Demokratie im Alltag verteidigen : Junge Stimmen gegen den Hass
Ein außergewöhnliches Schulprojekt wird zur politischen Stimme: 27 Jugendliche aus Brandenburg schreiben Texte für Demokratie und gegen Extremismus.
"Meine Stimme ist eh unwichtig." - "Es kommen sowieso immer nur dieselben Parteien an die Macht." - "Die Versprechen der Politiker werden ohnehin nicht eingehalten." So beschreibt der 17-jährige Charly, was er von Freunden und Familie immer wieder hört. "Sie interessieren sich nicht für Politik, entziehen sich jeglicher Meinung, um sich nicht angreifbar zu machen, oder wenden sich von der Demokratie vollkommen ab", folgert er und appelliert, sich an Wahlen zu beteiligen: "Wir in Deutschland haben dieses Privileg, und es sollte genutzt werden."
Die Stimme des 17-jährigen ist eine von 27, die in dem Sammelband "#FürDemokratieGegenExtremismus" zu Wort kommen. Sie alle gehören Schülern der elften und zwölften Klassen am Friedrich-Engels-Gymnasium im brandenburgischen Senftenberg. Das gemeinsame Ziel: Zu zeigen, wie sie Demokratie im Alltag erleben, verteidigen und vermitteln wollen - in der Schule, im Freundeskreis oder online.
Kujacinski, Dona (Hg.):
#FürDemokratieGegenExtremismus.
Brandenburg-Buch,
Potsdam 2025,
214 S., 11 €
Was die Jugendlichen bewegt, ist vielfältig: Es geht um Fake News und politische Manipulation, um Antisemitismus, Rechtsextremismus und andere Hass-Ideologien, um Frauenrechte in Deutschland wie in Afghanistan, um persönliche Erfahrungen mit Gewalt und Angst.
Sammelband zeigt Blick der Schülerinnen und Schüler auf die Welt von heute und morgen
Und es geht um die Frage, inwieweit die Geschichte das Demokratieverständnis in der Bergbauregion in der Lausitz bis heute prägt. Um das herauszubekommen, ist ein Schüler tief in seine Familiengeschichte eingetaucht: Mit Eltern, Großeltern und Urgroßeltern bespricht er, ob sie gern in der DDR gelebt haben. Ja, sagen fast alle - weil es mehr Chancengleichheit und weniger "Neid und Materialismus" gegeben habe. "Ein ungezügelter Kapitalismus und die Gier vieler Menschen zerstören die schöne Idee der Demokratie", schreibt der 17-jährige Károly.
Auch die deutsche Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust sind wiederkehrende Themen. Beide wurden schon in einem Vorläuferbuch namens "Gegen das Vergessen" behandelt, angestoßen durch einen Kurs, der die Geschichte eines vergessenen KZ-Außenlagers am Senftenberger See aufarbeitete.
Die Erforschung der NS-Geschichte stieß bei den Jugendlichen auf so großes Interesse, dass die Schulleiterin beim Land Brandenburg erfolgreich Lottomittel für den Druck sowie die Unterstützung der Autorin und Journalistin Dona Kujacinski einwarb. Der Sammelband bietet Raum für junge Menschen, die selbst beschreiben, wie sie die Welt von heute sehen, und was sie sich für morgen wünschen.
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