Maskenkäufe beschäftigen Enquete-Kommission : Spahn in Erklärungsnot
Der frühere Gesundheitsminister muss in der Corona-Enquete die teuren Maskenkäufe während der Pandemie erklären. Die Opposition sieht ein gravierendes Fehlverhalten.
Die Kameras blitzten auf, als Jens Spahn (CDU) den Konferenzsaal im Bundestag betrat. Der ehemalige Bundesgesundheitsminister stand am Montag im Blickpunkt der zwölften Sitzung der Enquete-Kommission des Bundestags zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie.
Und zum wiederholten Mal versuchte Spahn, die ihm angelastete massenhafte Beschaffung teurer Schutzmasken zu rechtfertigen. "Es gab einen Druck aus den Ländern, dass der Bund die Masken beschafft", sagte der heutige Unionsfraktionschef mit Blick auf die Beschaffungspolitik des Gesundheitsressorts (BMG) zu Beginn der Coronapandemie 2020.
Der frühere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) musste in der Enquete-Kommission viele kritische Fragen zur Maskenbeschaffung während der Corona-Pandemie beantworten.
Ob es dabei zu "Überbeschaffung" gekommen sei, bleibe in der Rückbetrachtung umstritten. "Wenn man aber in der Situation davon ausgehen muss, dass es eine zweite, eine dritte, eine vierte Welle gibt, und man nicht weiß, ob China überhaupt wieder öffnet und Masken liefert", dann müsse man für eine entsprechende Bevorratung sorgen.
Damals kaufte der Bund laut Bundesrechnungshof für 5,9 Milliarden Euro insgesamt 5,8 Milliarden Masken auf, von denen aber nur 1,7 Milliarden verteilt wurden. Um die damaligen Entscheidungen verstehen zu können, befasste sich die Enquete-Kommission diesmal mit der Beschaffung und Versorgungssicherheit.
Rechnungshof sieht Belege für eine Überbeschaffung von Masken
Auf die Frage aus der AfD-Fraktion, was er heute anders machen würde, sagte Spahn, dass er die Bandbreite der beratenden Wissenschaftler stärker öffentlich machen würde. "Weil der falsche Eindruck entstanden ist, dass es nur zwei oder drei Ratgeber in der Pandemie gegeben hätte", sagte er mit Blick auf die damals vor allem im Interesse der Öffentlichkeit stehenden Experten wie den Charité-Virologen Christian Drosten oder den damaligen Präsidenten des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler.
„Haarverlängerungsstudios boten plötzlich Atemschutzmasken an.“
Oliver Sievers, Mitglied des Bundesrechnungshofes, monierte hingegen eine "massive Überbeschaffung" von Masken. Er verwies auf rund hundert anhängige Gerichtsverfahren mit Lieferanten, die noch einen Streitwert in Höhe von 2,3 Milliarden Euro hätten. "Wir sehen keinen Exklusivauftrag des Bundesgesundheitsministeriums, in solchen Größenordnungen Masken einzukaufen", sagte Sievers. Das Ministerium solle nur ergänzend zu den Ländern und den Bedarfsträgern auftreten.
Annette Lehnigk-Emden, Präsidentin des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, bilanzierte, dass es den drei zuständigen Beschaffungsämtern gelungen sei, innerhalb weniger Tage Verträge in Höhe von 190 Millionen Euro zu schließen. "Die damalige Lage im überhitzten Markt war sehr skurril", fasste sie zusammen. "Haarverlängerungsstudios boten plötzlich Atemschutzmasken an." Organisationen, Unternehmen und Länder hätten sich gegenseitig Maskenlieferungen abgejagt.
Als dann das Bundesgesundheitsministerium (BMG) dazu überging, selbst Masken zu bestellen und dies nach dem sogenannten Open-House-Verfahren zu realisieren, hätten "Vertragspartner versucht, auf das neue Angebot des BMG einzugehen", sagte Lehnigk-Emden. Es sei eine Konkurrenzsituation der Behörden in der Beschaffung entstanden. "Wir fanden das Verfahren suboptimal."
Marktumfeld habe sich teils im Stundentakt neu ausgerichtet
Damals habe sich ab März 2020 ein bisher unbekanntes Spannungsfeld aufgetan, berichtete Hans Hagen Burmeister, Leiter der Abteilung "Beschaffung" im Beschaffungsamt des Bundesinnenministeriums. Es habe ein hochvolatiles und schwer prognostizierbares Marktumfeld gegeben, dass sich teils im Stundentakt neu ausgerichtet habe. Öffentlicher Einkauf sei gefordert gewesen, "in einer Art und Weise, wie es das vorher noch nie der Fall war".
Direkt neben Spahn saß eine seiner größten Kritikerinnen: die ehemalige Sonderbeauftragte zur Aufarbeitung der Maskenbeschaffung, Margaretha Sudhof. Nun als Sachverständige von der Enquetekommission geladen, fasste sie ihre Bilanz in einem Satz zusammen: "Die Länder sind zuvorderst zuständig und sie kennen den Bedarf natürlich auch besser." Dass das Ministerium vieles bei der Beschaffung dann an externe Dienstleister ausgelagert hatte, sah Sudhoff kritisch. "In Bayern ist das zwei- bis dreifache an Schutzausrüstung bestellt worden", sagte sie. "Im Bund war es das 22-fache." Sie sprach sich dafür aus, dass künftig Bedarfsträger und der Bedarfsdecker zu trennen seien.
Experte betont die Rechtmäßigkeit von Dringlichkeitsvergaben
Rückendeckung erhielt Spahn vom Sachverständigen Martin Burgi, der die Rechtmäßigkeit von Dringlichkeitsvergaben betonte. "Wir sind nicht in einer Normallage gewesen", sagte der Rechtswissenschaftler von der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Die Verfassung hat nichts dagegen, wenn der Höchstlegitimierte die Zuständigkeit an sich zieht." Er erinnerte daran, dass oberste Richtschnur sämtlicher Maßnahmen und Entscheidungen die staatliche Schutzpflicht für Leben und körperliche Unversehrtheit sei. Das geltende Vergaberecht habe erfreulicherweise Vorkehrungen für solche Situationen. Bund und Länder hätten davon Gebrauch gemacht - und nicht etwa das Vergaberecht "überdehnt".
Spahn relativierte erneut das Ausmaß an Kosten für die Maskenbeschaffung und argumentierte, die Corona-Pandemie habe den Bund insgesamt 440 Milliarden Euro gekostet. "Masken betreffen 1,5 Prozent dieser Ausgaben." Seine Prognose für künftig Notlagen: “Wir sind nicht viel besser vorbereitet, als wir es vor sechs Jahren waren.”
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