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Foto: picture alliance / SZ Photo / Jens Schicke
Der frühere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) steht wegen der Maskenbeschaffung während der Corona-Pandemie in der Kritik.

Schutzmasken teuer eingekauft : Streit über die Maskenbeschaffung in der Corona-Pandemie

In der Corona-Pandemie hat der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Schutzmasken für viel Geld beschaffen lassen. Das sieht die heutige Opposition kritisch.

26.06.2025
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4 Min

Als zu Jahresbeginn 2020 beunruhigende Berichte über das neue Corona-Virus aus China die Runde machten, waren auch Experten unsicher, wie dem Virus am wirkungsvollsten zu begegnen wäre. Da es keine Impfung gegen den Erreger gab und auch keine Medikamente, lautete die einfache Botschaft, Ansteckungen durch Hygiene und Schutzvorkehrungen möglichst zu verhindern.

Schutzmasken waren zu Beginn der Pandemie ein rares und teures Gut

Das Bundesgesundheitsministerium propagierte die sogenannte AHA-Formel: Abstand einhalten, Hygieneregeln beachten, Alltagsmaske tragen. Die Corona-Schutzmaske wurde so zum ikonischen Bild der Pandemie: Masken in der Schule, im Zug, im Restaurant oder auf Veranstaltungen aller Art. Einige Kritiker mutmaßten, Masken könnten der Lunge schaden oder der Psyche, andere beklagten die ständige staatliche Bevormundung, und fast jeder kannte zumindest wundgeriebene Ohren und Nasen. Erst drei Jahre später, Anfang März 2023, lief die Maskenpflicht zusammen mit anderen Corona-Auflagen aus.

Foto: DBT / Julia Nowak / JUNOPHOTO

Überall allgegenwärtig in der Corona-Pandemie: Die AHA-Formel, bestehend aus Abstand einhalten, Hygieneregeln beachten, Alltagsmaske tragen.

Wie sich schnell zeigte, gab es zu Beginn der Pandemie nicht genug Schutzmasken, die den hohen medizinischen Anforderungen genügt hätten. Und so war anfangs in der Öffentlichkeit ein bunter Mix an Masken zu sehen, teilweise sogar handgefertigte Modelle. Gefragt waren am Ende semiprofessionelle FFP-2-Masken, die Schutz versprachen vor Infektionen.

Anfang März 2020 stellte der neu gegründete Corona-Krisenstab "die außerordentliche Dringlichkeit für die Beschaffung medizinischer Schutzausrüstung" fest und beschloss die zentrale Beschaffung durch das Bundesgesundheitsministerium (BMG). Aber die Preise für Schutzmasken, die in normalen Zeiten ein Pfennigprodukt sind und in vielen Fällen in China produziert wurden, stiegen rasant. Der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nahm die Sache in der Not persönlich in die Hand und beschaffte Masken für mehrere Milliarden Euro.

Der Bericht der Sonderermittlerin wirft kein guten Licht auf Spahns Masken-Deals

Im Rückblick werden die umfangreichen Aktivitäten Spahns als Krisenmanager kritischer beurteilt als damals. Ihm wird vorgehalten, gegen den Rat seiner Fachabteilungen die Masken überteuert beschafft zu haben. Besonders in der Kritik steht das sogenannte Open-House-Verfahren, das Firmen, die Masken zu einem bestimmten Stichtag liefern konnten, einen hohen Abnahmepreis garantierte.

Am Ende erhielt das BMG viel mehr Zusagen als erwartet und benötigt, was in der Folge im Streit um Lieferverträge und nicht bezahlte Rechnungen zu hohen Prozesskosten führte. Viele Verfahren sind noch anhängig. Allein das Prozesskostenrisiko für den Steuerzahler wird aktuell mit rund 2,3 Milliarden Euro beziffert. Spahn wird außerdem vorgeworfen, eigenhändig einen Großauftrag für die Lagerung von Schutzmasken an das Logistikunternehmen Fiege aus seiner westfälischen Heimat vergeben zu haben.


„Wir haben getan, was notwendig war, um Masken zu beschaffen.“
Jens Spahn (CDU)

Spahns Amtsnachfolger Karl Lauterbach (SPD) beauftragte schließlich die Verwaltungsjuristin Margaretha Sudhof (SPD) mit einer Analyse der damaligen Abläufe und Entscheidungen. Der Bericht der Sonderermittlerin, der seit Ende Januar vorliegt und in Auszügen öffentlich wurde, wirft kein günstiges Licht auf die Vorgehensweise Spahns bei der Beschaffung von Schutzmasken. Sudhof spricht von einem "Drama in Milliardenhöhe", fehlendem ökonomischen Verständnis und übertriebenem politischen Ehrgeiz.

Der Bericht ist offiziell als Verschlusssache eingestuft und kann nur von Abgeordneten eingesehen werden. Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) legte den Untersuchungsbericht in dieser Woche dem Haushaltsausschuss vor, aus Datenschutzgründen mit geschwärzten Passagen. Im Ausschuss stellten sich Warken und der inzwischen zum Unionsfraktionschef aufgestiegene Spahn den Fragen der Abgeordneten. Auch im Gesundheitsausschuss diskutierten die Abgeordneten mit Warken über den Bericht.

Opposition fordert eine lückenlose Aufklärung der Maskenbeschaffung

Spahn sagte nach der zweistündigen Befragung im Haushaltsausschuss vor Journalisten: "Ich halte die meisten Vorwürfe aus dem Sudhof-Papier für entkräftet." Er fügte hinzu: "Wir haben getan, was notwendig war, um Masken zu beschaffen." Der Finanzminister und er seien sich einig gewesen: Es solle lieber Geld kosten als Menschenleben. Spahn begrüßte zugleich, dass der Bundestag eine Enquete-Kommission einsetzen will, um die Pandemie aufzuarbeiten. Im Nachhinein habe sich gezeigt, dass viele Glücksritter damals Dinge angeboten hätten: "Es war Wildwest."

Warken machte klar, dass sie sich den Sudhof-Bericht nicht zu eigen machen will. Methodik und Quellen seien teilweise unklar, kritisierte sie in einer Stellungnahme. Sie versicherte im Gesundheitsausschuss, es werde nichts verschleiert. Es gehe jetzt vor allem darum, die richtigen Schlüsse zu ziehen für die Zukunft, etwa in Hinsicht auf die Bedarfsermittlung und Beschaffung sowie die Prozessführung.

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Die Fraktionen von Linken und Grünen beantragten in der Sitzungswoche gleich zwei Aktuelle Stunden zum Bericht der Sonderbeauftragten (Linke) beziehungsweise zur Beschaffung der Masken (Grüne), von denen eine zurückgezogen wurde. In der Debatte am Mittwoch auf Antrag der Linken forderte die Opposition eine lückenlose Aufklärung.

Ines Schwerdtner (Linke) beschuldigte Spahn, stets seinen eigenen Vorteil im Blick zu haben. Sie kritisierte: "Wir mussten verzichten, Sie haben verteilt, vor allem an Parteifreunde." Sie erinnerte daran, dass einige Unionspolitiker in fragwürdige "Maskendeals" verwickelt waren und forderte Spahn zum Rückzug auf. "Wer Vertuschung organisiert, der hat in der Politik nichts zu suchen."

SPD: Bei der Maskenbeschaffung sind gravierende Fehler gemacht worden

Die CDU-Gesundheitspolitikerin Simone Borchardt widersprach und hielt Kritikern angesichts des Ausmaßes der Corona-Krise Populismus und mangelnde Fairness vor. Die Enquete-Kommission sei entscheidend, um die Pandemie "schonungslos" aufzuarbeiten. "Wir brauchen keine Skandalisierung im Nachhinein", betonte sie.

Der Mediziner Christos Pantazis (SPD) sprach von einer "historischen Ausnahmesituation". Es habe keine Blaupause gegeben. Gleichwohl sei die Politik nicht entbunden von der Pflicht der Aufarbeitung. Bei der Maskenbeschaffung seien gravierende Fehler gemacht worden. Das Geschehen müsse differenziert, aber kompromisslos aufgearbeitet werden.

Hintergrund

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Nach Ansicht der AfD-Abgeordneten Claudia Weiss steht die Maskenbeschaffung für ein politisches Totalversagen, ein Lehrstück für Missmanagement, Verschwendung und fehlende Verantwortung. Ein Merkmal von Krisen sei Unsicherheit. "Aber Unsicherheit ist keine Freifahrtschein für Maßlosigkeit".

Andreas Audretsch (Grüne) sagte, viele Fragen seien noch ungeklärt. So sei zwar das Open-House-Verfahren damals abgebrochen worden, dennoch habe Minister Spahn immer mehr Verträge "hemdsärmelig" abgeschlossen. Es müsse aufgeklärt werden, wer profitiert habe, wer im Umfeld von Spahn aktiv gewesen sei. Es sei unklar, ob Spahn bis heute womöglich erpressbar sei. Audretsch schlussfolgerte, die geplante Enquete-Kommission könne einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss nicht ersetzen.