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Deutsche Migrationspolitik : Zehn Jahre nach Merkels "Wir schaffen das"

Im Bundestag ziehen die Fraktionen eine gegensätzliche Bilanz der Flüchtlingspolitik seit 2015. Mit ihrer Fundamentalkritik steht die AfD allerdings alleine.

12.09.2025
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3 Min

Wir haben so vieles geschafft - wir schaffen das!" Der Satz der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf ihrer Sommerpressekonferenz vom 31. August 2015 zur Bewältigung des massiven Anstiegs der Flüchtlingszahlen gilt als der berühmteste ihrer 16-jährigen Kanzlerschaft. Hätte ihr damals jemand gesagt, dass ihr "diese drei banalen Worte" jahrelang und von einigen bis heute vorgehalten würden, hätte sie ungläubig geguckt, schrieb sie in ihren 2024 erschienenen Erinnerungen, und erst jüngst bilanzierte sie: "Bis jetzt haben wir viel geschafft, und was noch zu tun ist, muss weiter getan werden".

Foto: picture alliance / dpa / Bernd Von Jutrczenka

Angela Merkel (CDU) bei ihrer Sommerpressekonferenz Ende August 2015, auf der sie ihre so berühmte wie umstrittene Ermutigung formulierte.

Am Mittwoch zogen die Bundestagsfraktionen im Parlament in einer von der AfD beantragten Aktuellen Stunde mit dem Titel "Zehn Jahre ,Wir schaffen das'" eine ganz gegensätzliche Bilanz der seitherigen Migrationspolitik der Bundesrepublik. Während die AfD-Fraktion den zurückliegenden und aktuellen Regierungskurs massiv kritisierte, verwiesen Vertreter der anderen Fraktionen auf Erfolge bei der Bewältigung der mit den hohen Flüchtlingszahlen verbundenen Herausforderungen.

AfD dringt auf mehr Rückführungen aus Deutschland

Gottfried Curio (AfD) hielt der Union vor, vor zehn Jahren die Grenzen für inzwischen Millionen illegale Migranten geöffnet und das Land "zur Sozialplünderung" freigegeben zu haben. Deutschland habe nur geschafft, ärmer und unsicherer geworden zu sein. Gebraucht würden Rückführungen, doch komme da nichts, fügte Curio hinzu.

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Cornell-Anette Babendererde (CDU) sagte, Deutschland habe 2015 "ein freundliches Gesicht gezeigt", wie es Merkel einst formuliert habe. Sie sei auch heute überzeugt, dass das "in dieser Situation die richtige Entscheidung" gewesen sei. Später jedoch hätten sich Bürgerkriegsflüchtlinge vermischt mit solchen, die aus wirtschaftlicher Not gekommen seien. Hier habe auch die Union zu lange mit den erforderlichen Maßnahmen gezögert. Heute setze sie indes die von den Menschen gewollte Migrationswende um.

Lamya Kaddor (Grüne) verwies auf "Erfolgsgeschichten" von Menschen, die 2015 nach Deutschland kamen. Diese arbeiteten überdurchschnittlich oft in systemrelevanten und Engpassberufen wie im Pflege- und Gesundheitswesen, im Verkehr, der Logistik, im Lebensmittelbereich und im Gastgewerbe. Sie zahlten Steuern und stützten die überlasteten Renten- und Sozialsysteme. Die Beschäftigungsquote liege neun Jahre nach ihrer Ankunft bei 64 Prozent im Vergleich zu 70 Prozent in der Gesamtbevölkerung.

Auch SPD und Linke betonen Erfolge in der Flüchtlingspolitik seit 2015

Auch Rasha Nasr (SPD) betonte, dass zwei Drittel der 2015 nach Deutschland gekommenen Menschen heute in Arbeit seien, Steuern zahlten und die Sozialsysteme stützten. 2015 habe "Wir schaffen das" bedeutet: "Wir schaffen Integration". Heute bedeute der Satz, die Demokratie "gegen Hetze, gegen Extremisten und vor allem gegen die AfD" zu verteidigen".

Clara Bürger (Linke) hielt der AfD vor, "von Hetze und Lügen" zu leben. Seit 2015 seien viele Erfolge erzielt worden. 64 Prozent der Flüchtlinge der damaligen Jahre arbeiteten. Bei Männern seien es 76 Prozent und damit mehr als im Bundesdurchschnitt. Auch seien fast 300.000 Menschen allein im vergangenen Jahr eingebürgert worden, und die Kriminalität sei heute niedriger als 2015. Über solche Erfolge werde indes viel zu wenig gesprochen.

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Schon am Donnerstag debattierten die Abgeordneten erneut über die Migrationspolitik; erstmals stand dabei ein AfD-Antrag auf Zurückweisung aller Asylsuchenden an den deutschen Grenzen auf der Tagesordnung. "Die deutschen Land- und Seegrenzen sollen lückenlos kontrolliert werden", heißt es in der Vorlage.

Außerdem sollten alle deutschen Flughäfen und grenzüberschreitenden Bahnstrecken lückenlos kontrolliert werden, um Binnenmigration aus anderen EU-Staaten zu unterbinden, verlangt die AfD-Fraktion. Die Bundesregierung solle sicherstellen, dass die Rückführung illegal eingereister Migranten nicht am Widerstand der Nachbarstaaten scheitert.