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Knut Abraham im Interview : "Weimarer Dreieck ist von zu großer Bedeutung für alle"

Trotz der Wahl des EU-Skeptikers Nawrocki zum Präsidenten, erwartet Polen-Experte Knut Abraham keine größeren Schwierigkeiten zwischen Paris, Berlin und Warschau.

13.06.2025
True 2025-06-13T11:43:19.7200Z
4 Min

#1

Herr Abraham, Polens Premier Donald Tusk hat am Mittwoch im Parlament die Vertrauensfrage gestellt und gewonnen. Ist damit, wie von ihm beabsichtigt, die Stabilität in seiner sehr heterogenen Mitte-Links-Koalition gesichert?

Knut Abraham: Ja, das Signal ist eindeutig: Die Mehrheit der Abgeordneten im Sejm hat der Regierung ihr Vertrauen ausgesprochen. Tusk hat über die Mehrheit seiner Koalition hinaus sogar eine Stimme einer unabhängigen Abgeordneten erhalten. Für Deutschland ist das eine gute Nachricht. Es bedeutet, dass wir einen verlässlichen Freund und Partner in Warschau behalten. Stabilität und Kontinuität sind weiter gewährleistet. 

Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress
Knut Abraham
ist CDU-Abgeordneter aus Brandenburg und neuer Beauftragter der Bundesregierung für die deutsch-polnischen Beziehungen. Zuvor war der Diplomat unter anderem an den deutschen Botschaften in Washington und Warschau tätig.
Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress

#2

Ist die Regierung nicht dennoch geschwächt? Polens neues Staatsoberhaupt, Karol Nawrocki, hat bereits „starken Widerstand aus dem Präsidentenpalast“ angekündigt. Mit seinem Veto kann er jedes neue Gesetz blockieren. 

Knut Abraham: Die Regierung ist nicht geschwächt, aber das Regieren wird durch die Kohabitation erheblich schwieriger. In welchem Umfang der neue Präsident von seinem Vetorecht Gebrauch macht, wird sich zeigen. Reformen der Tusk-Regierung wie etwa zur Gewährleistung des Rechtsstaates werden mit großer Wahrscheinlichkeit auf Widerstand stoßen. Ich bin aber sicher, dass beide Seiten Gespräche führen, um einen Modus Vivendi zu finden. Überdies stehen Tusk wie Nawrocki zu den Grundlinien der Außenpolitik, die das Verhältnis zu Deutschland bestimmen: die feste Einbindung Polens in EU und Nato sowie die Unterstützung der Ukraine.

#3

Bundeskanzler Friedrich Merz will die Zusammenarbeit mit Frankreich und Polen im Weimarer Dreieck neu beleben. Was wird daraus angesichts des EU-Skeptikers Nawrocki im Präsidentenpalast?

Knut Abraham: Ich bin sicher, dass der Bundeskanzler, ebenso wie Ministerpräsident Tusk und der französische Präsident Emmanuel Macron, diesen Weg weiter gehen werden. Blockaden oder größere Schwierigkeiten befürchte ich nicht. Die Zusammenarbeit dieser drei großen EU-Mitgliedsländer ist einfach von zu großer Bedeutung für alle, als dass das Weimarer Dreieck von innenpolitischen Herausforderungen in Mitleidenschaft gezogen werden sollte.

#4

Manch polnischer Kommentator sieht aber das deutsch-polnische Verhältnis vor einer Belastungsprobe. Teilen Sie die Befürchtung?

Knut Abraham: Wir müssen abwarten. Zu Andrzej Duda, dem gegenwärtigen polnischen Präsidenten, hat sich auf Ebene der Staatsoberhäupter trotz politischer Differenzen ein gutes Verhältnis entwickelt. Wenn es Bundespräsident Steinmeier und der zukünftige Präsident Nawrocki gelingt, dies fortzusetzen, bin ich optimistisch. Allerdings hängt viel davon ab, wie der neue polnische Präsident das deutsch-polnische Verhältnis gestalten will. 

#5

Nawrocki ist im Präsidentschaftswahlkampf mit antideutschen Tönen aufgefallen. Was kann Deutschland tun, um Ressentiments abzubauen und die deutsch-polnischen Beziehungen zu stärken?

Knut Abraham: Wir sollten uns vor allem unerbetene Ratschläge zur polnischen Innenpolitik sparen und stattdessen gemeinsam mit Polen Europas äußere Sicherheit noch mehr stärken – etwa über gemeinsame Initiativen zum Schutz kritischer Infrastrukturen in der Ostsee vor hybriden Bedrohungen. Auch verdienen unsere Grenzregionen mehr Aufmerksamkeit: In Doppelstädten wie etwa Frankfurt (Oder)/Słubice haben sich enge grenzübergreifende Verflechtungen entwickelt, die wir unbedingt erhalten müssen. Grenzkontrollen, wie aktuell politisch notwendig, sind natürlich eine Belastung und können nur temporär sein. Als Beauftragter für die deutsch-polnischen Beziehungen will ich mich mit den Verantwortlichen auch darum bemühen, die Auswirkungen auf den Straßenverkehr möglichst gering zu halten – etwa durch die Einrichtung von eigenen Spuren für Pendler, wo möglich.

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