Streit um Finanzierung von Demokratieprojekten : Förderpraxis auf dem Prüfstand
Die Grünen knüpfen mit einem Antrag an das gescheiterte Demokratiefördergesetz der Ampel-Regierung an. Union und AfD unterstellen den Grünen Erziehungsabsichten.
Wie kann der Staat Initiativen für Demokratie wirksam unterstützen und nach welchen Kriterien sollte er sie auswählen? Diese Fragen standen am Donnerstag im Zentrum einer einstündigen Debatte über Demokratieförderung, der zwei Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zugrunde lagen. Während die Unionsfraktion und die AfD-Fraktion eine staatliche Dauerförderung zivilgesellschaftlicher Institutionen vehement ablehnten, kam von SPD und Linken Unterstützung für dieses Anliegen der Grünen.
Ginge es nach den Antragstellern, müsste sich die Bundesregierung auch gar nicht die Mühe machen, in einem langen Verfahren ein neues Gesetz zu erarbeiten. Hatte doch die Ampel-Regierung auf Betreiben von Grünen und SPD bereits ein Demokratiefördergesetz ausgearbeitet, dessen Zielrichtung der aktuelle Antrag der Grünen im Grunde übernimmt. Doch nach einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses Ende März 2023 blieb es im parlamentarischen Verfahren stecken und wurde vom vorzeitigen Bruch der Regierung eingeholt. Zu massiv war die Blockade durch die mitregierende FDP innerhalb der Koalition, aber auch außerhalb gab es starken Gegenwind von Union und AfD.
Der AfD ist “Demokratie leben!” schon lange ein Dorn im Auge
Insofern hat sich an der politischen Bewertung durch die einzelnen Parteien seitdem nicht viel verändert. Der große Unterschied ist nur: Heute regiert die CDU. Und als deren Bildungsministerin hat Karin Prien bereits angekündigt, die Verwendung von Steuergeldern in der Demokratieförderung neu ausrichten zu wollen. Bis zum Sommer 2026 soll es eine Evaluation des Bundesprogramms “Demokratie leben!” geben, zu dem die AfD-Fraktion seit langem regelmäßig Kleine Anfragen stellt und klar zu erkennen gibt, dass sie diese Förderung gern beendet sehen würde.
Auch Initiativen gegen Hass im Netz werden vom Bundesprogramm „Demokratie leben!“ gefördert; zum Beispiel „HateAid“, mit rund 425.000 Euro im Jahr 2025.
Die Bildungsministerin versicherte jedoch im Herbst, dass sie daran nicht im Entferntesten denke. Gleichwohl verteidigte sie die Evaluation damit, dass jede Regierung ihre eigenen Schwerpunkte setze. Für Prien bedeutet das: Konzentration auf Demokratiebildung und Extremismusprävention und weniger auf Vielfaltsgestaltung. Im Haushaltsplan ihres Ministeriums für 2026 wurden die Mittel für "Demokratie leben!" um 4,5 Millionen Euro gekürzt, sodass rund 186 Millionen Euro für zivilgesellschaftliche Projekte zur Verfügung stehen.
Unterschiedliche Ansichten zur Notwendigkeit des Gesetzes
In der Debatte stellte Schahina Gambir für die Grünen-Fraktion klar, dass der Rechtsextremismus die "größte Gefahr für unsere Demokratie" sei, denn immer erfolgreicher würden Rechtsextreme Jugendliche auf Online-Portalen manipulieren. "Das ist brandgefährlich", sagte sie, aber es müsse nicht so bleiben, wenn alle Demokraten an einem Strang ziehen würden. "Gehen Sie endlich in die Offensive, geben Sie der Zivilgesellschaft die Mittel, die sie braucht!", forderte sie von der Regierung. Demokratie jeden Tag zu verteidigen, sei eine "Daueraufgabe", die der Staat nicht allein bewältigen könne.
Eine scharfe Erwiderung folgte darauf von Konrad Körner (CDU). Er warf den Grünen vor, zum einen andere Extremismusformen als den Rechtsextremismus in dem Antrag zu vernachlässigen. Zum anderen, die Zivilgesellschaft in ihrer Unabhängigkeit zu bedrohen, indem sie an den staatlichen Geld-Tropf gehängt werden solle. "Sie wollen lenken und erziehen und fordern ein Gesetz, dessen Bedarf gar nicht belegt ist", sagte er. Eine institutionelle statt einer projektbezogenen Förderung würde den Wettbewerb politischer Bildung verengen, lautete seine Warnung.
AfD für Verbot der Antifa
Birgit Bessin (AfD) erneuerte die Forderungen ihrer Fraktion nach einem Verbot der Antifa und einer Abschaffung des Bundesprogramms "Demokratie leben!". Außerdem griff sie die Amadeu Antonio Stiftung scharf an und stellte deren Finanzierung in Frage. Es sei "lächerlich", diese "linke Lobbyinstitution" als einen "zivilgesellschaftlichen Akteur" zur Demokratiebildung zu bezeichnen. Die beste Demokratieförderung seit Jahrzehnten sei im Übrigen "unsere AfD", denn sie habe es geschafft, Millionen Menschen wieder an die Wahlurne zu bringen, sagte eine darüber sichtlich erfreute Bessin.
„Gehen Sie endlich in die Offensive! Geben Sie der Zivilgesellschaft die Mittel, die sie wirklich braucht.“
Ihre Fraktion hatte in dieser Woche außerdem einen Antrag für einen Untersuchungsausschuss in den Bundestag eingebracht, mit dem der Einfluss von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) auf die Politik untersucht werden soll. Der Antrag wurde ebenfalls am Donnerstag an den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zur Beratung überwiesen. SPD, Linke und Grüne sehen darin einen weiteren Versuch, zivilgesellschaftliche Initiativen zu diskreditieren.
Umso deutlicher sprang deshalb Felix Döring (SPD) den Grünen zur Seite. Er bezeichnete sich selbst als "Verfassungspatrioten", weshalb er eine emotionale Bindung zum Begriff der "wehrhaften Demokratie" habe. "Wir müssen die Präventionsarbeit all jener unterstützen, die jeden Tag für die Demokratie arbeiten", dann müsse man auch nicht hinterher mit repressiven Methoden auf demokratiefeindliche Aktionen reagieren, sagte Döring.
"Demokratie leben!" im Überblick
📑 Das Bundesfamilienministerium fördert seit 2015 im Rahmen von "Demokratie leben!" Demokratie- und Präventionsarbeit auf allen Ebenen des Staates und damit bundesweit hunderte Vereine und Initiativen, die sich für ein vielfältiges und demokratisches Miteinander einsetzen. Für 2026 stehen rund 186 Millionen Euro dafür bereit.
🔍 Auf der Homepage des Programms gibt es Informationen über jedes einzelne Projekt und über die Förderrichtlinien und -kriterien. Auch in vielen Antworten auf Anfragen der AfD-Fraktion erläutert die Regierung diese Praxis.
🤝 Gefördert werden unter anderem Initiativen gegen Hass im Netz, das Kinderhilfswerk, Beratungsstellen für Opfer rassistischer oder queerfeindlicher Gewalt, Projekte für Frauen in Not oder zur Medienbildung, aber auch Städte sowie Landesministerien, die mit den Geldern Projekte umsetzen.
Ein Demokratiefördergesetz sei "richtig und wichtig und bitter nötig", betonte Mandy Eißing (Die Linke). Es sei ein Koalitionsversagen der Ampel-Regierung gewesen, dass das Gesetz nicht beschlossen werden konnte. Es brauche endlich eine dauerhafte Förderung von Demokratieprojekten anstatt diese regelmäßig einer Zitterpartie und noch mehr Bürokratie auszusetzen oder "super funktionierende Projekte" gar ganz auslaufen zu lassen. Eißing kritisierte zudem einen "Generalverdacht gegen die Zivilgesellschaft".
Was die Grünen aktuell von der Bundesregierung erwarten
Konkret fordern die Grünen in einem Antrag von der Bundesregierung, "eine langfristige Perspektive für die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Präventionsarbeit" zu schaffen und dazu den Entwurf eines "Demokratiefördergesetzes" als bundesgesetzliche Grundlage vorzulegen. Mit diesem Gesetz sollen "die Förderung zivilgesellschaftlicher Arbeit zur Demokratieförderung, die Verteidigung einer vielfältigen Gesellschaft, die Prävention von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und die politische Bildung als staatliche Daueraufgabe von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung" festgeschrieben werden. Der Antrag wurde zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend überwiesen.
In einem zweiten Antrag fordert die Fraktion von der Regierung, "verfassungskonforme, rechtssichere und wirkungsvolle Verfahren zu entwickeln, mit denen Angehörige des öffentlichen Dienstes, die Mitglied der AfD sind, hinsichtlich ihrer Verfassungstreue überprüft werden können, um gegebenenfalls dienstrechtliche Maßnahmen zu ermöglichen". Diese Vorlage wurde vom Bundestag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD sowie der AfD-Fraktion auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Innenausschusses abgelehnt.
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