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Verschärfung des Asylrechts : Bundestag erhöht Druck auf Ausreisepflichtige

Akzeptanz der Mehrstaatigkeit und kürzere Fristen für die Einbürgerung sind Kernpunkte des vom Bundestag beschlossenen "Rückführungsverbesserungsgesetzes".

19.01.2024
2024-03-05T15:26:21.3600Z
4 Min
Foto: picture alliance

Abschiebung in der Praxis: Mit dem neuen Gesetz sollen Abschiebungen erleichtert werden.

Insgesamt 329.120 Erstanträge auf Asyl sind vergangenes Jahr in der Bundesrepublik gestellt worden und damit 111.346 mehr als im Vorjahr. Das bedeutet einen Anstieg um ganze 51,1 Prozent, wobei 22.603 der im zurückliegenden Jahr gestellten Erstanträge in Deutschland geborene Kinder im Alter unter einem Jahr betrafen.

Gestiegen ist 2023 auch die Zahl der Abschiebungen aus Deutschland. Allein in den ersten zehn Monaten des vergangenen Jahres waren es laut Bundesregierung 13.512 nach 12.945 im Gesamtjahr 2022. Einen weiteren Anstieg will die Regierungskoalition mit ihrem "Rückführungsverbesserungsgesetz" erreichen, das der Bundestag am Donnerstag gegen die Stimmen der CDU/CSU- und der AfD-Fraktion sowie einer Reihe fraktionsloser Abgeordneten beschloss.

Höchstdauer des Ausreisegewahrsams wird von zehn auf 28 Tage angehoben

Zum Kern des Maßnahmenpakets zählen unter anderem erweiterte Durchsuchungsmöglichkeiten und eine Ausdehnung des Ausreisegewahrsams von zehn auf 28 Tage. "Grundsätzlich nicht in Abschiebehaft genommen" werden sollen Minderjährige und Familien mit Minderjährigen; Ausnahmen kann es etwa bei minderjährigen Gefährdern geben. Betroffenen in Verfahren zur Abschiebungshaft oder Ausreisegewahrsam muss dem Gesetzesbeschluss zufolge ein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt werden.

Auch sollen Abschiebungen nicht mehr angekündigt werden müssen, sofern nicht Familien mit Kindern unter zwölf Jahren betroffen sind. Die Suche nach Daten und Dokumenten zur Identitätsklärung will die Koalition mit der Neuregelung erleichtern, ebenso das Auffinden abzuschiebender Personen. Dazu sollen die Behörden auch andere Räumlichkeiten als das Zimmer des abzuschiebenden Ausländers in einer Gemeinschaftsunterkunft betreten können.

Verlängerte Bezugsdauer der niedrigeren Asylbewerberleistungen 

Daneben enthält das Gesetzespaket weitere Maßnahmen etwa zur erleichterten Abschiebung von Straftätern und Gefährdern. Für den Bereich der Organisierten Kriminalität soll ein Ausweisungstatbestand geschaffen werden, der an die Angehörigkeit zu Strukturen der Organisierten Kriminalität anknüpft und unabhängig von einer strafrechtlichen Verurteilung ausgestaltet ist. Erleichtert werden soll die Ausweisung von Schleusern. Zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität ist eine Verschärfung der bisherigen Strafandrohungen für entsprechende Delikte vorgesehen. Zugleich wird klargestellt, dass die Rettung Schiffbrüchiger auch künftig nicht strafbar ist. 

Ferner soll die Bezugsdauer der niedrigeren Asylbewerberleistungen von bislang 18 auf künftig auf drei Jahre verlängert werden.

Faeser erwartet schnellere Abschiebung von Straftätern und Gefährdern

Durch die Neuregelung, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) während der Debatte, werde es gelingen, Straftäter und Gefährder schneller und effektiver abzuschieben. Zu Recht erwarteten die Menschen, dass sich alle an die Regeln halten und der Staat etwas für ihre Sicherheit tue.

​​​​​​​Kernpunkte der Neuregelung

🔎 Durchsuchungen: Behörden können künftig in Gemeinschaftsunterkünften auch andere Räume als das Zimmer des Ausreisepflichtigen durchsuchen.

Ausreisegewahrsam: Die Höchstdauer des Gewahrsams wird von zehn auf 28 Tage angehoben, um ein Untertauchen des Abzuschiebenden zu verhindern.

💶 Leistungen: Die Bezugsdauer der niedrigeren Asylbewerberleistungen wird von bisher 18 Monaten auf künftig drei Jahre verlängert.



Christoph de Vries (CDU) sprach hingegen von einem Rohrkrepierer. Dieses "Rückführungsverschlechterungsgesetz" löse die Migrationskrise nicht mal ansatzweise. Durch die von den Grünen durchgesetzten Änderungen sei das "ohnehin schon wirkungsschwache Gesetz" zu einem völlig wirkungslosen geworden. Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers "auf Kosten des Steuerzahlers" führe dazu, dass Betroffene von ihrer anstehenden Abschiebehaft erfahren und untertauchen könnten, sagte der Unionsabgeordnete.

Grüne sehen trotz verfassungsrechtlicher Bedenken "vertretbaren Kompromiss" 

Helge Limburg (Grüne) empfahl die Zustimmung zu dem Entwurf. "Nicht, weil dieses Gesetz den Vorstellungen meiner Fraktion von einer geordneten und gleichzeitig humanen Migrationspolitik entspricht", betonte er. Es sei aber ein vertretbarer politischer Kompromiss. Aus seiner Sicht begegnet das Gesetz an mehreren Stellen verfassungsrechtliche Bedenken. Nötig seien weiterhin Einzelfallentscheidungen, sagte Limburg. "Grundrechte gelten auch für Geflüchtete", betonte er.

Für Gottfried Curio (AfD) ist die Durchsetzung der Rückführung nicht aufenthaltsberechtigter Ausländer "die Pflicht eines Staates". Die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigte Rückführungsinitiative werde es mit dem Gesetz aber nicht geben, sagte Curio. Es sehe lediglich ein Rückführungsplus von 600 Personen jährlich vor. "Das ist Scheitern mit Ansage", befand der AfD-Abgeordnete.

FDP weist Unions-Kritik an Regelung zur Pflichtverteidigung zurück

Stephan Thomae (FDP) sieht durch die Neuregelung verbesserte Rückführungsmöglichkeiten für Länder und Kommunen. Kein Verständnis hatte er für die Kritik der Union an der Beiordnung von Pflichtverteidigern. Das Gesetz regle, dass auf eine Anhörung vor der Abschiebehaft verzichtet werden könne, wenn zu erwarten sei, "dass dadurch die Gewahrsamnahme gefährdet würde".

Der Umgang der Union mit dem Thema gießt aus Sicht von Sebastian Hartmann (SPD) "ausschließlich Wasser auf die Mühlen der AfD". Das Gesetz, befand Hartmann, helfe, Rechtsfrieden herzustellen. 

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