Russisches Staatsvermögen : Sorge um die Stabilität des Euro-Raums und den Abzug von Kapital
Gegen die Nutzung der russischen Vermögen für die Ukraine haben nicht nur EU-Staaten Bedenken. Auch Finanzexperten und Völkerrechtler warnen vor diesem Schritt.
Wochenlang haben die EU-Mitglieder darum gerungen und nun doch vorerst von dem Vorhaben abgelassen, das in Europa eingefrorene Vermögen der russischen Zentralbank direkt für die Ukraine zu nutzen. Auf dem EU-Gipfel in Brüssel haben sich die Staats- und Regierungschefs Donnerstagnacht vorerst für einen anderen Weg entschieden: Mit einem zinslosen Kredit über 90 Milliarden Euro soll der dringendste Finanzbedarf der Ukraine in den kommenden zwei Jahren gedeckt und dem Land eine Fortsetzung seines Abwehrkampfes gegen Russland ermöglicht werden. Die EU will das Geld am Kapitalmarkt aufnehmen und dann an die Ukraine weiterreichen. Ungarn, Tschechien und die Slowakei wollen sich nicht an den Kosten beteiligen.
Zentrale von Euroclear in Brüssel: Hier lagert ein Großteil des auf rund 210 Milliarden Euro geschätzten russischen Staatsvermögens in Europa.
Ganz vom Tisch ist die Idee, das festgesetzte russische Staatsvermögen als Entschädigung an die Ukraine umzulenken, damit aber nicht. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sagte nach dem Gipfel: "Die EU behält sich ausdrücklich vor: Sollte Russland keine Entschädigung leisten, werden wir - in völliger Übereinstimmung mit dem Völkerrecht - die russischen Vermögenswerte für die Rückzahlung heranziehen."
Belgien fürchtete Vergeltung und verlangte Garantien
Auf mehr als 200 Milliarden Euro werden die sogenannten "Frozen Assets" geschätzt, allein 185 Milliarden Euro verwaltet der belgische Finanzdienstleister Euroclear. Bisher hatte die EU nur die Zinsen aus diesen Mitteln genutzt, um der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen die russische Aggression unter die Arme zu greifen. Nach den Plänen von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sollten die Mittel direkt für ein "Reparationsdarlehen" für die Ukraine genutzt werden.
Auch Bundeskanzler Merz hatte dafür vehement geworben. Es gehe um ein entschlossenes Signal an Russland, um Geschlossenheit und die Handlungsfähigkeit Europas. Allerdings stieß der Plan auf massive Vorbehalte unter anderem in Italien, Bulgarien, Malta, zuletzt auch in Frankreich und vor allem in Belgien. Die Regierung in Brüssel fürchtete, dass ihr Land zum Ziel von Vergeltung wird und drängte auf Garantien der EU-Partner. Erst in der vergangenen Woche hatte die russische Zentralbank angekündigt, Euroclear verklagen zu wollen.
Völkerrechtler verweisen auf die Staatenimmunität
Auch unter Fachleuten ist der Schritt umstritten: Völkerrechtler verweisen auf die Staatenimmunität, die beim Zugriff auf Zentralbankvermögen verletzt sein könnte. Von Finanz- und Wirtschaftswissenschaftlern werden außerdem Sorgen um die Stabilität des Euro-Raums und Sorgen vor dem Abzug von Kapital durch ausländische Anleger als Argument gegen eine direkte Verwendung der russischen "Frozen Assets" ins Feld geführt.
Die EU-Staaten haben sich auf einen 90 Milliarden-Kredit für die Ukraine geeinigt. Die russischen Vermögen werden vorerst nicht angetastet, bleiben aber eine Option.
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