Piwik Webtracking Image

Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten : Schwarz-rote Blockadebrecher

Die Koalition will Herkunftsstaaten von Flüchtlingen künftig auch ohne Beteiligung von Bundestag und Bundesrat als sicher einstufen können.

11.07.2025
True 2025-07-11T16:11:13.7200Z
3 Min

Die Einstufung asylrechtlich sicherer Herkunftsstaaten gilt vielen als probates Mittel zur Eindämmung illegaler Migration. Menschen aus diesen Ländern werde signalisiert, dass Anträge auf internationalen Schutz regelmäßig keine Erfolgsaussicht haben, ihre Verfahren würden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) schneller bearbeitet, und nach einer negativen Entscheidung über den Antrag könne ihr Aufenthalt in Deutschland schneller beendet werden: So argumentieren CDU/CSU und SPD in ihrem Gesetzentwurf “zur Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten durch Rechtsverordnung”, den der Bundestag am Donnerstag erstmals beriet.

Foto: picture alliance/dpa/Daniel Löb

Zwei Asylbewerber in der Aufnahmeeinrichtung im bayerischen Zirndorf. Mit der Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten will Schwarz-Rot illegale Migration begrenzen.

Mit der angestrebten Neuregelung will die Koalition vermeiden, bei der Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten erneut im Bundesrat zu scheitern. Bislang ist für eine solche Einstufung die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat erforderlich, und letztere blieb Schwarz-Rot mehrfach verwehrt: 2016 schon beschloss der Bundestag etwa die Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien; der Bundesrat verweigerte die Zustimmung. 

2019 setzten Union und SPD im Bundestag ein ähnliches Gesetz durch, der Bundesrat strich die Abstimmung darüber von seiner Tagesordnung. Die drei Maghreb-Länder sind bis heute nicht als sichere Herkunftsstaaten eingestuft.

Die Regierung soll Herkunftsstaaten per Rechtsverordnung als sicher einstufen können

Das soll sich nach dem Willen der Koalition so nicht mehr wiederholen: Sie will mit ihrem Gesetzesentwurf "die Blockade, die es im Bundesrat in den letzten zehn Jahren gegeben hat durch die Grünen", beenden, wie Alexander Throm (CDU) in der Debatte die Zielrichtung beschrieb.

Unterschiedliche Schutzformen in der Übersicht

🏘️ Nach Grundgesetz-Artikel 16a erhalten politisch Verfolgte Asyl, denen im Herkunftsland schwerwiegende Menschenrechtsverletzung drohen. Berücksichtigt wird grundsätzlich nur staatliche Verfolgung. 2024 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) 1.964 Asylberechtigte an. 

❎ Der Flüchtlingsschutz basiert auf der Genfer Flüchtlingskonvention, die auch bei der Verfolgung von nichtstaatlichen Akteuren greift. Vergangenes Jahr sprach das Bamf 35.831 Personen Flüchtlingsschutz zu.

📝 Subsidiärer Schutz greift, wenn weder Flüchtlingsschutz noch Asylberechtigung gewährt werden können und im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht. 2024 wurden 75.092 Menschen als subsidiär Schutzberechtigte anerkannt.



Danach soll die Bundesregierung für internationalen Schutz im Sinne der Paragrafen 3 und 4 des Asylgesetzes (Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention beziehungsweise subsidiärer Schutz) einen Herkunftsstaat per Rechtsverordnung als sicher bestimmen können. Die Regelungen zur Benennung sicherer Herkunftsstaaten für die Asylberechtigung nach Grundgesetz-Artikel 16a sollen unangetastet bleiben. In diesen Fällen werden sichere Herkunftsstaaten per Gesetz bestimmt, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

Mehr zum Thema

Mehr zum Thema Zwei Jahre kein Familiennachzug
Migrationspolitik: Zwei Jahre kein Familiennachzug

Zugleich soll mit dem Gesetzentwurf die 2024 eingeführte Pflicht zur Bestellung eines Rechtsbeistands in Verfahren über die Anordnung von Abschiebehaft oder Ausreisegewahrsam gestrichen werden.

Helge Limburg (Grüne) warf der Koalition in der Aussprache vor, bei der Ausweisung sicherer Herkunftsstaaten die Beteiligung von Bundestag und Bundesrat aushebeln zu wollen. Dies sei inakzeptabel. Clara Bürger (Linke) kritisierte, dass das Koalitionskonzept ein "Asylverfahren zweiter Klasse" schaffe. 

Für Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) muss es dagegen "ein Ende haben", dass Festlegungen sicherer Herkunftsstaaten im Bundesrat "blockiert" werden. Sebastian Fiedler (SPD) verwies darauf, dass die Koalition mit der Neuregelung eine rechtliche Möglichkeit ausschöpfe, die die EU-Asylverfahrensverordnung vorsehe. Christian Wirth (AfD) nannte es wünschenswert, dass der geplante "Umweg der Rechtsverordnung" rechtlich tragfähig sei. Derzeit sei jedoch offen, ob dieser Weg "juristisch hält".

Mehr Hintergründe zum Thema

Ein Polizist kontrolliert ein Auto an der Grenze
"Rechtswidrig mit Ansage": Grüne und Linke kritisieren Zurückweisungen an den Grenzen
Die Union verteidigt im Bundestag die verschärften Grenzkontrollen und Zurückweisungen von Asylsuchenden gegen die Kritik aus der Opposition.
Fünf türkische Gastarbeiter im Jahr 1979 stehen in Arbeitskleidung vor dem Gebäude Daimler-Benz und lächeln
Blick in die Geschichte: Wie Deutschland ein Einwanderungsland wurde
Mehr als ein Viertel der Bevölkerung Deutschlands hat einen Migrationshintergrund. Flucht ist nicht der Hauptgrund dafür, dass Menschen in die Bundesrepublik kommen.
Frank-Walter Steinmeier mit frisch eingebürgerten Menschen
Staatsangehörigkeitsrecht: Der Ampel-Turbo wird ausgeschaltet
Schwarz-Rot will die 2024 eingeführte Möglichkeit der Einbürgerung nach dreijährigem Aufenthalt wieder streichen: ein Kompromiss der Koalition.