Warten auf Eil-Entscheidung des Gerichts : Streit um Höherstufung der AfD
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) verzichtet vorläufig auf die Einstufung der AfD als "gesichert rechtsextremistisch".
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat die AfD-Bundespartei Anfang Mai erstmals als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" eingestuft. Die AfD klagt. Die Einstufung wird nun gerichtlich überprüft. Inzwischen hat das Bundesamt die Einstufung vorläufig ausgesetzt - bis zu einer Eil-Entscheidung des Gerichts.
Das Bundesamt hatte die AfD bereits 2021 als "Verdachtsfall" einer extremistischen Bestrebung eingeordnet. Dagegen hatte die AfD geklagt und in zwei Instanzen verloren. Zuletzt bestätigte das Oberverwaltungsgericht Münster im Mai 2024 die Einstufung der AfD als Verdachtsfall. Diese Entscheidung ist aber noch nicht rechtskräftig. Beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ist noch ein Rechtsmittel der AfD anhängig.

Demonstration gegen Rechtsextremismus: Über ein Verbotsverfahren gegen die AfD wird seit Monaten debattiert.
Am 2. Mai ging das BfV nun den nächsten Schritt und erklärte die AfD zur "gesichert rechtsextremistischen Bestrebung". Das Bundesamt stützte sich dabei auf ein internes Gutachten, das 1.108 Seiten stark ist. Das als Verschlusssache eingestufte Gutachten liegt nur dem Bundesinnenministerium und den Verfassungsschutz-Landesämtern vor.
Parlamentarier haben das Gutachten noch nicht erhalten
Parlamentarier haben das Gutachten nicht erhalten. Auch der AfD wurde das Gutachten bisher nicht zugänglich gemacht. Es wird aber voraussichtlich in das Gerichtsverfahren eingeführt. Dort kann dann auch die AfD Akteneinsicht nehmen.
Die Begründung des Bundesamts für die Einstufung der AfD ist aus einer knappen Pressemitteilung vom 2. Mai ansatzweise bekannt. Darin verweist die Behörde vor allem auf den "ethnisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff" der Partei.
Gemeint ist, dass die AfD eingebürgerte Deutsche mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern nicht als gleichwertige Angehörige des durch die Partei ethnisch definierten deutschen Volkes akzeptiere. Dies verstoße gegen die Menschenwürde der Betroffenen und verletze damit die freiheitliche demokratische Grundordnung.
Hetze gegen Ausländer, Muslime und andere Minderheiten
Vorgeworfen wird der AfD zudem, dass sie generell gegen Ausländer, Muslime und andere Minderheiten hetze und diese verächtlich mache. So agitierten führende Funktionäre der AfD gegen Migranten und Flüchtlinge, etwa indem sie diese als "Messer-Migranten" bezeichnen oder ihnen eine ethnokulturell bedingte Neigung zur Gewalt unterstellten.
Bereits am 5. Mai hat die AfD gegen die neue Einstufung des Bundesamts beim Verwaltungsgericht (VG) Köln Klage eingereicht. Unter anderem verweist die AfD auf eine eigene Erklärung von 2021, wonach es für sie keine Staatsbürger erster und zweiter Klasse gebe. Der AfD-Schriftsatz hat einen Umfang von 195 Seiten. Er besteht aber überwiegend aus abstrakten Ausführungen, da die Partei das konkrete Gutachten ja noch gar nicht kennt.
„Vorgeworfen wird der AfD, dass sie gegen Ausländer, Muslime und andere Minderheiten hetze und diese verächtlich mache.“
Eine rechtskräftige Entscheidung über die AfD-Einstufung wird wohl erst in vier bis fünf Jahren vorliegen. Die AfD-Klage ist deshalb verbunden mit einem Eil-Antrag und dem Antrag auf einen so genannten Hängebeschluss des VG Köln. Bevor das VG Köln einen Beschluss erlassen konnte, kam dem das Bundesamt zuvor und setzte die Einstufung der AfD als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" bis zu einer inhaltlichen Eil-Entscheidung vorläufig aus.
Die Sicherheitsbehörde bleibt bei ihrer Neubewertung der Partei
Das Amt stellte im Schreiben an das Gericht allerdings klar, dass es die Neubewertung inhaltlich weiterhin für gerechtfertigt hält. Eine erste Entscheidung des VG Köln wird frühestens in einigen Monaten, vielleicht auch erst in einem Jahr vorliegen.
Zunächst wird die zeitweise Verfassungsschutz-Hochstufung der AfD also vor allem politische Wirkung erzeugen. So hat sie die von Jens Spahn (CDU) Ende April angestoßene Debatte über eine normale parlamentarische Behandlung der AfD vorläufig beendet und die Stimmen für das Aufrechterhalten einer politischen "Brandmauer" zur AfD gestärkt.
Die Wahl der Ausschuss-Vorsitze kommt erst noch
Bei der anstehenden Wahl von Ausschussvorsitzenden im Bundestag kommt es rechtlich nicht auf die Einschätzung des Verfassungsschutzes an. Die demokratisch legitimierten Abgeordneten können hier ohnehin frei entscheiden, wen sie wählen und insbesondere wen sie nicht wählen wollen. Das hat das Bundesverfassungsgericht erst im September 2024 entschieden.
Zugleich hat die zeitweise Hochstufung der AfD den Ruf nach einem AfD-Parteiverbot befeuert, insbesondere bei Grünen und Linken, aber auch bei einzelnen Politikern von SPD und CDU. Ein Verbotsantrag kann nur von den drei Organen Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat gestellt werden.
Das schreibt der Verfassungsschutz
"Wir sind zu der Überzeugung gelangt, dass es sich bei der Alternative für Deutschland um eine gesichert rechtsextremistische Bestrebung handelt. Dieser Befund fußt auf einer äußerst sorgfältigen gutachterlichen Prüfung, die einen Zeitraum von rund drei Jahren umfasst. Wir haben dabei eine Vielzahl von Aussagen und Positionen hochrangiger Parteivertreterinnen und -vertreter aus dem gesamten Bundesgebiet berücksichtigt.
Maßgeblich für unsere Bewertung ist das die AfD prägende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis, das ganze Bevölkerungsgruppen in Deutschland abwertet und in ihrer Menschenwürde verletzt.
Die Vizepräsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Sinan Selen und Silke Willems, in einer Erklärung vom 2. Mai 2025.
Ob ein Antrag gestellt wird, ist eine politische Ermessensentscheidung. Hierbei kann auch die Überlegung einfließen, ob es die Demokratie stärkt, wenn die etablierte Politik das Verbot der stärksten Oppositionspartei betreibt.
Verbotsverfahren gegen die AfD wäre langwierig
Über einen Antrag auf ein AfD-Verbot würde das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Es ist dabei nicht an die Einstufung des Verfassungsschutzes und die nachfolgenden Urteile der Verwaltungsgerichte gebunden.
Wenn eine Partei wie die AfD nicht offen für die Abschaffung von Demokratie, Rechtsstaat und Menschenwürde eintritt und dies nur puzzleartig aus Äußerungen von Funktionären geschlossen wird, ist ein Verbotsverfahren langwierig und hat einen unsicheren Ausgang.
Falls die Einstufung der AfD als extremistische Partei vom VG Köln bestätigt wird, kann dies auch Auswirkungen auf AfD-Mitglieder im öffentlichen Dienst haben. Bei hochrangigen Funktionären könnten die Folgen bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis reichen.
Es gibt keine automatischen dienstrechtlichen Konsequenzen
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte vor Amtsantritt allerdings, die bloße AfD-Mitgliedschaft sei noch kein Grund für dienstrechtliche Konsequenzen. Bei weiteren Vorwürfen müssten die Folgen im Einzelfall geprüft werden.
Möglicherweise werden Bund und Länder aber erst dann gegen AfD-Mitglieder und Funktionäre im öffentlichen Dienst vorgehen, wenn die Einstufung der Partei rechtskräftig ist.
Mit nachrichtendienstlichen Mitteln darf die AfD bereits jetzt beobachtet werden. Das heißt, es können Telefone überwacht und Spitzel in der Partei angeworben werden. Die Kommunikationsüberwachung muss von der sogenannten G-10-Kommission des Bundestags genehmigt werden.
Die Überwachung ist möglich, seit das Verwaltungsgericht in Köln im März 2022 die Einstufung der AfD als Verdachtsfall gebilligt hat. Daran ändert sich also auch nichts durch die Aussetzung der Hochstufung.
Der Autor arbeitet als freier rechtspolitischer Korrespondent.