigkeitsberichtspflichten sei geregelt, so Strengmann-Kuhn, dass künftig der Nachhaltigkeitsbericht ausreichend sein solle und es nicht noch zusätzlich einen Lieferkettenbericht geben müsse.

Abschaffung des Gesetzes noch in diesem Jahr?

Klose betonte, es gehe um ganz grundlegende Menschenrechts- und Umweltstandards. "Diese nicht einzuhalten, darf kein Wettbewerbsvorteil sein", sagte die SPD-Abgeordnete. Was die Haltung des Bundeskanzlers angeht, so sagte ihr Fraktionskollege Bernd Rützel, es sei genau richtig, was der Kanzler vorgebe. Scholz wisse, dass es keine doppelten Berichtspflichten brauche. Im Übrigen sei man gerade dabei, den Gestaltungsbereich des europäischen Lieferkettengesetzes vorzuziehen, sagte Rützel. Damit könnte die Aussage des Kanzlers, das deutsche Lieferkettengesetz bis Ende des Jahres abzuschaffen, tatsächlich noch wahr werden.