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Gefährdete Demokratien : Am Ende bleibt nur die Fassade

Wie versuchen Rechtspopulisten das System der Gewaltenteilung auszuhöhlen? Das stellen Peter R. Neumann und Richard C. Schneider in "Das Sterben der Demokratie" dar.

08.10.2025
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3 Min

Dramatisch klingt der Titel dieses Buches über "Das Sterben der Demokratie". Doch die Autoren Peter R. Neumann und Richard C. Schneider können darstellen, dass es tatsächlich Grund gibt, auf eine für unsere politische Ordnung kritische Entwicklung hinzuweisen. Keine politische Strömung ist so schnell so stark in der Wählergunst gewachsen wie jene der Rechtspopulisten.

Foto: picture alliance/REUTERS/Marton Monus

Politisch auf einer Wellenlänge: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán und die AfD-Parteivorsitzende Alice Weidel bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am 12. Februar 2025 in Budapest. Weidel lobte Ungarn als "großes Vorbild".

2010 haben diese politischen Kräfte europaweit im Durchschnitt auf die Unterstützung von fünf Prozent der Bevölkerung zählen können, heute sind es bereits 25 Prozent. Zu einer ernsthaften Gefahr werden die Rechtspopulisten, wenn sie an der Macht sind und danach trachten, die liberalen Grundpfeiler dieses politischen Systems wie individuelle Freiheitsrechte und Gewaltenteilung auszuhöhlen.

Rechtspopulisten nutzen das Narrativ von dem einen "wahren" Volkswillen

Mit analytischer Schärfe beschreiben der Politikwissenschaftler Neumann vom King's College in London und der Fernsehjournalist Schneider anhand von Fallstudien, wie massiv Rechtspopulisten die Demokratien unter Druck bringen. Allzu verlockend scheint für viele Wähler deren politische Ideologie zu sein. Nach ihrer Lesart besteht heutzutage ein unüberbrückbarer Gegensatz zwischen dem Volk und angeblich abgehobenen Eliten. 

Eine echte Volksherrschaft kann sich demnach erst durchsetzen, wenn diese Eliten ausgeschaltet sind. Aber falsch sei die von den Rechtspopulisten propagierte Ansicht, dass es in einer pluralistischen Gesellschaft nur eine einzige "wahre" Volksmeinung geben könne, betonen die Autoren. Als anmaßend weisen sie den Anspruch der Rechtspopulisten zurück, dass sie allein den "wahren" Volkswillen vertreten könnten.

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Als Ziel hat Ungarns Premier Viktor Orbán eine "illiberale Demokratie" genannt. Rechtspopulisten sind durchaus auf demokratische Bestätigung bedacht. Aber sobald sie die Macht haben, setzen sie in aller Konsequenz darauf, demokratische Kontrollinstanzen einzuschränken. Daher holen Rechtspopulisten regelmäßig zuerst zum Schlag gegen die unabhängige Justiz und die freien Medien aus. Die Schwächung der Gewaltenteilung kann eine Situation schaffen, in der es am Ende keine funktionierenden Mechanismen mehr gibt, um den Absturz in eine Autokratie aufzuhalten. Neumann und Schneider heben hervor, dass hier eine allmähliche Erosion der liberalen Demokratie stattfinde - bis schließlich nur noch die Fassade der Demokratie übrigbleibe.

US-Präsident Trump verfolgt in seiner zweiten Amtszeit eine klare Agenda

In den USA folgte Donald Trumps erste Präsidentschaftskampagne einem klassisch populistischen Drehbuch. Sein Slogan "Make America great again" richtete sich an alle, die sich von der Politik des Establishments allein gelassen fühlten. Aber sein erratisches Agieren als Präsident ließ seine erste Amtsperiode zu einem Fehlschlag werden. Ganz anders Trumps zweite Amtszeit: Sein Populismus folgt jetzt einem konkreten Programm; und im Weißen Haus verfügt er nun über ein loyales Team, das seine Agenda bedingungslos umsetzt.


Peter R. Neumann, Richard C. Schneider:
Das Sterben der Demokratie.
Der Plan der Rechtspopulisten in Europa und den USA.
Rowohlt Berlin,
Berlin 2025;
224 S., 24,00 €


Das ist ein politisches Geschehen, das noch im Gang ist. Das ganze Ausmaß einer Entwicklung, durch welche die Demokratie auch in den USA - traditionell westliche Führungsmacht und zivilisatorische Vorbildnation - ins Wanken gerät, haben die Autoren noch nicht umreißen können. Aber sie merken kritisch an, dass Trump anscheinend mehr als alle anderen Rechtspopulisten bereit sei, "die Grenze zur Autokratie zu überschreiten".

AfD gewinne trotz “extremistischer und völkisch-nationalistischer Positionen” Popularität

Deutschland sei in Sachen Rechtspopulismus ein "Nachzügler", schreiben Neumann und Schneider. Aber inzwischen gibt es mit der AfD auch hierzulande eine stimmenstarke Partei, die trotz der "immer offeneren Annäherung an extremistische und völkisch-nationalistische Positionen" an Popularität gewinnt. Für umso wichtiger erachtet das Autorenduo die Gegenstrategie, mit der die Verfechter der liberalen Demokratie den Vormarsch der Rechtspopulisten bremsen könnten.

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Erstens: Die Parteien der Mitte müssen in zentralen Feldern der Politik Handlungsfähigkeit beweisen, insbesondere in der Wirtschafts- und Migrationspolitik. In Dänemark haben die Rechtspopulisten erheblich an Zustimmung eingebüßt, weil die Regierenden nach dem Eindruck der Bürger die Kontrolle über die Zuwanderung zurückgewonnen haben. 

Zweitens: Die "Brandmauer" muss halten; das heißt: keine Kooperation, keine Koalition mit den Rechtspopulisten. In keinem Fall haben konservative Parteien in Europa von der Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten dauerhaft profitiert. Stattdessen sind sie schwächer geworden, wie Beispiele in Italien oder Frankreich zeigen. 

Drittens: Die "Freunde der Freiheit" müssen für die liberale Demokratie kämpfen; und dies vor allem dort, wo die politische Auseinandersetzung mehr und mehr stattfindet, nämlich in den sozialen Medien. Während rechtspopulistische Parteien einen großen Auftritt inszenieren, sind die etablierten Parteien viel zu wenig präsent.