Hoher Bürokratieaufwand für die Wirtschaft : Das Lieferkettengesetz wird nicht abgeschafft
Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland ist schlecht. Warum das so ist, darüber streiten die Fraktionen im Bundestag. Das Lieferkettengesetz bleibt.
Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland ist schlecht. Warum das so ist, ist unter den Fraktionen umstritten, wie sich bei der wirtschaftspolitischen Debatte am Donnerstag zu drei Anträgen der Union zeigte. Ebenfalls umstritten ist die Frage, ob das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz außer Kraft gesetzt werden sollte, wie es ein Gesetzentwurf der Union verlangt.
Gesetz gilt seit dem 1. Januar 2023
Das Gesetz gilt seit dem 1. Januar 2023 für Unternehmen ab einer Größe von 3.000 Mitarbeitern, seit dem 1. Januar 2024 für Unternehmen ab einer Größe von 1.000 Mitarbeitern. Es verpflichtet die Unternehmen, bestimmte Sorgfaltspflichten mit dem Ziel zu beachten, dass menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken vorgebeugt, minimiert oder beendet werden.

Das Lieferkettengesetz soll unter anderem Unternehmen für Kinderarbeit in ihren weltweiten Geschäftsbeziehungen in die Verantwortung nehmen.
Die Gemengelage im Bundestag ist bei dem Thema ein wenig unübersichtlich. Die Union verlangt die Abschaffung, weil aus ihrer Sicht damit Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen verbunden sind, hat das Gesetz allerdings 2021 selbst mit auf den Weg gebracht. Das wirft ihr die AfD vor, die ebenfalls eine Abschaffung fordert. Die FDP wollte das Gesetz nie haben, lehnt aber den Antrag auf Abschaffung wiederum ab.
Grüne: Mit der Koalition wird es keine Abschaffung geben
Bei den Grünen ist die Lage so, dass ihr Wirtschaftsminister Robert Habeck das Gesetz nach eigener Aussage am liebsten mit der Kettensäge wegbolzen möchte. Der Sozialexperte der Fraktion, Wolfgang Strengmann-Kuhn, stellte hingegen in der Debatte fest, dass es mit der Koalition keine Abschaffung geben wird.
Ähnlich sieht es bei der SPD aus. Während Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung die Ansicht vertrat, das Gesetz sei "aus dem Ruder gelaufen", machte Bernd Rützel (SPD) vor dem Bundestag klar: “Die SPD steht zum Lieferkettengesetz.”
Lieferkettensorgfaltspflichten
📃 Der Gesetzentwurf “über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten” wurde am 11. Juni 2021 in namentlicher Abstimmung angenommen.
🤝 Das Gesetz gilt seit dem 1. Januar 2023 für Unternehmen ab einer Größe von 3.000 Mitarbeitern, seit dem 1. Januar 2024 für Unternehmen ab einer Größe von 1.000 Mitarbeitern. Es verpflichtet die Unternehmen, bestimmte Sorgfaltspflichten mit dem Ziel zu beachten, dass menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken vorgebeugt, minimiert oder beendet werden.
🗃️ Die im Gesetz festgelegten Berichtspflichten überfordern aus Sicht der Unionsfraktion die Unternehmen und sorgen für einen weiteren Bürokratieaufwuchs.
Wenig Einigkeit gab es auch in der Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung. Stefan Rouenhoff (CDU) befand, dass Deutschland das zweite Jahr in Folge schrumpfe, die Firmenpleiten anstiegen, Investoren das Land fluchtartig verließen und Industrieunternehmen allein 2024 zehntausende Stellen strichen, sei die "desaströse wirtschaftspolitische Bilanz der Scholz-Ampel nach drei Jahren Regierungsarbeit". Die Union habe schon vor Monaten konkrete Vorschläge unterbreitet, "damit Deutschland nicht sehenden Auges gegen die Wand fährt", sagte Rouenhoff. Die Ampel habe die Probleme in der deutschen Wirtschaft hingegen kleingeredet.
Grüne werfen Vorgängerregierung Versäumnisse vor
Aus Sicht von Sandra Detzer (Grüne) ist hingegen die wirtschaftliche Lage in Deutschland deshalb ernst, "weil unserer Exportnation die geopolitischen Spannungen zusetzen". Allein die Schwächung der chinesischen Wirtschaft bedeute um Milliarden geringere Umsätze für deutsche Unternehmen. Einen Seitenhieb gab es auch in Richtung Union. Vergangene Bundesregierungen hätten es versäumt, an den Standortfaktoren des Landes zu arbeiten, sagte Detzer und benannte die Themen Fachkräfte, saubere Energien, Bürokratieabbau sowie Geschäftsmodelle, die auf Digitalisierung und Dekarbonisierung setzen. Die gute Nachricht lautet aus ihrer Sicht: "Diese Koalition hat die Versäumnisse angefangen aufzuholen." An allen Baustellen werde gearbeitet, sagte die Grünenabgeordnete.
Norbert Kleinwächter (AfD) stimmte der Analyse der Union zu, dass es Deutschland immer schlechter gehe. Die Grundlagen dafür ließen sich jedoch allesamt auf Angela Merkel, auf Ursula von der Leyen - also auf die CDU zurückführen. Die schlimmste Rezession habe Deutschland 2010 gehabt - unter Angela Merkel. Das Verbrennerverbot stamme von der CDU - ebenso wie der Atomausstieg. Das gleiche gelte für die "EU-Vertragsbrüche" und auch das Lieferkettensorgfaltsgesetz. "Die CDU ist die Choreografin des deutschen Untergangs", sagte Kleinwächter. Die Ampelparteien seien lediglich die Vortänzer, die das auch noch performativ aufführten.
„Wir müssen die deutsche Wirtschaft wieder aufs Gleis setzen.“
Von Ideen aus der Vergangenheit sprach Esra Limbacher (SPD) mit Blick auf die aus dem Februar stammenden Anträge. "Das hilft doch Deutschland überhaupt nicht weiter", befand er. Limbacher sagte, Deutschland erlebe wirtschaftlich stürmische Zeiten. Die SPD kämpfe "um jeden Industriearbeitsplatz in diesem Land".
FDP wirbt für Wachstumsinitiative
Die deutsche Wirtschaft befinde sich in einer historischen Umbruchsphase. Umso dringender sei es, die Rahmenbedingungen "so zu stellen, dass Deutschland auch in Zukunft eine starke Industrienation bleibt, Arbeitsplätze gesichert werden und neue entstehen". Die Bundesregierung habe mit ihrer Wachstumsinitiative erste Anreize dafür gesetzt.
"Wir müssen die deutsche Wirtschaft wieder aufs Gleis setzen", forderte Reinhard Houben (FDP). Ein großer Beitrag dazu sei die besagte Wachstumschanceninitiative. Von der Union forderte Houben, die darin enthaltenen Maßnahmen im Bundesrat zu unterstützen. Das, so der FDP-Abgeordnete, sei viel wichtiger, "als eine Flut von alten Anträgen".
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