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Foto: picture alliance/dpa/Frank Hammerschmidt
Christopher Street Day in Cottbus: Aus Sicht der AfD-Fraktion wird aus dem Familien-Etat "Regenbogenpropaganda" gefördert.

Etat für Bildung und Familie : Zwischen Kulturkampf und Bandenbildung

Die Koalition freut sich über mehr Geld für Kinder und Jugendliche, die Linke vermisst Politik für Frauen und die AfD mag die Queer-Beauftragte nicht.

28.11.2025
True 2025-11-28T10:36:22.3600Z
4 Min

Martin Reichardt ist offenbar sauer auf Karin Prien. "Die Ministerin ist vollkommen angekommen im Regenbogen-Kasperletheater", schoss der AfD-Abgeordnete am Dienstag in Richtung der Ressortchefin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Grund: Statt den Posten der Queer-Beauftragten Sophie Koch (SPD) abzuschaffen, seien deren Bezüge sogar noch um ein Drittel erhöht worden. Das sei der Ministerin offensichtlich wichtiger als die "solide finanzielle Unterstützung unserer Familien", sagte der Abgeordnete. Direkt erreichen konnte Reichardt die Ministerin mit seiner Kritik aber nicht, Prien fehlte krankheitsbedingt bei der abschließenden Debatte zu ihrem Etat für das kommende Jahr.

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Reichardt beließ es nicht bei der Ministerin- und Etat-Kritik, sondern holte zum kulturkämpferisch anmutenden Rundumschlag gegen die Gleichstellungs- und Familienpolitik der vergangenen Jahrzehnte aus, verortete indes den Kulturkampf bei den "linken Kräften". Sie seien es, "die unserem Volk seit über 50 Jahren einen gnadenlosen Kulturkampf aufzwingen". Ihre "demophobe Politik" habe "verbrannte Erde" hinterlassen. Statt alles für ein "familienfreundliches Deutschland" zu tun, wollten Linkspartei bis Union "unseren Kindern weiterhin mit staatlich geförderter Regenbogenpropaganda ihren gesunden Geist vermiesen", wetterte der Abgeordnete.

Haushalt bildet neuen Zuschnitt des Familien- und Bildungsministeriums ab 

Reichardts Beitrag war der mit Abstand hitzigste in der Debatte zu dem Einzelplan des Ministeriums, der allerdings auch von Seiten der Grünen und Linken scharf kritisiert wurde. Mit 16,67 Milliarden Euro liegen die geplanten Ausgaben um 2,47 Milliarden Euro deutlich über dem Vorjahresansatz. 

Grund hierfür ist vor allem, dass in dem Haushalt nun auch die neuen Zuschnitte und Zuständigkeiten der Ministerien abgebildet werden. Die Ausgaben für den Bildungsbereich, die im Haushalt 2025 und im Regierungsentwurf 2026 noch nicht in diesem Einzelplan abgebildet waren, finden sich nun im Haushaltsplan von Priens Haus, der das Parlament mit Koalitionsmehrheit passierte.

13 Milliarden Euro fließen in Leistungen an Familien

Das Gros der Ausgaben fließt in Leistungen an Familien mit rund 13 Milliarden Euro. Davon entfallen etwa 7,5 Milliarden Euro auf das Elterngeld. Der Kinderzuschlag für geringverdienende Familien schlägt mit 3,4 Milliarden Euro zu Buche, der Unterhaltsvorschuss mit 1,3 Milliarden Euro.

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Debattiert wurde aber vor allem über die dazu vergleichsweise kleineren Titel im Einzelplan, an denen die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD noch Hand angelegt hatten - oder eben nicht. Melanie Bernstein (CDU) zeigte sich sicher, dass die von der Koalition vorgenommenen Änderungen "das Leben von Kindern, Jugendlichen und Familien positiv beeinflussen können". Die Koalition habe dazu ein Acht-Millionen-Euro-Paket geschnürt. 3,8 Millionen Euro davon sollen beispielsweise für die Prävention beziehungsweise Unterstützung psychisch belasteter Kinder fließen, ein Projekt der Malteser zur Verhinderung von Einsamkeit bei Grundschulkindern soll 600.000 Euro erhalten. Mit weiteren zwei Millionen Euro soll ein Vorhaben zum Schutz junger Menschen vor Obdachlosigkeit gefördert werden.

Bernstein verwies zudem darauf, dass die Zuweisung an die Stiftung Frühe Hilfen gegenüber dem Regierungsentwurf um fünf Millionen Euro auf 56 Millionen Euro erhöht wurde. Auch Kürzungen verteidigte Bernstein, etwa die Beendigung des Modellprojektes "Mental Health Coaches": "Wenn mit zehn Millionen Euro nur 88 von 35.000 Schulen deutschlandweit erreicht werden, dann ist das nicht nachhaltig."

10.000 neue Plätze für die Freiwilligendienste

Felix Döring (SPD) nannte die ebenfalls von Bernstein hervorgehobene Erhöhung der Gelder für die Freiwilligendienste sein "persönliches Highlight in diesem Etat". Union und SPD hatten im parlamentarischen Verfahren durchgesetzt, dass die Mittel im nächsten und den darauffolgenden Jahren im Vergleich zum Regierungsentwurf deutlich erhöht werden.

10.000 neue Plätze könnten so geschaffen und das Taschengeld erhöht werden, freute sich der Sozialdemokrat. "Das ist ein richtig, richtig starkes Signal für die Freiwilligendienste in diesem Land", sagte Döring. Gerade in der Diskussion um einen attraktiveren Wehrdienst sei es der SPD wichtig gewesen, dass die Freiwilligendienste nicht leer ausgingen.


Porträt von Kathrin Gebel
Foto: Kathrin Gebel/Nicklas Kurzweil
„Was passiert, wenn ein Parlament, in dem zu 70 Prozent Männer sitzen, einen Haushalt aufstellt, das sehen wir an diesem Einzelplan: the bare minimum.“
Kathrin Gebel (Die Linke)

Grüne und Linke kritisierten, dass die von der Koalition eingebrachten Anpassungen in vielen Bereichen nicht weit genug gingen, die Bedarfe seien größer. Jamila Schäfer (Bündnis 90/Die Grünen) monierte zudem, dass die Koalition im parlamentarischen Verfahren beim Bundesprogramm "Demokratie leben!" gegenüber der Planung gekürzt habe. Statt 191 Millionen Euro wie im Regierungsentwurf soll der Zuschuss im nächsten Jahr 186,5 Millionen Euro betragen (2025: 182 Mio. Euro). Schäfer vermutete in Richtung Koalition als Begründung, dass manche lieber einen "paranoiden Kulturkampf gegen die Zivilgesellschaft führen, als sie zu unterstützen".

Linke wirft Merz vor, zu wenig zum Schutz von Frauen zu tun

Frauenpolitische Akzente und Kritik setzten mit Verweis auf den Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen die Rednerinnen der Linken. Tamara Mazzi griff die Debatte um die Äußerung zum Stadtbild samt nachgeschobener "Fragen-Sie-Ihre-Töchter"-Erklärung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) auf und kritisierte, dass das Leid der Frauen für "rassistische Hetze" missbraucht werde. 

Die von der Bundesregierung in Aussicht gestellten Gelder für Frauenhäuser reichten nicht aus, die Beratungsstellen seien überlastet, der Fonds Sexueller Missbrauch liege brach. Das zeige, dass der Schutz von Frauen Merz nicht am Herzen liege. "Ihm war es nur wichtig, zu hetzen", sagte Mazzi. Den Etat nannte sie eine "sozialpolitische Enttäuschung".

Mazzis Fraktionskollegin Kathrin Gebel wunderte das nicht: "Was passiert, wenn ein Parlament, in dem zu 70 Prozent Männer sitzen, einen Haushalt aufstellt, das sehen wir an diesem Einzelplan: the bare minimum." Sie stellte weitreichende frauenpolitische Forderungen, etwa eine Aufwertung der Sorgearbeit und eine geschlechterorientierte Haushaltspolitik. "Seid laut! Seid wütend! Bildet Banden! Und vor allem: Widersetzt euch!", rief sie den Frauen am Ende ihrer Rede zu.

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