"Rechtswidrig mit Ansage" : Grüne und Linke kritisieren Zurückweisungen an den Grenzen
Die Union verteidigt im Bundestag die verschärften Grenzkontrollen und Zurückweisungen von Asylsuchenden gegen die Kritik aus der Opposition.
Gleich dreimal hat die deutsche Migrationspolitik in dieser Woche das Bundestagsplenum beschäftigt: Am Mittwoch ging es um einen AfD-Antrag zu schärferen Regeln für Ausreisegewahrsam und Abschiebehaft, am Freitag um Regierungspläne zur Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Geschützten, und am Donnerstag stand die Zurückweisung Asylsuchender an den deutschen Grenzen im Fokus der Abgeordneten.

Ein Beamter der Bundespolizei kontrolliert am Donnerstag einen Kleintransporter bei der Einreise am deutsch-polnischen Grenzübergang von Küstrin-Kietz.
Dabei war der Streit um die von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) nach seinem Amtsantritt am 7. Mai angeordnete Verschärfung der Grenzkontrollen schon am Montag angeheizt worden durch einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin, das die Zurückweisung dreier somalischer Schutzsuchender an der Grenze zu Polen ohne Prüfung ihres Asylgesuchs als rechtswidrig einstufte. Nach am Donnerstag veröffentlichten Zahlen der Bundespolizei wurden in den vier Wochen nach der Verschärfung der Grenzkontrollen 160 Asylsuchende von Bundespolizisten zurückgewiesen.
Grüne und Linke dringen auf Einhalten von Asylgesetz und Dublin-Verfahren
Im Bundestag standen zu der Debatte erstmals Anträge der Grünen und der Linken auf der Tagesordnung, die Zurückweisungen Asylsuchender zu beenden. Die Grünen fordern in ihrem Antrag die Bundesregierung auf, "stattdessen Schutzsuchenden, insbesondere Vulnerablen, ein geordnetes, faires Verfahren zu gewähren und Schutzersuchen zu prüfen, wie im Asylgesetz und in der Dublin-III-Verordnung vorgesehen". Auch soll die Bundesregierung nach dem Willen der Grünen "die Heranziehung einer Bedrohungslage" nach Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) aufgeben, da sie rechtlich nicht haltbar sei.
„Unser Ziel ist, dass zukünftig weniger Menschen an unsere Grenze kommen, die zurückgewiesen werden müssen.“
In dem Linken-Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, die Weisung des Bundesinnenministeriums vom 7. Mai 2025 an die Bundespolizei zurückzunehmen "und EU-Asylrecht wieder einzuhalten". Es sei "in einem geregelten Dublin-Verfahren zu klären, welches Land für die Asylprüfung zuständig ist". Dies könne auch Deutschland sein, etwa bei hier lebenden engen Verwandten.
In der Debatte sagte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann, das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts zeige, dass an den Zurückweisungen "so ziemlich alles" europarechtswidrig sei. Der Beschluss des Gerichts sei eine "schallende Ohrfeige für einen nationalen Alleingang", der bei den Nachbarn Deutschlands maximale Irritation ausgelöst habe.
Union will an den Zurückweisungen festhalten
Es sei "rechtswidrig mit Ansage" und bleibe rechtswidrig, fügte Haßelmann hinzu und forderte eine Rücknahme der entsprechenden Anordnung Dobrindts. Für die betroffenen Schutzsuchenden und Bundespolizisten sei es eine Zumutung, seit dem Gerichtsbeschluss täglich zu hören, dass diese Anordnung weiter Bestand habe.
Alexander Throm (CDU) entgegnete, der Beschluss des Verwaltungsgerichts werde "selbstverständlich respektiert" und umgesetzt, aber nur so weit, wie die Zuständigkeit und Entscheidungskompetenz dieses Gerichts reiche, und nicht über die drei somalischen Staatsbürger hinaus. Deutschland sei seit Jahren Hauptziel illegaler Migration, und dies werde die Regierungskoalition auch durch Grenzkontrollen und Zurückweisungen beenden. Dies betreffe die Wahrung der öffentlichen Ordnung, um die es auch in Artikel 72 AEUV gehe.
Ziel der Regierungskoalition sei nicht, möglichst viele Menschen an der Grenze zurückzuweisen, betonte Throm. Ihr Ziel sei es vielmehr, dass künftig "weniger Menschen an unsere Grenze kommen, die zurückgewiesen werden müssen".
Christian Wirth (AfD) kritisierte, die Forderung nach einer Abschaffung der Grenzkontrollen sei "zu dieser Zeit die Forderung nach der Aufgabe der nationalen Souveränität, der inneren Sicherheit, des Sozialstaates und unseres kulturellen Erbes". Das Verwaltungsgericht Berlin habe entschieden, dass "die Notlage nach Artikel 72 AEUV" keine Rechtsgrundlage für die Zurückweisung sei. Die Union habe sich jedoch seit 2024 auf diese Notlage als Rechtsgrundlage für Grenzkontrollen und -schließungen versteift.
Dies sei eine "juristische Sackgasse", konstatierte der AfD-Abgeordnete. Solange die Europäische Union die Außengrenzen nicht schützen und kein wirksames Asylrecht installieren könne oder wolle, müsse die Bundesrepublik "zwingend deutsches Recht anwenden, um unsere Grenzen zu schützen".
SPD: Geflüchtete können sich nicht aussuchen, wo ihr Asylverfahren durchgeführt wird
Sebastian Fiedler (SPD) betonte, dass Flüchtlinge, die die Europäische Union als "Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts" erreicht haben, sicher seien. Sie könnten sich aber nicht aussuchen, wo ihr Asylverfahren durchgeführt wird. Dazu seien in Europa Zuständigkeitsregeln vereinbart worden, und "die gelten". Das europäische Recht gelte uneingeschränkt, "ungeachtet der Tatsache, dass sich viele nicht daran halten".
Fiedler sah zugleich auch Diskussionsbedarf innerhalb der Koalition. Er habe "Bauchschmerzen damit, wenn wir in die Welt ausstrahlen, hier herrsche eine Notlage", sagte der SPD-Parlamentarier. Er wolle nicht abstreiten, dass es in den Kommunen große Probleme gebe, aber mit dem Begriff der Notlage "sollten wir etwas zögerlich sein".
Für Die Linke kritisierte Clara Bürger, Dobrindt habe die Weisung erlassen, dass Schutzsuchende an den deutschen Grenzen ohne Prüfung ihres Asylgesuchs zurückgewiesen werden, und die Bevölkerung mit einer "erfundenen Notlage angelogen", die bis heute nicht belegt worden sei. Seine Politik habe jedoch vom Verwaltungsgericht Berlin eine "Klatsche bekommen".
Man erlebe einen “exekutiven Ungehorsam von oben, bei dem die Regierung Urteile ignoriert, EU-Recht beugt, Grundrechte aushöhlt und sich so über den Rechtsstaat stellt”, beklagte Bünger. Dies sei gefährlich und der "Anfang vom Ende einer liberalen Demokratie".
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