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Foto: picture alliance / imageBROKER / Infinity News Collective
Sunil Amrith beschreibt, welche Stationen die Menschheit passierte auf ihrem Weg in eine planetare Umweltkrise.

Menschlicher Fortschritt und Ökologie : Alle Geschichte ist Umweltgeschichte

Der Historiker Sunil Amrith hat mit "Brennende Erde" eine Globalgeschichte der vergangenen 500 Jahre und ein Manifest für den Erhalt des Planeten vorgelegt.

25.07.2025
True 2025-07-25T11:17:50.7200Z
2 Min

Als junger Historiker betrachtete Sunil Amrith die Umweltproblematik mit Blick auf demokratische Grundwerte, ökonomische Prosperität und soziale Gerechtigkeit als zweitrangig. Heute hingegen glaubt der Professor für Geschichte an der Yale University, dass diese fundamentalen Prinzipien nicht voneinander zu trennen sind. Mehr noch: Amrith ist davon überzeugt, dass das Streben nach Umweltgerechtigkeit im fortdauernden Kampf des Menschen um Freiheit gründet.

Der in Singapur aufgewachsene Autor konnte schon als Kind beobachten, wie die Natur für menschliche Zwecke verändert wurde. So wurde die Landfläche des Inselstaates bis heute künstlich um 25 Prozent erweitert. Nach zwei Büchern über soziale Konflikte konzentriert sich Amrith nunmehr auf die Geschichte unseres urbanen, globalisierten und zugleich geteilten Planeten in den vergangenen 500 Jahren.

Im 20. Jahrhundert konnte die Lebenserwartung gesteigert werden

Zu Beginn steht die Empathie für menschliche Träume von einer "fossil befeuerten Flucht, die sich heute zerschlagen haben". "Der privilegierteste und mächtigste Teil der Menschheit" begann zu glauben, dass der Kampf gegen die Natur zu gewinnen sei. Die Menschen hofften, dass der leichte Zugang zu den fossilen Brennstoffen sie unbesiegbar machen würde. Die Europäer eroberten mit ihren Dampfmaschinen und tödlichen Waffen den Planeten, in vielen Fällen auf Kosten der Freiheit anderer Völker.


Sunil Amrith:
Brennende Erde.
Eine Geschichte der letzten 500 Jahre.
C.H. Beck,
München 2025;
505 S., 34,00 €


Amrith betont, dass die Geschichte des menschlichen Kampfes um neue Lebensräume und Lebensmöglichkeiten überraschende Wendungen bereithält: Ausgerechnet im selbstzerstörerischen 20. Jahrhundert gelang es einem signifikanten Teil der Menschheit, die Lebenserwartung zu steigern, Krankheiten und Pandemien zu besiegen. Diese Erfolge waren auch auf "eine verstärkte Kontrolle der Umwelt zurückzuführen". 

Raffinerien produzierten die Petroleumprodukte, aus denen Ertrag steigernde Düngemittel und Antibiotika zur Bekämpfung bakterieller Infektionen hergestellt werden. Kohlekraftwerke und dieselbetriebene Generatoren sorgten für Licht auf den ländlichen Geburtsstationen, sodass Entbindungen sicherer wurden. "Eine beachtliche Leistung in einem Jahrhundert, das durch seine schrecklichen Innovationen im Bereich der Massentötungen hervorsticht".

Amrith liefert ein Manifest für den Erhalt des Planeten

In seinem grandiosen Buch belegt der Historiker mit zahlreichen kurzen Geschichten, welche Stationen die Menschheit passierte auf ihrem Weg in eine planetare Umweltkrise. Eine zügellose Umweltzerstörung untergrabe die wenigen Hilfssysteme, die den einzigen bewohnbaren Planeten noch erhalten würden. Als wichtigste Ursachen für die Krise nennt Amrith die energiehungrigen Wirtschaftssysteme mit ihrem Ansinnen, die menschlichen Freiheiten immer weiter auszudehnen. Hinzu komme "die mutierende Hydra des Militarismus, bewaffnet mit der Macht, jede Lebensform auf der Erde zu zerstören". Als Lehrender sieht und trifft der Autor auf die wachsende Erkenntnis, dass es ohne die Welt auch keine Menschheit geben wird. "Irgendwann einmal war alle Geschichte Umweltgeschichte. Sie ist es immer noch".

Amriths Fazit lautet: Nur im Kampf für einen lebendigen Planeten "können wir unsere Freiheit zurückgewinnen". Sein Buch darf man getrost als Manifest für den Erhalt unseres Planeten begreifen.

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