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80 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki : Die Rolle der Atombombe

Der britische Historiker Richard Overy zeichnet den Weg zur Atombombe nach und untersucht ihren Einfluss auf die Kapitulation Japans im Zweiten Weltkrieg.

28.08.2025
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2 Min

Nach der zweiten Bombe kamen dann doch Skrupel auf. Hatte US-Präsident Harry S. Truman nach dem Abwurf der ersten Atombombe auf Hiroshima am 6. August 1945 noch gejubelt, dies sei "die größte Leistung der organisierten Wissenschaft in der Geschichte", die den Weltkrieg rasch beenden werde, so sagte er nach dem Abwurf der zweiten Bombe auf Nagasaki drei Tage später, "der Gedanke an die Auslöschung von weiteren 100.000 Menschen sei zu schrecklich". Dies gelte vor allem im Hinblick auf die vielen getöteten Kinder.

Overy zeigt sowohl die US-amerikanische als auch die japanische Perspektive auf

Bis heute ist die Ansicht weit verbreitet, dass die beiden Atombombenabwürfe Japan im Zweiten Weltkrieg zur Kapitulation veranlassten. In seinem Buch "Hiroshima - Wie die Atombombe möglich wurde" äußert der britische Historiker Richard Overy Zweifel an dieser Ansicht. Er führt ein Bündel von Motiven an, das Kaiser Hirohito am 10. August gegen den Widerstand von Teilen der Armeeführung dazu gebracht habe, den Krieg zu beenden.


Richard Overy:
Hiroshima.
Wie die Atombombe möglich wurde.
Rowohlt Berlin, Berlin 2025;
240 S., 24,00 €


Neben der Angst vor inneren Unruhen habe auch der bevorstehende Angriff der Roten Armee auf den Norden Japans beim Tenno und wichtigen Mitgliedern des Kabinetts den Entschluss reifen lassen, einen Waffenstillstand zu schließen. Eine wichtige Rolle hätten auch die verheerenden Brandbombenangriffe der US-Luftwaffe auf japanische Städte gespielt. Allein beim Angriff auf Tokio am 9. März 1945 kamen vermutlich mehr als 100.000 Menschen ums Leben. Belegen kann Overy allerdings nicht, dass Japan auch ohne die Atombombenabwürfe schon im August 1945 kapituliert hätte und damit der von den Amerikanern gefürchtete Kampf um die japanischen Hauptinseln ausblieb.

Wenn moralische Bedenken keine Rolle spielen

Es ist eine Stärke des Buches, dass Overy sowohl die US-amerikanische als auch die japanische Perspektive detailreich schildert. So zeigt er, wie bei den fieberhaften Arbeiten zur Entwicklung der Atombombe unter Leitung des Physikers Robert Oppenheimer in der Forschungsanlage Los Alamos moralische Bedenken außer Acht blieben. Der brennende Ehrgeiz, die technischen Probleme beim Bau einer Bombe auf Grundlage der Kernspaltung zu lösen, ging einher mit der Überzeugung, dass sie zum raschen Ende des Krieges führen und viele amerikanische Leben retten würde. 

"Es war wie in einem Tollhaus", zitiert Overy einen Augenzeugen der erfolgreichen Test-Explosion am Morgen des 16. Juli 1945 in der Wüste von New Mexico. “Alle waren mit sich überaus zufrieden. Sie hatten so hart gearbeitet, und jetzt hatten sie es geschafft.”

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