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Gastkommentare : Drohnenabschuss im Innern durch die Bundeswehr? Ein Pro und Contra

Soll das Militär im Innern eingesetzt werden können, um Drohnen abzuwehren? Das auszuschließen, wäre fahrlässig, sagt Malte Lehming. Markus Decker hält dagegen.

07.10.2025
True 2025-10-07T16:37:34.7200Z
3 Min

Pro

Der Kampf gegen hybride Gefahren wie Drohnen darf nicht allein der Polizei überlassen werden

Foto: Privat
Malte Lehming
ist leitender Redakteur des Berliner "Tagesspiegel".
Foto: Privat

Zu den obersten Aufgaben von Politikern gehört es, die Bürger zu schützen. Schon der englische Philosoph Thomas Hobbes meinte, der Souverän könne nur so lange Gehorsam beanspruchen, wie er in der Lage sei, ein Mindestmaß an Sicherheit zu garantieren. Versage er darin, dürften die Bürger Widerstand leisten.

Allerdings ist die Zeit, als fein säuberlich zwischen innerer und äußerer Sicherheit unterschieden werden konnte, längst vorbei. Die größte Bedrohung geht heute vom Krieg der Knöpfe aus. Maus, Viren und Würmer sind gefährlicher als Panzer, Raketen und Fregatten. Mögliche Szenarien umfassen Cyberattacken auf die kritische Infrastruktur eines Landes - Wasser- und Stromversorgung, Kernkraftwerke, Verkehrsleitsysteme, Finanzströme. Vorbereitet werden sie durch Sabotage und Spionage, auch mit Hilfe von Drohnen.

"Sie spionieren uns aus", wird jetzt entsetzt gerufen, wenn ein paar simple Drohnen, die über Städten und Flughäfen kreisen, Großalarm auslösen. Doch was tun? An dieser Stelle fällt die Debatte in alte Muster zurück. Kein Einsatz der Bundeswehr im Innern? Das auszuschließen, wäre fahrlässig. Wer den Kampf gegen hybride Gefahren allein der Polizei überlässt, wird ihn verlieren. Die reine Lehre wird den sicherheitspolitischen Notwendigkeiten nicht gerecht.

Russland hatte zwei Tage nach dem Angriff auf die Ukraine durch eine Cyberattacke auf den Provider Viasat das dortige Internet gekappt. Das Starlink-Satelliten-Netzwerk von Elon Musk sprang ein. Für die Ukraine war das überlebensnotwendig. Es garantierte den Bestand seiner digitalen Infrastruktur. Für solche Fälle muss auch Deutschland sich rüsten. Dazu gehört eine Bundeswehr, die auch Drohnen abschießen kann - und darf.

Contra

Gefahrenabwehr und Schutz kritischer Infrastrukturen sind zunächst Aufgabe der Polizei - nicht der Bundeswehr

Foto: Mike Fröling/Berliner Zeitung
Markus Decker
ist Hauptstadt-Korrespondent des Redaktionsnetzwerks Deutschland.
Foto: Mike Fröling/Berliner Zeitung

Auf den ersten Blick mag es naheliegend erscheinen: Da an Deutschlands Himmel immer mehr mutmaßlich von Russland gesteuerte Drohnen unterwegs sind mit dem Auftrag, für Verunsicherung zu sorgen, Objekte auszuspionieren und diese womöglich früher oder später anzugreifen, handelt es sich um einen Verteidigungsfall - also ist die Bundeswehr zuständig. Auf den zweiten Blick sieht die Sache anders aus. Gefahrenabwehr ist Aufgabe der Polizei - und der Schutz der kritischen Infrastruktur ebenfalls. Zudem hat es bisher noch keinen Angriff einer bewaffneten Drohne auf Deutschland gegeben. Entsprechend maßvoll sollte einstweilen die Reaktion sein.

Hinzu kommt: Wenn die Bundeswehr das Ruder bei der Drohnenabwehr übernimmt und neben jedem Kraftwerk und jedem Flughafen bald ein Soldat wacht, würde damit genau jener Eindruck entstehen, den Russlands Präsident Wladimir Putin herbeisehnt: der von Eskalation, ja von Krieg. Auf dieses "Spiel" sollte sich der Westen nur insoweit einlassen, wie es nötig ist.

Schließlich wäre da noch ein letztes Argument: die Überlastung der Truppe. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine ist Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit enormen Herausforderungen konfrontiert. Er muss der Ukraine Waffen geben und ihre Soldaten ausbilden. Gleichzeitig muss er die Bundeswehr um- und ausbauen - mit dem Ziel, die Ostflanke der Nato zu schützen und Deutschland "kriegstüchtig" zu machen. Das stößt bereits heute an Grenzen.

Natürlich müssen die Streitkräfte bei der Drohnenabwehr Amtshilfe leisten, wenn die Polizei überfordert ist. Und würden aus Putins Einschüchterungsdrohnen Kampfdrohnen, dann wäre der Verteidigungsfall da - und die Polizei draußen. Doch bis dahin muss sich die Bundeswehr auf das Wesentliche konzentrieren. Sie ist keine eierlegende Wollmilchsau.

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