Interview mit Stephan Brandner : "Kein guter Tag für unser Land"
Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion wirft dem Bundesamt für Verfassungsschutz schlampige Arbeit am Gutachten über seine Partei vor.
Herr Brandner, Friedrich Merz ist im zweiten Wahlgang zum 10. Kanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt worden. Wie bewerten Sie Wahlverlauf und Wahlergebnis?
Stephan Brandner: Das ist eine Riesenklatsche für Friedrich Merz. Er ist der erste Kandidat, der nicht im ersten Wahlgang zum Bundeskanzler gewählt worden ist. Der größte Wahlbetrüger aller Zeiten ist nun aber knapp Kanzler, unterstützt von einer SPD, die ihr schlechtestes Ergebnis seit 1887 eingefahren hat. Es war ein spannender Tag, aber kein guter Tag für unser Land.

Die gerichtlichen Verfahren werden Jahre dauern, sagt Brander zum Gutachten des Verfassungsschutzes zur AfD. Das erschwere die politische Arbeit, aber am Ende werde das alles der AfD nicht schaden, sondern sie stärker machen.
Hält die Koalition von Union und SPD länger als die Ampel?
Stephan Brandner: Ich befürchte, ja. Diese Koalition hat sich bekanntlich auf skandalöse Art und Weise die Möglichkeit geschaffen, Schulden ohne Ende aufzunehmen. Geld schweißt zusammen.
Eine Alternative hätte die Union auch nicht und erst recht nicht, seitdem der Verfassungsschutz die AfD als "gesichert rechtsextrem" eingestuft hat, auch wenn dies vorläufig zurückgenommen wurde. Die Brandmauer scheint ein Stück höher geworden zu sein.
Stephan Brandner: Dieses Gutachten der politischen, weisungsgebundenen Kampftruppe des sogenannten Verfassungsschutzes am letzten Amtstag als nur noch geschäftsführende Innenministerin rauszuhauen, war aus Sicht von Faeser und der SPD eine Glanzleistung, um Löcher in der Brandmauer zu stopfen, auch wenn dieser Plan nun vorerst gescheitert ist. Perfide bleibt aber, dass wir das Gutachten bis jetzt nicht kennen, Teile der Medien aber schon. Der neue Innenminister Dobrindt könnte aber nun eine seriöse Haltung einnehmen und den sogenannten Verfassungsschutz anweisen, damit aufzuhören, Zwietracht zu säen, zu stigmatisieren und zu zersetzen. Möglicherweise hat er das ja nun getan.
Erwarten sie noch, Mitglieder aus dem öffentlichen Dienst gewinnen zu können, da die ersten Bundesländer schon Überprüfungen von Mitarbeitern angekündigt haben?
Stephan Brandner: Es gibt ein paar wenige Austritte, aber viel mehr Eintritte. Die ganzen Überprüfungs- und Schikanedrohungen sind ja nun obsolet. Es wurde beim sogenannten Verfassungsschutz schlampig und ideologiegetrieben gearbeitet. Das steht jetzt fest. Aber die gerichtlichen Verfahren dauern Jahre, es kostet hunderttausende Euro. Und das alles erschwert die politische Arbeit, was freilich beabsichtigt ist. Am Ende wird uns das alles aber nicht schaden, sondern stärker machen.
„Ich glaube nicht, dass es zu einem Verbotsverfahren kommen wird.“
Die Äußerung des CDU-Politikers Jens Spahn, mit der AfD solle man umgehen "wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch", scheint eine Einzelmeinung zu bleiben.
Stephan Brandner: Das war keine Einzelmeinung, aber diejenigen in der Union, die Unterstützung für Spahn signalisiert hatten, rudern zurück. Uns mit den kriminellen Machenschaften des Verfassungsschutzes an die Karre zu fahren, hat teilweise funktioniert. Aber die Bürger durchschauen das. Sie wissen, wer für die Zustände im Land verantwortlich ist. Und das ist nicht die AfD.
Nach der Erklärung des Verfassungsschutzes kam ein starkes Echo selbst aus der CDU, ein Verbotsverfahren gegen die AfD in Gang zu setzen. Rechnen Sie damit?
Stephan Brandner: Das Thema wird regelmäßig wie eine Sau durchs Dorf getrieben. Jeder B- und C-Promi, der eine billige Schlagzeile braucht, bekommt sie mit einer so absurden Forderung. Ein Verbotsverfahren würde aber bedeuten, dass der sogenannte Verfassungsschutz V-Leute abschalten und Quellen offenlegen müsste. Das scheuen die anderen Parteien wie der Teufel das Weihwasser. Ich fände es gut, wenn V-Leute und Quellen bekannt werden würden. Dann würde klar, ob nicht vielleicht sogar die angeblich Schlimmsten bei uns in Wirklichkeit beim Verfassungsschutz sind und uns kaputtmachen wollen. Ich glaube daher nicht, dass es zu einem Verbotsverfahren kommen wird. Und wenn doch, müsste es binnen kürzester Zeit krachend scheitern, wenn es in Deutschland noch nach Recht und Gesetz zugeht.
Welche Erwartungen haben Sie an die neue Bundestagspräsidentin Julia Klöckner? Sie hat angekündigt, im Streit um den Umgang mit der AfD im Parlament und seinen Ausschüssen vermitteln zu wollen.
Stephan Brandner: Man wird sehen, ob das tatsächlich so wird, mir fehlt der Glaube daran. Bisher habe ich einen positiven Eindruck von Frau Klöckner, sie ist aber zu kurz im Amt, um das richtig beurteilen zu können. Schlechter als unter ihrer Vorgängerin Bas kann es aber kaum werden.

Hat es Vermittlungsversuche im Streit um die Verteilung der Fraktionssitzungssäle gegeben? Die AfD-Fraktion beklagt, dass ihr Fraktionssaal im Reichstagsgebäude jetzt zu klein ist und will den Saal der geschrumpften SPD-Fraktion.
Stephan Brandner: In dieser Sache habe ich von der Präsidentin noch nichts gehört. Bisher muss die AfD-Fraktion im Anhörungssaal im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus tagen, hat also als einzige Fraktion keinen eigenen Saal. Das Thema sollte nicht emotional befrachtet werden, sondern logisch. Also: Die zweitgrößte Fraktion bekommt den zweitgrößten Saal. So war es immer, und was spricht denn dagegen? Gar nichts.
Bei der Besetzung der Vorsitze der Ausschüsse wurde in der vergangenen Legislaturperiode kein AfD-Kandidat berücksichtigt. Rechnen Sie mit einem Entgegenkommen?
Stephan Brandner: Das Thema wird durch die Höherstufung durch den sogenannten Verfassungsschutz nicht einfacher. Dabei haben wir genügend hoch qualifizierte Abgeordnete. Mehr als andere Fraktionen.
Wollen Sie weiter einen Vizepräsidenten des Bundestages stellen?
Stephan Brandner: Uns steht ein Vizepräsidenten-Posten zu. Es steht in der Geschäftsordnung, und es gibt einen einstimmigen Beschluss des Bundestages, dass jede Fraktion einen Vizepräsidenten stellt. Daher gibt es keinen Grund, keinen Kandidaten aufzustellen - genauso wie es keinen Grund gibt, unseren Kandidaten nicht zu wählen.
Wichtiges Wahlkampfthema war die Migration. Der Kanzler will ab sofort die Kontrollen an den Grenzen verschärfen. Reicht das aus?
Stephan Brandner: Mir fehlt der Glaube. Merz hat zwar gemerkt, dass das ein wichtiges Thema ist und hat Ankündigungen gemacht. Es wird aber nichts Wesentliches passieren.
Glauben Sie, die notwendige Unterstützung für einen Corona-Untersuchungsausschuss zu bekommen?
Stephan Brandner: Bei den derzeitigen verhärteten Strukturen wohl nicht. Themen für Untersuchungsausschüsse wären aber neben Corona auch unter anderem der NordStream-Skandal und die Grenzöffnung 2015. Vor diesem Hintergrund ist es bedauerlich, dass das BSW nicht im Bundestag vertreten ist. Da hätte es eine punktuelle Zusammenarbeit geben können.
Wie sehen Sie Ihre Perspektiven?
Stephan Brandner: Wir sind seit längerem die stärkste Partei, wenn man CDU und CSU getrennt anschaut. Und in Umfragen inzwischen stärker als die Unionsparteien zusammen. Die Bürger wollen eine andere Politik in Deutschland: Sie wollen AfD pur und eine vernünftige Union statt das linke Gedöns der Kartellparteien.
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