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Foto: picture alliance/dpa
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (M), Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (2.v.r.) und Nordrhein-Westfalens Integrationsministerin Josefine Paul (2.v.l.) im April 2025 bei einer Einbürgerungsfeier.

Staatsangehörigkeitsrecht : Der Ampel-Turbo wird ausgeschaltet

Schwarz-Rot will die 2024 eingeführte Möglichkeit der Einbürgerung nach dreijährigem Aufenthalt wieder streichen: ein Kompromiss der Koalition.

28.06.2025
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3 Min

Rückblende: Vor rund eineinhalb Jahren nimmt der Bundestag im Januar 2024 das von der Ampel-Koalition vorgelegte "Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts" an; neben der AfD stimmt auch die CDU/CSU-Fraktion gegen die Vorlage, die sie in der Debatte heftig kritisiert.

Kein Wunder, haben die von SPD, Grünen und FDP durchgesetzten Neuregelungen es nach jahrzehntelangen Streitereien über Einbürgerungsvoraussetzungen doch in sich: Deutschland gibt den Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit auf; sie wird künftig generell hingenommen. Zugleich wird eine Einbürgerung in der Regel bereits nach einem Aufenthalt in Deutschland von fünf statt bisher acht Jahren möglich, bei "besonderen Integrationsleistungen" auch schon nach drei Jahren.

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Auch die für den automatischen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit eines Kindes ausländischer Eltern durch Geburt im Inland erforderliche Aufenthaltsdauer eines Elternteils in der Bundesrepublik wurde von acht auf fünf Jahre verkürzt und die bisher für diese Kinder geltende Optionsregelung vollständig gestrichen.

Bei der Anspruchseinbürgerung setzte die FDP durch, dass der Lebensunterhalt für sich selbst und die unterhaltspflichtigen Angehörigen ohne Inanspruchnahme staatlicher Leistungen bestritten werden muss. Ausnahmen davon wurden unter anderem für Menschen vorgesehen, die mit einer in Vollzeit tätigen Person sowie einem Kind in familiärer Gemeinschaft leben sowie für die sogenannten Gastarbeiter und Vertragsarbeitnehmer, die bis 1974 in die Bundesrepublik beziehungsweise bis 1990 in die DDR eingereist sind. Gast- und Vertragsarbeiter und ihre nachgezogenen Ehepartner müssen seitdem auch keinen Einbürgerungstest absolvieren und lediglich mündliche deutsche Sprachkenntnisse nachweisen.

Dobrindt kritisiert Einbürgerung nach drei Jahren als “Pull-Faktor”

Die CDU/CSU sprach damals von einem "Staatsangehörigkeitsentwertungsgesetz". Mittlerweile ist sie wieder an der Regierung, zusammen mit den Sozialdemokraten, mit denen sie sich im Koalitionsvertrag auf eine Reform der Reform von 2024 geeinigt hat. Zurückgenommen werden soll danach die damals eingeführte Möglichkeit der "Turboeinbürgerung" nach einer Aufenthaltszeit von drei Jahren.

Was die AfD fordert

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Am Freitag beriet der Bundestag nun erstmals über den entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung “zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes”. Daneben lag den Abgeordneten erstmals ein Linken-Antrag vor, Einbürgerungen grundsätzlich unabhängig vom Einkommen der Betroffenen zu ermöglichen.

In der Debatte wertete Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) die Rücknahme der Turboeinbürgerung als eine von vielen Maßnahmen zur Umsetzung der "Migrationswende". Dabei stelle die Turboeinbürgerung auch einen "erheblichen Pull-Faktor" dar. Der deutsche Pass sei eine besondere Auszeichnung am Ende eines Integrationsprozesses.

AfD sieht "gescheiterte Migrationswende"

Gottfried Curio (AfD) kritisierte eine vollständige Beibehaltung der Reform von 2024 "bis auf die kosmetische Korrektur einer absurden Spezialregelung". Nach dem neuen Gesetz solle der Anspruch auf eine Einbürgerung nach fünf Jahren ebenso bleiben wie die "Akzeptanz einer regelhaften doppelten Staatsbürgerschaft" sowie der Anspruch auf Staatsbürgerschaft wegen Geburt in Deutschland. Dabei solle eine "gescheiterte Migrationswende als gelungen verkauft werden".

Hakan Demir (SPD) verteidigte die Reform von 2024 als richtiges Maßnahmenpaket. Dabei habe die SPD im Koalitionsvertrag als Preis für die Absicherung anderer Maßnahmen die Streichung der Turboeinbürgerung nach drei Jahren akzeptiert.

Grüne beklagen “rückwärts gewandte Symbolpolitik”

Filiz Polat (Grüne) wertete den Regierungsentwurf als "rückwärts gewandte Symbolpolitik" und "fatales Signal". Wer eingebürgert sei, habe besseren Zugang zum Arbeitsmarkt, sei politisch aktiver und sozial integrierter. Einbürgerung sei kein Geschenk, sondern ein "Investment in dieses Land".

Ferat Kocak sagte für Die Linke, die Migrationspolitik der Koalition sei weder sozial noch christlich. Für die Koalition sei "die Einbürgerung abhängig vom Geldbeutel". Hier geborenen und aufgewachsenen Menschen werde "die Einbürgerung vorenthalten, weil sie schlecht bezahlt werden".

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